Eigentlich hasse ich es ja, Mitarbeiter entlassen zu müssen. Aber eben musste es sein. "Ich nehme von dir keine Anweisungen entgegen", sagte er. Ich antwortete ihm: "Du arbeitest in meiner Abteilung unter meiner Verantwortung. Daher nimmst du jetzt deine Kündigung entgegen."

Scheißjob. Wenigstens habe ich ihn nicht eingestellt.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Bloggertreffen.

Wann? Wo? Wie? Warum? Erstinformation hier!

... link (0 Kommentare)   ... comment


Kleine Essen unter Freunden.

Eine schöne Abendbeschäftigung ist ein Essen mit Menschen, die man schon seit den ersten Tagen des ersten Semesters am Jura-Fachbereich kennt, und deren Koch- und Lebenserfahrung mit den Jahren ebenso gewachsen sind wie der Bauchumfang. Noch mehr an Gewicht zugenommen hat indes der Konto- und soziale Stand. In diesen Kreisen kommt man nicht einfach zum Abendessen. Man wird geladen. Oder als bohèmehafte Ergänzung geduldet, wie ich.

I. Amuse gueule
Es gibt Prosecco und Kroepoek (Krabbenchips). S., das Geburtstagskind, wird eifrig beprostet und der Kreis der üblichen Verdächtigen tauscht den neuesten Klatsch aus. Ihre Schwester U. faltet bedächtig die Hände über ihrem dicken Bauch und lehnt sich im Sessel zurück. "Wir haben es so eingerichtet, dass alle im Sommer ihre Babys bekommen", sagt sie, und es klingt, als hätten sie und ihre Freundinnen genau das erreicht, was sie wollten. Ihre Perlenkette passt perfekt zur Borte des Chanel-Jäckchens. Ein respektloser Freund nannte sie und ihre Schwester ob dieser Schmuckvorliebe "Perlhühner". Für mich sind die beiden meine "Etepetete-Schwestern".

II. Suppe
Angerichtet auf feinweißem KPM-Porzellan wird Miso-Suppe. Miso-Suppe ist etwas Feines: Kaum Kalorien, viele Spurenelemente. Wenn man Algen mag. Ich mag Algen als Packung zur Unterstützung des Kampfes gegen collagenen Verfall.
Die Gastgeberin resümiert über Gesundheitsaspekte japanischen Essens sowie den positiven Einfluss auf das Gewicht. Sie wiegt geschätzte 50 Kilogramm, ihre Schwester wegen der Schwangerschaft vielleicht 15 Kilo mehr. Meine Gedanken schweifen kurz zu Rindermark ab, aus dem gekochten Knochen gekratzt und auf ein wunderbar duftendes Schwarzbrot gestrichen, ein wenig Meersalz darüber gestreut... Traurig schwimmen die Algen in meiner Suppe.

III. Sushi
Nach diesem Genuss fährt die Gastgeberin, flankierend unterstützt von ihrem liebenswürdigen cabriofahrenden Freund, der genau zum richtigen Zeitpunkt ihn ihr Leben trat, nämlich als sich der Letzte samt verdecklosem Auto verabschiedete (und so konnte sie den Sommer richtig und standesgemäß genießen), nach diesem Genuss also wird Sushi aufgetischt.
Sushi ist lecker. Schmackhafter Fisch, kalorienarmer Reis, da kann ich auch den Algenmantel ab. Ungenießbar allerdings der Tischnachbar: Erzählte er zu den Amuses gueules noch spannende Geschichten aus seiner Praktikumszeit in Bombay, sinkt der Nährwert seiner Stories rapide. Es bleibt der fade Nachgeschmack eines Komplexbeladenen Schwadroneurs.

IV. Spinat-Sesam-Salat
Ein kleiner Zwischengang, bekömmlich und leicht, hilft beim Verdauen der immer wilder um die Sprachgewandtheit und den hohen Bildungsgrad meines Tischherrn kreisenden Selbstbeweihräucherung. Die Gastgeberin plaudert derweil über die neuesten Modekreationen: "Und dann habe ich mir noch dieses Top in Paris gekauft, wohin mich" - verliebt aussehender Blick zum cabriofahrenden Freund - "O. auf ein Shoppingwochenende eingeladen hat." Verdammt! Jetzt ist mir der Appetit vergangen.
Was mache ich falsch? Ich werde allenfalls mal in ein mittelmäßiges Konzert geschleppt. Noch nie hat mich ein noch so Verliebter in die Stadt der Liebe eingeladen. Vielleicht sollte ich doch in den Kreisen der Erfolgreichen auf Jagd gehen? Auch auf die Gefahr hin, einen ebenso langweiligen Mann an meiner Seite zu haben wie meinen Tischherrn. "Schön, ja, dein Top", lüge ich. "Ich kaufe auch immer Second Season." Sie wirft mir einen giftigen Blick zu, der deutlich besagt: Second Season, dass ich nicht lache, das ist allerhöchstens Second Hand, was du trägst. (Hier hat sie Unrecht, ich kaufe niemals gebrauchte Klamotten) Die Stimmung ist etwas frostig. Passend zum:

V. Geeisten Fischconsommé
Das nicht wirklich schlecht schmeckt. Allenfalls etwas befremdlich, dass Fisch in einer geleeartigen Masse schwimmt. Fisch muss schwimmen, habe ich gelernt, und nehme einen großen Schluck Weißwein. Das wiederhole ich noch einige Male, dann finde ich langsam Gefallen an meinem Tischherrn. Seine Schuppen auf dem schwarzen Denkerrollkragenpullover passen ganz entzückend zum Essen und ich sehe gnädig darüber hinweg, dass er den Selbstbräuner etwas ungeschickt bis in die Augenbrauen verteilt hat. Schönheit ist halt nicht jedermanns Sache.

VI. Hackfleisch
Würde ich gern aus meiner Tischnachbarin zur Linken machen. Sie, die oben genannte U., seufzt alle zwei Minuten beseelt auf und streichelt sich über den Bauch. Zwei Körnchen Reis, ein Gäbelchen Hackfleisch in einer köstlichen Ingwer-Knoblauch-Marinade, ein Seufzer. Nach vier Bissen legt sie die Gabel beiseite und sagt: "Ich darf nicht so viel Knoblauch. Wenn man schwanger ist, muss man aufpassen." Wie? Kein Knoblauch mehr? Was machen die Italienerinnen, Spanierinnen, Türkinnen? Ich beschließe, die Vorsichtige zu ignorieren und nehme erneut große Schlucke Weißwein.

VII. Dessert
Wenn ich könnte wie ich wollte, gäbe es eine Leiche zum Dessert. Mein Tischnachbar hat mittlerweile entdeckt, dass wir unendlich viel gemeinsam haben. Die Vorliebe für Kino zum Beispiel. Er kennt jeden Film, die Intention des Regisseurs und hält Clint Eastwood für überbewertet. Dirty Harry überbewertet? Gleich gibt es Mord. Nein, es gibt Eis mit Ingwer-Ahornsirup, eine kanadisch-japanische Leckerei.

Hinterher bin ich so was von satt. Ich werde mindestens ein halbes Jahr brauchen, bis ich wieder ein kleines Essen unter Freunden genießen kann.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Wort des Tages

"Menschgewordenes Potemkin'sches Dorf"

Aus: Abteilung für Sprachverehrung.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montagsrap

Heut' ist wieder einer der verdammten Tage,
an denen ich ständig überall versage,
drum geh' ich heute wieder früher heim,
und mach mir noch 'nen richtigen Reim.

Anmerkung: Das Fieber steigt.

... link (5 Kommentare)   ... comment


Freaky Tomato Story

Eigentlich sollte man ihn für solche Geschichten einsperren. Oder zumindest nicht wieder vom Schreibtisch fort lassen, bis er mehr davon geschrieben hat.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Krank.

Herzlich willkommen in der Krankenstube!

8.15: Ich rufe im Büro an. Man wünscht mir baldige Genesung. Ich höre den unausgesprochenen Gedanken: Erst drei Wochen Urlaub und jetzt krank, das sind die Richtigen.

9.45: Geräusche. Laute Geräusche. Schlagbohrhämmern aus der Wand hinter meinem Bett. Reißen die jetzt das Haus ein? Da war doch letztens ein Brief von der Hausverwaltung. Verdammt, verdammt...

10.30: Genesungsmail vom Gelegenheitsmann. Er sei auch krank, behauptet er. Nur viel schlimmer. Und von wem hab ich's wohl? Das sollte ein opulentes Abendessen in einem besseren Restaurant hergeben.

11.45: Ich schmecke nichts mehr. Macht aber nichts, denn außer Reis und Tomatenmark ist nichts mehr da.

12.20: Kranksein ist langweilig. Ich gehe jetzt raus, spazieren, Kaffee trinken, Einkaufen - den freien Tag muss man doch genießen!

12.21: Kreislaufzusammenbruch. Dann eben nicht.

12.23: Telefonische Bestellung: Ich nehm' dann einmal den Genesungspolizisten mit den knackigen Muskeln und drei Salbeibonbons.

13.13: Ich beschließe, heute auf Körperpflege zu verzichten. Riechen kann ich ohnehin nicht mehr.

15.00: Nachdem ich den tollen Vorschlag von Herrn Rochus Wolff beherzigt habe, kann ich zwar wieder verständlicher sprechen. Dafür ist mir schlecht. Salzwasser in Zukunft nur noch für Nudeln (Note to myself: Die dann auch mal einkaufen gehen).

19.15: Ich biete der Welt nach vier Stunden Tiefschlaf wieder die (37,9 Grad warme) Stirn. Dank für die guten Wünsche.

... link (8 Kommentare)   ... comment


Bratenduft.

Es erwischt uns doch irgendwann alle: Gegen den genetisch verankerten Fortpflanzungstrieb kommen wir einfach nicht an. Ab Anfang Dreißig bei Frauen und Mitte/eher Ende Dreißig bei Männern taucht er auf, dieser feuchte Hundeblick, wenn an einem lauen Frühlingssonntag eine kleine, glückliche Familie oder ein ziemlich dicker (Schwangeren-)Bauch auf der Straße entgegen kommt.

Die Hormone übernehmen die Macht. Die tägliche Pille wird immer häufiger widerwillig und mit den Gedanken an ein „was wäre wenn“ geschluckt. Eines Tages dann ist es soweit. Entweder man entscheidet, sofern in einer glücklichen, auf gegenseitigem Respekt und Vertrauen basierenden Beziehung (die so selten ist wie ein Sechser im Lotto, daher sollte man sie tunlichst rechtzeitig institutionell besiegeln, denn merke: Scheidungen sind teurer als Hochzeiten), gemeinsam die Aufgabe von Verhütungsmitteln. Oder - was für ein Ärger! - es passiert einfach. Frau hatte Durchfall. Oder Erbrechen. Oder Jetlag, die Zeitumstellung nach dem Thailandurlaub, die muss es gewesen sein. Liebe Männer, glaubt es nicht! Einmal vergessen, das reicht nicht, um den jahrelang lahm gelegten Ovarien neues Leben zu entlocken. Da muss schon ein bisschen fortgesetzte Schlampigkeit, eine gewisse absichtlich absichtslose Vergesslichkeit hinzukommen.

Hat man gerade keinen wirklich an Nachwuchs interessierten Partner bei der Hand, wird die Sache schon etwas schwieriger. Mit einem ONS mal eben ein Kind zu zeugen ist nicht nur bedingt erfolgreich sondern auch noch (AIDS, remember) unvernünftig bis dort hinaus. Einer Affäre den Kinderwunsch anzutragen, treibt den Mann schneller in die Flucht als man „vollgeschissene Windel“ sagen kann. Und in einer bedingt glücklichen Beziehung kann man es sich meist schon nicht mehr vorstellen.

Jeffrey Eugenides’ Heldin Tomasina aus Airmail macht es sich einfacher:

Samen von drei Männern mischen.
Kräftig verrühren.
In die Bratenspritze füllen.
Sich zurücklegen.
Tülle einführen.
Zusammendrücken.

Et voilà, dann ist vielleicht bald ein Braten in der Röhre. Glücklicherweise stehen Männer an der Schwelle zur fiesen Vierzig dem Gedanken an Nachwuchs gar nicht mehr so ablehnend gegenüber. „Also, ich könnte es mir vorstellen“, hörte ich letztens erst von zwei Männern meines Bekanntenkreises, während ein dritter zumindest gern die Patenonkelrolle übernehmen wollte. Alle haben diesen feuchtglänzenden, in die Ferne gerichteten Blick. Sie sehen Carrera-Bahnen, fliegende Drachen, Sandburgen. Nichts da, Jungs! Ich rieche den Braten: Ihr wollt doch nur euren Spaß.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Unwort.

Nichts trägt zur Spontanentzauberung eines Menschen mehr bei als die Nutzung eines Wortes: "Supi."

Supi, das ist ein okidoki für Big-Brother-Gucker und kommt gleich nach Tschüssikowski in der Kategorie Unwort des Jahres.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Worst Trauma Picture Competition

Der Herr Sebas hat aufgrund eines verstärkten Aufkommens von Verletzungsphotos in der Blogosphäre einen Contest aufgerufen:

Wer hat das ekligste Bild seines zerstörten Gewebes?

Also, liebe Leser, ran an die Buletten und Fotos rausgekramt von Zahnextraktionen, buntschillernden Hämatomen und mittels ungeschickt gehandhabten Haushaltsgeräten beinahe abgetrennten Gliedmaßen!

Wie bedauerlich, dass weder von meinem Motorradunfall vor zwölf Jahren, der die Sehnen an meinem rechten Fuß zusammen schmelzen ließ und eine späte Karriere als Primaballerina Assoluta zerstörte, noch von den größten mir bekannten Blutergüssen aufgrund zäh empfundener Lerneffekte beim Snowboardfahren Fotos vorhanden sind.

... link (3 Kommentare)   ... comment


Wiedersehen.

Lachen, als er das Mitbringsel aus Indien auspackt: "Du Teufelin! Wie hast du das durch die Kontrollen bekommen?" Ja, das habe ich mich auch gefragt. So ganz sicher war ich mir nicht, aber ich hätte versucht, mich auf meinen Touristenbonus heraus zu reden, auf böse Menschen, die mich getäuscht hätten. Allerdings: Nicht einmal Nagelfeilen und -scheren im Handgepäck wurden beanstandet, obwohl Sicherheitsrisiken.

Später, nach zwei Gläsern Wein, die ungewohnt schnell meine Gehirnwindungen ins Kreiseln bringen, die Frage: "Nimmst du mich das nächste Mal mit?"

Da hat er mich kalt erwischt. Mal sehen, sage ich. Ich reise lieber mit leichtem Gepäck. Unbelastet.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Indienbilder.
























Die Geschichten zu den Bildern und weitere Bilder gibt es hier:

Bombay, Gate to India

Bombay. Ueber vermeintliche Muellhaufen und den Instinkt fuer Gefahr

Bombay. Verkehrter Verkehr

Goa, Panjim. Speak Portugais?

Goa. Panjim - Palolem: Unterwegs mit Ex-Hippies

Goa, Vagator. Wo ist Adam?

Goa, Vagator. Der letzte Hippie

Goa, Vagator. CRM auf indisch

Goa. Diverses von Goettern und Tieren

Pondicherry. La Grande Nation se casse

Pondicherry/Tamil Nadu. Ein Blick in die Zeitung

Auroville/Tamil Nadu. Vision oder Wirklichkeit?

Indien. Fluechtige Begegnungen.

... link (2 Kommentare)   ... comment


Orientierungsprobleme

Die Tastatur meines Notebooks hat das "z", das "y" an der falschen Stelle und ich darf jetzt wieder ä, ö, ü schreiben. Der Verkehr kommt aus der falschen Richtung. (und wieder wäre ich beinahe umgefahren worden) Es gibt Mischbatterien im Bad. Es herrscht eine geradezu himmlische Stille.

Bin ich schon da oder noch dort?

... link (5 Kommentare)   ... comment


Indien. Fluechtige Begegnungen.

I. Tupak Shakur auf indisch

Er ist schon ein ganz Cooler, so wie er sich im Sessel des Cafes luemmelt. Goldkettchen ueber dem Schlabbershirt, Muetze verkehrt auf den halblangen Haaren und die Hosen haengen ganz laessig in den Kniekehlen.
Er sei Koch und Kuenstler, sagt er, und ausserdem Musiker. Ich bin vorgeblich beeindruckt. Das merkt er wohl. "Wer sagt, dass man immer nur eine Sache machen darf", sagt er und sieht mich herausfordernd an. Gar niemand, antworte ich, und denke, eigentlich hat er Recht. Ich will mich auch nicht entscheiden muessen zwischen Schreiben und Treiben und dem ganzen Rest.

Khahti hat im Gegensatz zu mir noch die Unbeschwertheit seiner 24 Jahre und den Ehrgeiz seinen Namen der Welt als Stempel aufzudruecken. Ein zweiter Bocuse will er werden, den Praktikumsvertrag mit selbigen in dessen Restaurant in Burgund hat er schon in der Tasche. Danach hat er Barcelona im Visier, um dann spaeter in den grossen Hotels der Welt eine Karriere zu machen. "Falls das nicht klappt", grinst er, rueckt seine Kappe zurecht und macht die typische Handbewegung aller Hiphopper, Daumen, Zeigefinger und kleinen Finger ausgestreckt. "Falls das nicht klappt, dann mache ich weiter Musik. Man nennt mich hier den Tupak Shakur von Chennai."
Als Probe bekomme ich spaeter ein Gratiskonzert auf einer Dachterrasse. Seine Kumpels hat er zusammengetrommelt, huebsche Inderinnen, gekleidet in alles, was nicht nach Sari aussieht himmeln ihn an. Indischer Hiphop ist zwar genau so wenig meine Musik wie Heavy Metal, aber trotzdem: Gar nicht schlecht der Junge, der wird seinen Weg schon machen.


II. Roselyne und Phuong

Ich sitze mit einem Buch und einer Cola auf der Dachterrasse des Hotels, als sich die Besitzerin zu mir setzt. Roselyne ist Franzoesin und betreibt ihre beiden Kolonial-Hotels, Villa Helena und Villa Ophelia, nur nebenbei, denn im Hauptberuf ist sie Vertriebsbeauftragte von Parfumrohstoffen fuer den gesamten asiatischen Raum. Eine alte Firma aus Grasse in der Provence, dem Zentrum aller Duftgrundlagen, fuer die sie schon seit 20 Jahren in Sachen Wohlgerueche unterwegs ist. Sie macht den Eindruck Einer, die sich durchkaempfen musste.

Auf einer ihrer Reisen nach Thailand hat sie auch Phuong kennen gelernt, Innenarchitekt und Maler. Sie wurden ein Paar, ihm zuliebe zog sie mit ihrer kleinen Tochter nach einer unschoenen Scheidung nach Bangkok. Spaeter kamen sie zusammen nach Pondicherry, des angenehmeren Klimas und der franzoesisch gepraegten Umgebung wegen.
Heute managt er die Hotels, wenn sie auf Reisen ist. Das ist oft der Fall, denn ihre Firma habe noch enormes Nachholpotential im asiatischen Raum. Die Beziehung funktioniert vor allem, sagt sie, weil sie durch ihn gelernt habe, dass es nicht auf die Sprache ankomme, sondern auf Gefuehle und ihren Ausdruck in kleinen Gesten. Die knallharte Geschaeftsfrau bekommt einen weicheren Gesichtsausdruck. Hier haben sich wohl Okzident und Orient verbunden - wider allen kulturellen Unterschieden.


III. Josephine

Eine, die ebenfalls hart um ihre Traeume kaempft, ist Josephine. Josephine arbeitet als Rezeptionistin, Kellnerin und Maedchen fuer alles im Hotel. Ihr sehr gutes, indisch eingefaerbtes Franzoesisch lernte sie in der Schule in Pondicherry. Ausserdem ist sie mit einem Franzosen verheiratet, zumindest nach indischem Recht, denn als er nach drei Jahren nach Frankreich zurueck kehrte, "vergass" er wohl, die Heirat beim Konsulat zu bestaetigen. Eine Erzwingung des Status per Gericht sei ihr zu teuer, sagt sie, 4000 Rupies koenne sie sich nicht leisten. Aber fuer ihre kleine Tochter wird sie kaempfen. In der Geburtsurkunde steht sein Name, das ist schon etwas. Damit kann sie die franzoesische Staatsbuergerschaft fuer die Kleine erreichen. Warum, frage ich. "Weil sie es dann besser haben wird. Sie kann reisen und studieren, wo sie will," antwortet Josephine. Und sie haette einen verbrieften Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater. Das waere in Indien so viel wie das Monatsgehalt eines durchschnittlichen Angestellten und koennte ihr den Einstieg in eine teure Privatschule erleichtern.

Fuer sich selbst hat Josephine ebenfalls einen Traum: Sie will nach La Reunion gehen, ausserhalb der indischen Hotel-Saison. Dort moechte sie sich weiterbilden, einen Sekretaerinnenkurs belegen und nebenbei in einem Hotel arbeiten. Sie bekommt einen sehnsuechtigen Blick. Ich bin sicher, sie wird schaffen, was sie sich vorgenommen hat.


Drei Menschen, drei Geschichten, drei Schicksale. Ein Land: Indien. Willst du das wirklich allein durchziehen, wurde ich gefragt, als mein Reisepartner absagte. Ich gestehe, ich hatte meine Zweifel, ob ich es heil ueberstehen wuerde. Allein Reisen birgt immer ein gewisses Risiko, besonders fuer Frauen.
Diese drei Wochen in Indien aber haben mich eines gelehrt: Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft gehoeren zu diesem Land wie die rote Erde und die sengende Sonne. Egal, ob die Familie des Kokosnussbauern Gabriel im Norden Goas oder die Reisegruppe aus Uttar Pradesh oder die Kleinfamilie auf der dreistuendigen Busfahrt, deren verrotzte Kinder auf meinem Schoss herumtollten und deren Augen leuchteten, als haette ich ihnen anstatt eines Bonbons ein Koengreich geschenkt - ich wurde immer freundlich aufgenommen und begleitet, mit scharfem Knabberzeug schier totgefuettert und, natuerlich, gern fotografiert. Natuerlich gab es auch hier die ueblichen Begleiterscheinungen des Touristendaseins: Laecheln, das in erster Linie der Brieftasche gilt, durchgeknallte Spinner, Abzocke. Aber das gibt es ueberall und ist normal.

Ich bin mit fast allen verfuegbaren Transportmitteln gereist, mit dem Motorrad, selbst oder als Sozia, sogar ein kurzes Intermezzo auf einem Ochsenkarren hatte ich. Das war teilweise anstrengend, nervend, aber immer spannend.
Es bleibt ein leider nur fluechtiger Eindruck eines Landes, dessen verbale Beschreibung unzureichend wiedergeben kann, was taeglich an Impressionen auf den Reisenden einprasselt. Am meisten gefreut hat mich, dass die Menschen stets bereit waren, mir ihre Geschichten zu erzaehlen, ungefragt und offen. Jeder Tag eine neue Geschichte, zu finden im roten Staub am Strassenrand zwischen einem Kuhfladen und einer Plastikflasche. Edelsteine im Schmutz. Man muss nur genau hinsehen.

... link (0 Kommentare)   ... comment