Was, bitte, bringt Menschen aus Europa dazu, in einem Land leben zu wollen, dessen Strassen Schlagloecher in der Groesse von Kinderbadewannen haben, dessen elektrische Versorgung vom Wohl und Wehe einiger weniger korrupter Beamter abhaengt und wo sich die rote Erde Indiens in jede Pore aetzt?
Im Prinzip bleiben nur zwei gute Gruende uebrig: Eine Vision oder schnoeder Mammon. Was in Auroville den Ausschlag gibt, wollte ich erfahren.
Ich mietete mir ein Motorrad, diesmal eine gelaendegaengigere Maschine, nachdem ich mit dem Scooter bereits einmal im Sand stecken geblieben war, und fuhr los. Auroville als urbanes Siedlungsprojekt geht im Wesentlichen auf die Vision einer Franzoesin im engeren Umfeld des Gelehrten Sri Aurobindo zurueck:
"Auroville wants to be a universal town where men and women of all countries are able to live in peace and progressive harmony above all creeds, all politics and all nationalities. The purpose of Auroville is to realise human unity." Ein grosser Gedanke, der nach der Grundsteinlegung 1968 nur in Ansaetzen verwirklicht werden konnte. Es sollte eine Stadt werden - bislang faehrt man Kilometer um Kilometer an vereinzelten Siedlungsteilen vorbei, ueber Sandpisten und Schlaglochstrassen. Rund 1.800 Bewohner hat die "Stadt". 2025 ist das naechste Ziel, dann soll die Vision endlich Wirklichkeit werden, Land hinzu gekauft, die Infrastruktur verbessert und bis zu 50.000 Menschen angesiedelt werden.
Grosse Gedanken scheitern in der Realitaet haeufig an simplen Ursachen. Als ich zu Besuch war, weilte gerade eine Abordnung der indischen Regierung in Auroville. Themen der Konferenz mit dem Verwaltungsrat Aurovilles: Steigende Bodenpreise, die nicht zuletzt von der Regierung des Bundesstaates Tamil Nadu verursacht werden, die Abwasserbeseitigung und eine moegliche Sonderabgabe fuer europaeische Residents. Der schnoede Mammon regiert. Ich fahre an edlen Haeusern hinter hohen Zaeunen vorbei, am noch nicht ganz fertig gestellten Meditationszentrum Matrimandir (Blattgold und Marmor) und dem modernen Besucherzentrum vorbei und denke mir: Es sieht wie eine Wohlstandsenklave aus. Architekten, Kuenstler, Grafiker - viele Freiberufler stehen auf der Residentsliste.
Mein Besuch war kurz und ich konnte mir keine abschliessende Meinung bilden. Ein erster Eindruck bleibt dennohc: Hier leben Menschen, die aus visionaeren Gruenden kamen. Und sie leben nicht schlecht. Wie das mit der indischen Wirklichkeit zusammenpasst - ich weiss es nicht.
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