Indienbilder.
























Die Geschichten zu den Bildern und weitere Bilder gibt es hier:

Bombay, Gate to India

Bombay. Ueber vermeintliche Muellhaufen und den Instinkt fuer Gefahr

Bombay. Verkehrter Verkehr

Goa, Panjim. Speak Portugais?

Goa. Panjim - Palolem: Unterwegs mit Ex-Hippies

Goa, Vagator. Wo ist Adam?

Goa, Vagator. Der letzte Hippie

Goa, Vagator. CRM auf indisch

Goa. Diverses von Goettern und Tieren

Pondicherry. La Grande Nation se casse

Pondicherry/Tamil Nadu. Ein Blick in die Zeitung

Auroville/Tamil Nadu. Vision oder Wirklichkeit?

Indien. Fluechtige Begegnungen.

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Orientierungsprobleme

Die Tastatur meines Notebooks hat das "z", das "y" an der falschen Stelle und ich darf jetzt wieder ä, ö, ü schreiben. Der Verkehr kommt aus der falschen Richtung. (und wieder wäre ich beinahe umgefahren worden) Es gibt Mischbatterien im Bad. Es herrscht eine geradezu himmlische Stille.

Bin ich schon da oder noch dort?

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Indien. Fluechtige Begegnungen.

I. Tupak Shakur auf indisch

Er ist schon ein ganz Cooler, so wie er sich im Sessel des Cafes luemmelt. Goldkettchen ueber dem Schlabbershirt, Muetze verkehrt auf den halblangen Haaren und die Hosen haengen ganz laessig in den Kniekehlen.
Er sei Koch und Kuenstler, sagt er, und ausserdem Musiker. Ich bin vorgeblich beeindruckt. Das merkt er wohl. "Wer sagt, dass man immer nur eine Sache machen darf", sagt er und sieht mich herausfordernd an. Gar niemand, antworte ich, und denke, eigentlich hat er Recht. Ich will mich auch nicht entscheiden muessen zwischen Schreiben und Treiben und dem ganzen Rest.

Khahti hat im Gegensatz zu mir noch die Unbeschwertheit seiner 24 Jahre und den Ehrgeiz seinen Namen der Welt als Stempel aufzudruecken. Ein zweiter Bocuse will er werden, den Praktikumsvertrag mit selbigen in dessen Restaurant in Burgund hat er schon in der Tasche. Danach hat er Barcelona im Visier, um dann spaeter in den grossen Hotels der Welt eine Karriere zu machen. "Falls das nicht klappt", grinst er, rueckt seine Kappe zurecht und macht die typische Handbewegung aller Hiphopper, Daumen, Zeigefinger und kleinen Finger ausgestreckt. "Falls das nicht klappt, dann mache ich weiter Musik. Man nennt mich hier den Tupak Shakur von Chennai."
Als Probe bekomme ich spaeter ein Gratiskonzert auf einer Dachterrasse. Seine Kumpels hat er zusammengetrommelt, huebsche Inderinnen, gekleidet in alles, was nicht nach Sari aussieht himmeln ihn an. Indischer Hiphop ist zwar genau so wenig meine Musik wie Heavy Metal, aber trotzdem: Gar nicht schlecht der Junge, der wird seinen Weg schon machen.


II. Roselyne und Phuong

Ich sitze mit einem Buch und einer Cola auf der Dachterrasse des Hotels, als sich die Besitzerin zu mir setzt. Roselyne ist Franzoesin und betreibt ihre beiden Kolonial-Hotels, Villa Helena und Villa Ophelia, nur nebenbei, denn im Hauptberuf ist sie Vertriebsbeauftragte von Parfumrohstoffen fuer den gesamten asiatischen Raum. Eine alte Firma aus Grasse in der Provence, dem Zentrum aller Duftgrundlagen, fuer die sie schon seit 20 Jahren in Sachen Wohlgerueche unterwegs ist. Sie macht den Eindruck Einer, die sich durchkaempfen musste.

Auf einer ihrer Reisen nach Thailand hat sie auch Phuong kennen gelernt, Innenarchitekt und Maler. Sie wurden ein Paar, ihm zuliebe zog sie mit ihrer kleinen Tochter nach einer unschoenen Scheidung nach Bangkok. Spaeter kamen sie zusammen nach Pondicherry, des angenehmeren Klimas und der franzoesisch gepraegten Umgebung wegen.
Heute managt er die Hotels, wenn sie auf Reisen ist. Das ist oft der Fall, denn ihre Firma habe noch enormes Nachholpotential im asiatischen Raum. Die Beziehung funktioniert vor allem, sagt sie, weil sie durch ihn gelernt habe, dass es nicht auf die Sprache ankomme, sondern auf Gefuehle und ihren Ausdruck in kleinen Gesten. Die knallharte Geschaeftsfrau bekommt einen weicheren Gesichtsausdruck. Hier haben sich wohl Okzident und Orient verbunden - wider allen kulturellen Unterschieden.


III. Josephine

Eine, die ebenfalls hart um ihre Traeume kaempft, ist Josephine. Josephine arbeitet als Rezeptionistin, Kellnerin und Maedchen fuer alles im Hotel. Ihr sehr gutes, indisch eingefaerbtes Franzoesisch lernte sie in der Schule in Pondicherry. Ausserdem ist sie mit einem Franzosen verheiratet, zumindest nach indischem Recht, denn als er nach drei Jahren nach Frankreich zurueck kehrte, "vergass" er wohl, die Heirat beim Konsulat zu bestaetigen. Eine Erzwingung des Status per Gericht sei ihr zu teuer, sagt sie, 4000 Rupies koenne sie sich nicht leisten. Aber fuer ihre kleine Tochter wird sie kaempfen. In der Geburtsurkunde steht sein Name, das ist schon etwas. Damit kann sie die franzoesische Staatsbuergerschaft fuer die Kleine erreichen. Warum, frage ich. "Weil sie es dann besser haben wird. Sie kann reisen und studieren, wo sie will," antwortet Josephine. Und sie haette einen verbrieften Unterhaltsanspruch gegen ihren Vater. Das waere in Indien so viel wie das Monatsgehalt eines durchschnittlichen Angestellten und koennte ihr den Einstieg in eine teure Privatschule erleichtern.

Fuer sich selbst hat Josephine ebenfalls einen Traum: Sie will nach La Reunion gehen, ausserhalb der indischen Hotel-Saison. Dort moechte sie sich weiterbilden, einen Sekretaerinnenkurs belegen und nebenbei in einem Hotel arbeiten. Sie bekommt einen sehnsuechtigen Blick. Ich bin sicher, sie wird schaffen, was sie sich vorgenommen hat.


Drei Menschen, drei Geschichten, drei Schicksale. Ein Land: Indien. Willst du das wirklich allein durchziehen, wurde ich gefragt, als mein Reisepartner absagte. Ich gestehe, ich hatte meine Zweifel, ob ich es heil ueberstehen wuerde. Allein Reisen birgt immer ein gewisses Risiko, besonders fuer Frauen.
Diese drei Wochen in Indien aber haben mich eines gelehrt: Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft gehoeren zu diesem Land wie die rote Erde und die sengende Sonne. Egal, ob die Familie des Kokosnussbauern Gabriel im Norden Goas oder die Reisegruppe aus Uttar Pradesh oder die Kleinfamilie auf der dreistuendigen Busfahrt, deren verrotzte Kinder auf meinem Schoss herumtollten und deren Augen leuchteten, als haette ich ihnen anstatt eines Bonbons ein Koengreich geschenkt - ich wurde immer freundlich aufgenommen und begleitet, mit scharfem Knabberzeug schier totgefuettert und, natuerlich, gern fotografiert. Natuerlich gab es auch hier die ueblichen Begleiterscheinungen des Touristendaseins: Laecheln, das in erster Linie der Brieftasche gilt, durchgeknallte Spinner, Abzocke. Aber das gibt es ueberall und ist normal.

Ich bin mit fast allen verfuegbaren Transportmitteln gereist, mit dem Motorrad, selbst oder als Sozia, sogar ein kurzes Intermezzo auf einem Ochsenkarren hatte ich. Das war teilweise anstrengend, nervend, aber immer spannend.
Es bleibt ein leider nur fluechtiger Eindruck eines Landes, dessen verbale Beschreibung unzureichend wiedergeben kann, was taeglich an Impressionen auf den Reisenden einprasselt. Am meisten gefreut hat mich, dass die Menschen stets bereit waren, mir ihre Geschichten zu erzaehlen, ungefragt und offen. Jeder Tag eine neue Geschichte, zu finden im roten Staub am Strassenrand zwischen einem Kuhfladen und einer Plastikflasche. Edelsteine im Schmutz. Man muss nur genau hinsehen.

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Auroville/Tamil Nadu. Vision oder Wirklichkeit?

Was, bitte, bringt Menschen aus Europa dazu, in einem Land leben zu wollen, dessen Strassen Schlagloecher in der Groesse von Kinderbadewannen haben, dessen elektrische Versorgung vom Wohl und Wehe einiger weniger korrupter Beamter abhaengt und wo sich die rote Erde Indiens in jede Pore aetzt?
Im Prinzip bleiben nur zwei gute Gruende uebrig: Eine Vision oder schnoeder Mammon. Was in Auroville den Ausschlag gibt, wollte ich erfahren.

Ich mietete mir ein Motorrad, diesmal eine gelaendegaengigere Maschine, nachdem ich mit dem Scooter bereits einmal im Sand stecken geblieben war, und fuhr los. Auroville als urbanes Siedlungsprojekt geht im Wesentlichen auf die Vision einer Franzoesin im engeren Umfeld des Gelehrten Sri Aurobindo zurueck:
"Auroville wants to be a universal town where men and women of all countries are able to live in peace and progressive harmony above all creeds, all politics and all nationalities. The purpose of Auroville is to realise human unity." Ein grosser Gedanke, der nach der Grundsteinlegung 1968 nur in Ansaetzen verwirklicht werden konnte. Es sollte eine Stadt werden - bislang faehrt man Kilometer um Kilometer an vereinzelten Siedlungsteilen vorbei, ueber Sandpisten und Schlaglochstrassen. Rund 1.800 Bewohner hat die "Stadt". 2025 ist das naechste Ziel, dann soll die Vision endlich Wirklichkeit werden, Land hinzu gekauft, die Infrastruktur verbessert und bis zu 50.000 Menschen angesiedelt werden.


Grosse Gedanken scheitern in der Realitaet haeufig an simplen Ursachen. Als ich zu Besuch war, weilte gerade eine Abordnung der indischen Regierung in Auroville. Themen der Konferenz mit dem Verwaltungsrat Aurovilles: Steigende Bodenpreise, die nicht zuletzt von der Regierung des Bundesstaates Tamil Nadu verursacht werden, die Abwasserbeseitigung und eine moegliche Sonderabgabe fuer europaeische Residents. Der schnoede Mammon regiert. Ich fahre an edlen Haeusern hinter hohen Zaeunen vorbei, am noch nicht ganz fertig gestellten Meditationszentrum Matrimandir (Blattgold und Marmor) und dem modernen Besucherzentrum vorbei und denke mir: Es sieht wie eine Wohlstandsenklave aus. Architekten, Kuenstler, Grafiker - viele Freiberufler stehen auf der Residentsliste.

Mein Besuch war kurz und ich konnte mir keine abschliessende Meinung bilden. Ein erster Eindruck bleibt dennohc: Hier leben Menschen, die aus visionaeren Gruenden kamen. Und sie leben nicht schlecht. Wie das mit der indischen Wirklichkeit zusammenpasst - ich weiss es nicht.

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Buschfunk

Und die kollegiale Nachrichtenverteilung in den indischen Subkontinent funktioniert hervorragend. Jemand einen interessanten Job parat? Biete: Diplomiertes Hirn, scharfen Verstand und Zunge (mehrsprachig), Willen zum Erfolg. Angebot im vierstelligen Euro-Bereich per Email an wortschnittchen at web punkt de.

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Pondicherry/Tamil Nadu. Ein Blick in die Zeitung

Erinnert sich noch jemand an den 26. Dezember? An die Tage danach, als stuendlich neue Zahlen veroeffentlicht wurden? Als koennten Angaben ueber die Hoehe der Opferzahlen ein Anhaltspunkt fuer das Leid sein, welches die Menschen ueberkommen hat.

Zwei Monate liegt die Katastrophe nun schon zurueck und in der medialen Wahrnehmung duerften es weit mehr sein, so schnell verlieren sich Ereignisse im taeglichen Kampf um Auflage und Schlagzeilen.
Wie tief der Schock in den Kuestenregionen dagegen sitzt, verraet ein Blick in die Regionalseiten von "The Hindu". Eine ganze Seite ist den Meldungen ueber die Tsunami-Folgen gewidmet:

Kanyakumari. Fischer des Staedtchens an der Suedspitze Indiens brachten nach einer vermeintlichen Tsunami-Warnung in Panik ihre Boote an Land.

Veerampattinam. Die ueberlebenden Fischer fuerchten sich davor, ihren Beruf auszuueben. Auch zwei Monate nach dem Tsunami sind sie noch nicht wieder hinaus gefahren. Wie viele der Fischer in den Kuestenregionen, obwohl sie mittlerweile Ersatzboote und Foerdermittel erhalten haben.

Thalanguda. Der Buergermeister des Dorfes ueberreichte der mittellosen Witwe von C. Premshothaman eine Geldhilfe und wies ihr eine neue Huette zu. Ihr Mann hatte zwei Kinder aus den Fluten gezogen, sie auf eine Palme gehoben und war dann von umherwirbelnden Truemmerteilen getroffen und mitgerissen worden. Er starb eine Woche nach der Katastrophe an einer Blutvergiftung.

Nur eine kleine Auswahl an Meldungen, die die Zeitungen immer noch Tag fuer Tag fuellen. Die indische Kueste am Golf von Bengalen wurde unterschiedlich stark betroffen: Waehrend der historische Kuestenort Mamallapuram und die Hafenanlagen Chennais schwer getroffen wurden, blieben Pondicherry und Auroville so gut wie verschont. In Pondicherry werden dennoch Vorkehrungen gegen eine neue Flut getroffen: Schweres Geraet schuettet vor der Uferpromenade riesige Steinbloecke auf, die moeglicherweise anrollende Wellen brechen sollen.

7.000 Kilometer entfernt vergisst man schnell ueber Landtagswahlen, den neuesten Modetrends fuer Winter/Herbst oder dem ganz normalen alltaeglichen Wahnsinn. Hier wird das Vergessen Generationen dauern.

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Pondicherry. La Grande Nation se casse

In Pondicherry, am Golf von Bengalen, wurde der Traum vom franzoesischen Weltreich geboren. Hier starb er auch eines leisen Todes. Nach langem und erfolglosen Gerangel mit den allemal geschickter agierenden Beamten der Handelsgesellschaften des British Empire um die Gunst der lokalen Herrscher in und um Madrasbegrub die Grande Nation ihre Plaene im Schatten einer Palme.


In den fuenfziger Jahren verschwanden die franzoesischen Truppen nach und nach aus Indien. Zurueck blieb eine heimliche Sehnsucht der Gebliebenen nach dem Savoir vivre mit Cafe au lait und Croissants sowie koloniales Resterbe wie Polizisten mit roten Kepis und ein Gebietsverbund, der heute unter dem Namen Unions Territory of Pondicherry bekannt ist und die ehemaligen Kolonialgebiete Mahe in Kerala, Yanam in Bengalen und Karaikal und Pondicherry in Tamil Nadu umfasst.

In diesen Unionsgebieten gilt weder die restriktive Steuergesetzgebung der umliegenden Bundesstaaten (worueber ich froh sein kann, da auch mein Hotel keine Luxussteuer erhebt - es ist ohnehin teuer genug, aber nach anderthalb Wochen Budget-Unterbringung goenne ich mir das) noch die uebliche englische "Hochsprache". Man hoert immer noch haeufig Franzoesisch: Madame, ca va?, rufen die Maenner, wenn sie auf dem Vesparoller die Uferpromenade, eine indische Kopie der Croisette an der Cote D'Azur, entlang sausen.


Alliance Francaise und Institut Francais sind ebenso vertreten wie das Konsulat, ueber dessen haesslichen Funktionsgebaeuden eine ueberdimensionierte Tricolore im heissen Wind weht. Ueberhaupt ist Pondicherry in Vielem die Kopie einer suedfranzoesischen Kuestenstadt: Rechtwinklige Strassenzuege, Kolonialvillen mit prachtvollen Gaerten hinter hohen Mauern, Dachterrassen, von denen sich Bougainvilleas ranken, hier und dort ein Lycee oder eine Ecole Primaire.

Touristen finden noch viele Reste franzoesischer Bemuehungen in Indien. Dennoch verliert sich nach und nach die Grande Nation und geht in der indischen auf. Weniger Schueler waehlen Franzoesisch als erste Fremdsprache, die tamilisch-drawidische Bevoelkerung orientiert sich verstaendlicherweise eher nach Madras und Delhi, den ehemals britischen Mandatsgebieten, als nach Paris und die wenigen franzoesisch-staemmigen Inder, welche noch die Moeglichkeit einer doppelten Staatsbuergerschaft nutzten, sterben aus.

Was bleibt, ist eine Vergangenheit, die ueberwiegend fuer Besucher gepflegt wird: In prachtvollen Hotels, deren Personal zum Fruehstueck neben Buttertoast und Tee auch Croissant und Cafe au lait serviert und mit "Bonjour Madame, avez-vous bien dormi" gruesst und die typische Begleiterscheinung eines Indienaufenthalts (Schlaflosigkeit aufgrund inflationaeren Hupengebrauchs) schnell vergessen laesst.

Auch hier gilt es, Geschichten zu finden. Wie ich den indischen Tupak Shakur kennenlernte und wie die Liebe ein Franzoesin und einen Thailaender erst zusammen und dann nach Indien brachte - das wird demnaechst hier zu lesen sein. Heute geht es erst einmal nach Auroville, das Projekt "Urbanes Leben auf internationaler Basis" nach seinem Realitaetsgehalt abklopfen. A plus, alors!

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Goa. Diverses von Goettern und Tieren

I. Shiva`s Spielmannszug

Die ungefaehr drei Millionen Goetter des Hinduismus koennen gar nicht alle Gerechtigkeit erfahren. Deshalb konzentriert sich das Hauptaugenmerk der Glaubensgemeinde auf die drei wichtigsten: Brahma, Vishnu und Shiva. Danben gibt es noch den Lieblingsgott aller Tierliebhaber, den Elefantenkoepfigen Ganesh, und Hanuman, den Affengott, der deswegen verehrt wird, weil er dem Helden Rama im indischen Epos Ramayana aus der Patsche half.

Vorgestern wurde ich Zeugin einer Prozession zu Ehren Shivas. Vorstellen kann man sich das als ein ueberdimensioniertes Strassenfest eines groessenwahnsinnig gewordenen ostwestfaelischen Buergermeisters: Schalmeien, Pauken, Trommeln und Trompeten - ganz besonders viele Trompeten! - und diverse andere schrill klingende Musikinstrumente begleiten in ohrenbetaeubender Lautstaerke Festwagen, auf denen riesige Abbilder Shivas stehen. Blumen und buntes Puder werden gestreut, huebsche Inderinnen in traditioneller Tracht tanzen, wenn der Zug eine Pause einlegt. Aber halt, allzu bedaechtig darf es nicht werden! Deswegen und falls es zu leise werden sollte (Merke: Inder halten in punkto Lautstaerke locker mit Spaniern, Israelis und Chinesen mit), werden jede Menge Boeller geworfen und Raketen verschossen.
Falls der geneigte Zuschauer dann noch nicht das Weite gesucht haben sollte, faehrt der Festleiter die Geheimwaffe auf: Popmusik, indische, und das in der Lautstaerke eines startenden Duesenjets.

Wenn Shiva diese Verehrung ueberhoert, dann weiss ich nicht, was ein Hindu noch tun koennte, um ihm seiner Anbetung zu versichern. Vielleicht gibt es irgenwo auf dieser Erde noch groessere Lautsprecher als die, welche vorgestern zum Einsatz kamen?


II. Kuehe (und Menschen)

Ich persoenlich mag Tiere. Ich mag gelegentlich auch Menschen. Wenn beide im Uebermass in meiner Umgebung vorkommen (siehe auch: Grossstadtimmanente Soziophobie, gelegentliche), mag ich nicht mehr. Ganz besonders viele Kuehe und sehr viele Menschen, sehr viele, habe ich heute in Madras genossen.

Indiens Kuehe sind ihren europaeischen Verwandten ueberlegen: Sie agieren in Personalunion als Muellschlucker und Verehrungsobjekt. Ich habe diese Tiere schon Plastik fressen sehen. Mehrfach und genussvoll.

Daher bin ich eigentlich ganz froh, dass sie dem Inder zu heilig sind, um in die Pfanne zu kommen. Wer moechte schon gern ein Boeuf Bourgignon mit dem Nachgeschmack einer Plastiktuete?

Ich habe nach einer schoenen Zeit in Goa einen grossen Satz ueber den indischen Subkontinent getan und geniesse gerade nach einem hektischen Tag in Chennai (Madras) einen Cafe au lait und ein Croissant in Pondicherry, der ehemaligen franzoesischen Kolonialstadt. Vive la France, hier versteht man mich!

Ich geh dann mal Geschichten sammeln, demnaechst hoffentlich mehr!

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Goa, Vagator. CRM auf indisch

Neben Kuehen, ganzen Horden von Hunden und selbstverstaendlich gaaanz zufaellig dicht an leicht bekleideten Touristinnen vorbei flanierenden indischen Gigolos gibt es am Strand noch eine besondere Spezies: Die Schmuck- und Faehnchenverkaeufer. Meistens sind es Frauen aus dem suedlichen Nachbarstaat Karnataka, Toechter von Bauern oder Kleinhaendlern.

Sharon ist 15 Jahre alt und seit zwei Wochen verheiratet. Ihr Mann Priet ist sieben Jahre aelter und kommt wie sie aus der Stadt Hampi, Karnataka. Ganz gluecklich sei sie nicht, sie haette gern spaeter geheiratet, aber ihre Eltern gaben ihr Goldschmuck als Aussteuer: Ein paar Ohrringe, ein Armband und das Zeichen einer Ehefrau, eine Kette mit zwei stilisierten Muscheln, eine fuer die Frau, einen fuer den Mann. Priet bekam eine dicke Goldkette. Auch er arbeitet als Strandverkaeufer in Baga, rund 10 Kilometer von Vagator entfernt.

Viel mehr als diesen Schmuck hat sie nicht. Ein paar Kleider, Saris. Und ihre Ware: Bunte Tuecher, billiger Schmuck, Fusskettchen, Plastikbaender. Das versucht sie an den Mann respektive die Frau zu bringen. Der Trick ist einfach: Die Maedchen gehen auf den potenziellen Kaeufer zu, stellen sich mit einem leicht zu merkenden englischen Namen vor, fragen nach seinem Befinden und breiten ihre Waren auf seinem Handtuch oder Decke aus. Normales Prinzip: Vorstellen, laecheln, Kaufanreiz bieten.

Sagt er nein - und das ist in gut 90 Prozent der Fall -, dann wird ein Lockangebot gemacht: "Take two for one price." Spaetestens, wenn noch ein Fusskettchen aus, natuerlich, reinem Silber drauf gelegt wird, kann die Schnaeppchenfreudige Touristin nicht anders: Sie kauft. Kauft sie trotz Stundungsofferten ("Give me 100 today, I trust you, come tomorrow, give me the rest") nichts, wird die staerkste Form des Kundenbeziehungsmanagements aufgefahren: Die emotionale Keule. Die Verkaeuferinnen strecken ihre Hand aus, flehend richten sie ihre grossen braunen Kulleraugen auf den dahin schmelzenden Kaeufer und sagen bittend: "Promise, you look tomorrow. Promise to Sharon (Whitney, Nikita, Chandra,...). Give hand on it." Und man wird gezwungen, einen Handschlag auszutauschen, der in unserer beruehrungsfeindlichen Gesellschaft gemeinhin als aeusserstes Zeichen von Verbundenheit nach Geschaeften gilt.

Manchmal machen die Maedchen auch nur kurz Pause, so scheint es. Sie hocken sich neben die Sonnenliege oder das Handtuch und plaudern ein wenig. Wie hart das Leben sei, wie schwer die Ware zu verkaufen. Bohrt man ein wenig nach, so fallen Worte wie Bestechung der Polizeibehoerden, die nach dem Willen der neuen Regierung alle Strandverkaeufer verjagen soll, und milde Gaben an die oertliche Mafia. Sharon zahlt 1000 Rupies monatlich an die Polizei und 15 Rupies am Tag an einen "Aufseher", der mit den Besitzern der Strandlokale ein Bleiberecht von mindestens fuenf Minuten aushandelt, jederzeit erneuerbar.

Spaetestens dann sollte jeder Kaeufer genug Mitleid fuer das harte Leben aufgebracht haben, um ein Fusskettchen fuer schlappe 250 Rupies zu erstehen. 250 Rupies, das sind gut fuenf Euro. Gehen wir von einem Durchschnittsgehalt von 250 Euro monatlich fuer einen Angestellten in Indien aus. Ich stelle einfach mal eine Milchmaedchenrechnung auf: Fuenfmal Verkaeufe zu ungefaehr 5 Euro ergeben 25 Euro. Mal 6 Tage die Woche ergibt 150 Euro, mal vier Wochen ergibt 600 Euro. Abzuege fuer Mafia und Polizei: Rund 25 Euro. Bleibt einiges uebrig fuer Kommissionskauf der Waren und eine guenstige Unterkunft. Gar nicht so schlecht fuer eine Saison.

Das Spiel mit den vertrauensbildenden Massnahmen wiederholt sich Tag fuer Tag. Kundenbeziehungsmanagement auf indisch lohnt sich. Wer einmal kauft, kauft wieder. Ich jedenfalls habe bereits eine huebsche, kleine Kollektion an Kettchen, Armbaendern und Ringen.

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Goa, Vagator. Der letzte Hippie

I. Von Marrakech on the road

Der letzte Hippie traegt einen kunstvoll gewickelten weissen Turban und eine Lesebrille. Man koennte ihn fuer einen sadhu, einen weisen Mann, halten, wenn da nicht die sommersprossige Haut und der mit rotblonden Haaren versetzte Schnurrbart waeren. Er bestellt sich im einzigen marokkanischen Restaurant Goas "Le Marrakech" eine deftige Tajine und ein Glas Rotwein. Ich denke mir noch, das muss ein Franzose sein, wir kommen ins Gespraech, und ja, so ist es: Er sei gebuertiger Normanne aus einer alten Fischerfamilie nahe dem malerischen Fachwerkstaedtchen Honfleur. Er lebe seit fast dreissig Jahren hier, im Nachbarort Anjuna. Er sei Goldschmied, restauriere alten Schmuck und verkaufe neuen.

Endlich! Ich habe den letzten Hippie gefunden! Wir unterhalten uns angeregt ueber Hermann Hesse, von dem ich bislang nicht wusste, dass sein Buecherzyklus genau den 13 Stufen der Erleuchtung des Krishna Murti entspricht. Als ich ihm sage, dass ich auf der Suche nach dem letzten Hippie bin, lacht Claude und antwortet: "Den gibt es hier nicht mehr. Sie sind alle fort, wieder zuhause oder tot. Aber ich kann dir zeigen, wo alles begann."
So verabreden wir uns fuer den naechsten Tag, aber zuvor will er wissen, ob ich dschungeltauglich bin. Etwas verunsichert sage ich ja. Er raet mir noch zu festem Schuhwerk, schwingt sich auf sein Motorrad und braust davon, sein Turban leuchtet noch lange im Dunkeln.


II. Ich sammle Karmapunkte

Er holt mich puenktlich ab und wir fahren an der Kueste entlang Richtung Norden. Links das Meer, rechts Cashewplantagen, den Fahrtwind in der Nase. Wir lassen Margem hinter uns, einen Kuestenort, wo die Russen grosse Grundstuecke kaufen, um Geld zu waschen. In Ashvem Beach nehmen wir uns Zeit fuer ein bhaji, eine Kartoffel-Kichererbsenmischung mit scharfem Curry und geniessen die Aussicht auf kilometerlangen weissen Sandstrand.


Weiter geht es durch immer weniger touristischere Orte, vorbei an Reisfeldern und Krabbenteichen. Wir halten kurz an einem Tempel mit einem riesigen lingam aus einem ueber drei Meter hohen Termitenhuegel (ohne Termiten) im Inneren, einem Phallussymbol, das Shivas Zwiegestalt als Zerstoerer und Schoepfer darstellt. Und hier passiert, was ich nun wirklich unter allen Umstaenden vermeiden wollte. Der Tempelwaechter malt mir nach der Spende von sechs Rupies einen roten Punkt zwischen die Augen. Claude grinst. Daran muesse ich mich gewoehnen, wenn ich etwas gaebe, bekaeme ich halt auch etwas zurueck, so sei das mit dem Karma.

Wir fahren und fahren und langsam frage ich mich, ob das eine so gute Idee war, mit einem Hippie unterwegs zu sein. Schliesslich ist Zeit nichts, wie er mir bereits am Abend zuvor zu verstehen gegeben hatte, als ich ihn nach seinem Alter fragte. Er bemesse sein Leben nicht an Jahren sondern an Erfahrungen war seine Antwort. Spaeter erfahre ich, dass er diesen Monat 58 wird.
Weiter geht es nach Quirim, an der aeussersten Grenze zum noerdlichen Bundesstaat Maharashtra. Dort ist Endstation. Wir lassen das Motorrad bei einer befreundeten Familie im Garten stehen und machen uns an den Aufstieg auf ein Hochplateau. Bei rund 35 Grad Hitze kein wirkliches Vergnuegen, zumal die Sonne senkrecht auf den Kopf brennt. Ich wickele mir meinen Schal um die Stirn und das erste Mal sehen wir uns aehnlich: Die Touristin und der Hippie.


III. Lost in djungle

Auf dem Hochplateau haben wir eine weite Sicht auf den Fluss weit unten und die Kueste. Jetzt geht es weiter in den Dschungel und ich versuche, die Schilderungen von Schlangenbissen, wild lebenden Leoparden und Panthern zu verdraengen. Wir klettern in einem trockenen Flussbett talwaerts, ueber mannshohe rundgeschliffene Steine und kleine Kieselfelder. An einem Teich macht er halt und zieht sich bis auf einen original indischen String aus. Das Tuch (rot fuer Christen, weiss fuer Hindus) wird durch den Schritt gezogen und an zwei silbernen Spangen befestigt. "Das war frueher die einzige Bekleidung der Fischer und gleichzeitig der wertvollste Besitz", erklaert Claude. Das edelste Teil des Mannes, wertvoll verpackt, so so, denke ich.


Im Folgenden sehe ich seine normannisch weissen Hinterbacken immer schneller vor mir her huepfen, ich komme kaum noch hinterher. Meine Kondition ist bestenfalls maessig, gemessen an der dieses versierten Waldlaeufers. Nach etwa einer Stunde kommen wir zu einem Bayram, einem wilden Feigenbaum, unter dessen langen Luftwurzeln einige junge Freaks sitzen und sich dem Rausch aus kleinen Haschpfeifen ergeben. Wir setzten uns eine Weile dazu, trinken Wasser, essen Bananen und lauschen den Gitarrenklaengen der Rastabezopften.


IV. Die Vergangenheit

Am Meer angekommen zeigt er mir die Stelle, wo alles begann. Sie waren fuenf, damals, 1973: Er, seine Freundin Bernadette, die Amerikanerin Loise, eine ehemalige Sekretaerin John F. Kennedys, Freddo, ein Australier und Gipsy, deren wahren Namen niemals jemand herausfinden konnte, die aber die "Mutter aller chiloms" (Haschpfeifen aus Ton) genannt wurde. Jeder suchte sich sein Plaetzchen in der idyllischen Bucht am Rande eines kleinen Suesswassersees. Claude und Bernadette hatten ihren Baum, Loise und Freddo einen Felsvorsprung und Gipsy lag am Strand, ohnehin immer zu bekifft um die Krabben zu bemerken, die ueber ihren Koerper stiegen. Im Laufe der folgenden vier Jahre tummelten sich bis zu 200 Hippies in der Bucht, stets bereit, einen chilom zu teilen oder sich einen Schuss "smug" (Heroin) zu setzen.


Nach drei Jahren hatte Claude genug von Bernadette und der Truppe und setzte sich nach Nepal ab. Er lernte das Goldschmieden, fuer einen ehemaligen Franzoesisch- und Englischlehrer ungewohnte Handarbeit, und kehrte zurueck nach Goa, wo er sein eigenes Atelier aufmachte. Dabei blieb er die naechsten 20 Jahre. Genauso wie bei den Drogen, es gaebe nichts, was er nicht probiert habe, sagt er. Aber Acid haette ihm am meisten gegeben. Ich kann das nicht nachvollziehen, aber ich glaube ihm gern. Das Paradies wird auf die Dauer langweilig, da nimmt man gern mal ein wenig zusaetzliche Kicks an. Viel erzaehlt er mir von den Frauen: Melissa brach im die Nase, hatte aber eine ungeheure sexuelle Energie, Anneke, die Hollaenderin, und er reisten durch den tiefsten Sueden Indiens und mit Jocelyn hat er eine Tochter, Leila, die er sehr liebe, mit der er sich aber nur auf Englisch verstaendigen koenne.


V. Die Gegenwart

Eigentlich lebe er gar nicht mehr in Goa, beichtet er mir nach der langen Wanderung bei einem Glas Rotwein. Seine Gesundheit habe irgendwann nicht mehr mitgemacht, also habe er sich entschlossen, doch lieber das franzoesische Versorgungssystem zu nutzen. Heute lebe er im Ardeche-Tal, betreibe eine Schmuckwerkstatt und verkaufe auf Musik-Festivals in Portugal und Ibiza. In Goa sei er nur noch einige Wochen bis drei Monate, Rohstoffe fuer den Schmuck kaufen und einige Freunde besuchen. Zu seinen alten Hippiefreunden hat er nur noch wenig Kontakt.

Bernadette, inzwischen ueber 70, lebe schon seit langem wieder auf dem Schloss ihrer Familie. Nachdem sich ihr ebenfalls adeliger Cousin in Goa mit Heroin tot gespritzt hatte, war sie zurueck gekehrt, desillusioniert und mit Hepatitis C infiziert. Eric, der beste Acid-Hersteller, Dealer und Freund starb einen unruehmlichen Tod: Beleibt und stets schwitzend, bekam er durch die vielen um ihn herum gruppierten Ventilatoren eine Lungenentzuendung. Und von den meisten anderen wisse er, dass sie heimgekehrt seien. Einige schon Anfang der 80er Jahre, einige spaeter, als die Technowelle Goa erfasste. Er selbst habe Goa 1997 verlassen, um seiner Tochter eine gute Ausbildung zu ermoeglichen und sich eine bessere medizinische Versorgung.


VI. Abschied

Als wir uns spaet abends trennen, frage ich ihn, ob er traurig sei, dass die alten Zeiten offenbar endgueltig Vergangenheit sind. Claude antwortet philosophisch: "Kindchen, ich habe so viel Leben gehabt, dass es fuer drei gereicht haette. Irgendwann wird es Zeit fuer den Ruhestand." Wir lachen und tauschen Visitenkarten aus. Der letzte Hippie von Goa muss frueh raus, seinen Flug nach Paris darf er nicht verpassen.

Nachtrag: Schade, denke ich, die Geschichte musst du wohl abschreiben. Frustriert gehe ich in mein Zimmer. Im Bad sehe ich mich im Spiegel: Sonnenverbranntes Gesicht, immer noch den Schal um die Stirn gewickelt, den roten Punkt auf der Stirn. Ich muss lachen. Den letzten Hippie habe ich wohl gerade vor mir.

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