Der Meteorit ist für 15 Uhr angekündigt. In Berlin-Tegel soll er einschlagen und alles Leben im Umkreis von hunderten Kilometern vernichten. "Tja", sage ich zum Chef, "dann fahr ich mal nach Hause, ich möchte das Ding nicht direkt auf den Kopf bekommen." Die Stadt ist ruhig, kaum Menschen auf den Straßen. Wahrscheinlich sitzen sie alle vor dem Fernseher, um den Einschlag live zu sehen. Unterwegs überall Kamerateams. Die Reporter sprechen aufgeregt in ihre Mikros. Einige tragen T-Shirts mit der Aufschrift Meteor Berlin 2006 - I didn't survive, was ich ja schon fast wieder gut finde. Zuhause angekommen mache ich mir eine Bananenmilch und überlege, was ich mit den verbleibenden Minuten meines Lebens noch anfangen könnte. Mir fallen meine Flügel ein, die, lange nicht benutzt, in der Ecke hinter dem Kleiderschrank stehen. Ich nehme sie zur Hand, sie haben das Aussehen von überdimensionierten Ruderpaddeln, erfüllen aber bestens ihren Zweck. Ich flattere und bin in kurzer Zeit über den Dächern meines Viertels. Die Flugwacht, schießt es mir kurz durch den Kopf, ich muss auf den Radar aufpassen. Aber andererseits, demnächst kommt ein noch unkontrollierbareres Flugobjekt in den Berliner Luftraum, also: egal. Ich kreise ein wenig und bewundere den wunderbar roten Sonnenuntergang (um drei Uhr nachmittags!), verabschiede mich vom Fernsehturm, meiner Straße, den ameisenkleinen Menschen unter mir und wache verwundert über die Leichtigkeit des Verglühens auf.
Vielleicht sollte ich weniger naturwissenschaftliche Bücher über Tunguska vor dem Einschlafen lesen.
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Es ist heiß. Ich schiebe meinen breitrandigen Sonnenhut tiefer in den Nacken und wische mit einem Taschentuch die Stirn trocken. Da hinten haben die Arbeiter einige Plantagenteile vergessen. Die Ranken der Sojabohnen hängen schlaff herab. Ich muss da mal durchgreifen. Aber seitdem die Übergangsregierung unter General Müller neue Gesetze erlassen hat, mit denen sie Arbeiter an die Küsten zu Deichausbesserungen zwingt, leiden wir hier im Hinterland unter einem Mangel an zupackenden Händen.
Die Küste ist näher gerückt, erst dachten wir, wie schön das sei, obwohl die friesischen Inseln eine nach der anderen im Meer versanken. Aber dann mussten wir immer mehr Solidaritätsbeiträge zahlen, um Hamburg und Bremen zu unterstützen, die unter dem Druck der Wassermassen wahre Bollwerke an Beton und Sand um sich errichteten und heute wie kleine Inseln in den Fluten liegen. Der neue Damm von Hannover nach Hamburg wurde erst letzten Sommer eingeweiht.
Es wird immer heißer, dabei ist es erst 8 Uhr morgens. Ich stehe gern früh auf, seit einigen Jahren schlafe ich sowieso nicht mehr sehr lang. Das Alter, sagt man. Da ist es gut, dass wir jetzt eine Arbeitsverpflichtung bis ans Lebensende haben. Von der Rente, die mir mit 65 als "Staatsbonus für den selbstbestimmten Freizeitrahmen" ausgezahlt wurde, habe ich mir einen neuen Kühlschrank gekauft, um die Medikamente frisch zu halten. Mara fällt mir ein. Ich muss heute mal meine Tochter anfunken, denn ich brauche eine neue Monatspackung Kokain. Gut, wenn man eine Militärmedizinerin als Tochter hat. In den Nachbargemeinden gibt es Versorgungsengpässe. Ich wachte mit verstopfter Nase auf.
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Wochenendtriathlon. 2 Stunden IKEA, 15 Kilometer Radfahren, 4 Stunden Tanzen (auf 7 Zentimeterabsätzen). Wo bleibt mein Siegerpokal?
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Wie bescheuert ist das denn, einen Kommentar mit Mit freundlichen Grüßen oder mfg zu unterschreiben? Bitte finden Sie sich in Zimmer 213 ein. Vergessen Sie aber nicht, vorher eine Wartemarke zu ziehen. Stempel. Unterschrift. Mit freundlichen Grüßen.
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Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
(Bertold Brecht/Kurt Weill, Die Moritat von Mackie Messer aus: Die Dreigroschenoper)
Durch konsequente Vermeidung öffentlicher Verkehrsmittel komme ich nicht oft in die Verlegenheit, ausgestreckten Händen zu begegnen. Und verlegen, ja, schamhaft, reagiere ich, wenn eines dieser Geschöpfe in meinem Blickfeld auftaucht.
Meistens beginne ich, mich schlecht zu fühlen, denn ich weiß: Wenn ich nichts gebe, bin ich Unmensch, mitleidlos und kaltherzig. Wenn ich gebe, leiste ich der Bettelei Vorschub, unterstütze die oft im Hintergrund wirkenden Paten, die sich den Großteil des erbettelten Baren unter den Nagel reißen.
In den Sekunden der Annäherung streiten sich diese beiden Gefühle auf das Vortrefflichste. So bleibe ich in der Schwebe in einem geronnenen Moment des Nichtstuns. Bis er vorüber ist. Der Bettler und der Moment, in dem ich hätte geben können. Und es doch nie tue.
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Kollegin III: "Sag mal, arbeitest du?"
Kollegin I (klickt heftig mit der Maus): "Nö."
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Von Frau Fragmentes Verletzungsfotos könnte sich Tarantino noch einen Nagel eine Scheibe abschneiden.
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Anderer Leute Blogroll durchklicken, um Blogs zu lesen, die man weder in seiner Blogroll noch in den Feeds haben möchte. Die irgendwie trotzdem faszinieren. Entsudelungstaktik. Muss aufhören.
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Männliches Äquivalent zu Zickenkrieg.
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AufdemSofaeinwickelundSchokoladefressenddasschlechteTagesprogramm
genießen-Laune.
LeideraberimBürositzendundChefsverfluchend-Laune.
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Von der Waldmeisterbowle hatte Herr Hoffmann einige Gläschen probiert, bis er überzeugt war, sie sei für die große Sause am Samstagabend geeignet. "Heinz, dat mutt aber noch en büschn stärker, nech", fand dagegen Piet Johansen, sein bester Freund und kippte erhebliche Inhaltsmenden der mitgebrachten Flasche Korn in den großen Bowletopf. Heinz Hoffmann sah sich erschocken um. Aber seine Margit stand in der Küche und bereitete die Häppchen für das bevorstehende Fest vor.
"Nu, lass doch, Piet, es kommen doch auch die Lütten. Sogar die Kinners von de Polacksche mit ihrm Vatter, nech." "Ach", gab Piet Johansen gedehnt seinem Erstaunen Ausdruck, "die sin wieder im Lande?"
Heinz Hoffmann legte verschwörerisch den Zeigefinger über den Mund und zwinkerte nervös mit dem linken Auge. "Nüch vor Margit, hörste. Ich erzähls dir nachher, wenn meine Frau mit ihren Schnackmädels beschäftigt is."
Fortsetzung folgt
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Die Hoffnungen, die du verloren hast
Der Zorn, der nie richtig verraucht
Und die verschusselten Träume, von denen am Morgen nichts bleibt
Das alles kommt mit
Das brauchen wir auch
Element of Crime, Das alles kommt mit
Sonntagsanruf. Ihre Stimme ist ein Klaglied mit anschließendem Crescendo. Aus jeder Note klingt ein Vorwurf, dem ich in einem verhaltenen Ton antworte. Ihre Hoffnungen hätten sich alle nicht erfüllt, klagt sie, denk nur, diesen Herbst hätten wir Silberhochzeit gefeiert, und jetzt fährt er alle halbe Jahre zu seiner Schlampe nach China, ich würde auch gern nach China, das hat er mir versprochen, und dann doch alle Verspechen gebrochen.
Das kannst du doch auch noch machen, es gibt gute, organisierte Reisen, und so entsetzlich teuer sind die nicht, versuche ich von ihren bösartigen Anklagen abzulenken, obwohl ich weiß, was jetzt kommt.
Ich bin zu alt für so was, kommt es prompt, diese fremden Menschen um mich herum, du, ja, du bist noch jung und machst ohnehin nur, was du willst. Du mit deiner Gefühlskälte machst es dir einfach, schon als kleines Mädchen wolltest du nie von mir angefasst werden, du bist mir auf die Nerven gegangen, meinen Schmuck hast du verschenkt im Kindergarten und als du weggelaufen bist, habe ich gedacht, du hättest dich umgebracht.
Kinder bringen sich selten ohne Grund um und laufen nur davon, wenn sie keinen Ausweg sehen, denke ich, spreche es aber nicht aus. Kinder haben meistens auch einen guten Grund, wenn sie sich von der eigenen Mutter nicht anfassen lassen wollen. Der Geruch nach Alkohol gehört dazu. Ihre Stimme hat jetzt jene Höhen erreicht, die mein Trommelfell erbeben lassen und sich einem glühenden Eisen gleich in mein Hirn bohren.
Ich sage nichts mehr, lege nur auf. Es ist der Zorn, der nie richtig verraucht, der immer mitkommt, aber ich habe noch meine Hoffnungen und wenn ich meine Träume verschussele, weiß ich, dass ich jede Nacht einen neuen geschenkt bekomme. Deinen Rucksack trägst du selbst, den nehme ich nicht mit.
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Zwei Tassen. Eine mit Kaffee gefüllt, die andere mit Hühnersuppe. Raten Sie mal, in welche ich die Milch gegossen habe.
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Im Flur vor dem Amtszimmer roch es nach Staub und Schmierseife. Eine der trüben Deckenleuchten flackerte. Frau Hoffmann saß auf einer langen, unbequemen Holzbank und mopste sich.
In Zimmer 213 schüttelte Richter Twetjendonk bedächtig den schweren Kopf. Er leckte an seinem dicken Zeigefinger, um besser in der Akte blättern zu können. "Nee", murmelte er unwillig. Die Kirchturmuhr schlug Mittag an und Richter Twetjendonk die Akte zu. Er hatte ein Urteil gefällt.
Fortsetzung folgt
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Hinter der cremigweißen Fassade des Siedlungshauses aus den 30er Jahren schien alles in bester Ordnung. Im großen Garten hinter dem Haus wuchsen Äpfel, Kirschen, Birnen und allerlei Gemüse. Viele bunte Blumen wucherten ein wenig wild, zwei Schaukeln schwangen sanft in der Brise, die sich immer Nachmittags vom Meer ins Hinterland mogelte. "Eine nette Familie, und so viele Kinder!", sagten sich die Nachbarn und freuten sich in dieser kleinen erzkatholischen Gemeinde zwischen Kanälen und Watt über jeden neuen Erdenbürger, denn mittlerweile waren es bereits neun Sprösslinge, die, Orgelpfeifen gleich, des Sonntags in der Kirche auf der fünften Bank von links eifrig beteten, sofern sie dazu schon in der Lage waren.
Eines Sonntagmorgens blieb die Bank leer. Die Gemeinde tuschelte. "Warum der Vater wohl auf Montage gehen muss, wenner doch hier auch arbeiten kann", "so richtig sauber sind die ja nicht gerade, kein Wunder, die Mutter ist ja ne Polacksche" oder "haste gesehen, die trägt Lippenstift" - der Vermutungen waren viele.
Als die Familie auch den zweiten Sonntag der christlichen Urpflicht schuldig blieb, fasste sich Frau Hoffmann ein Herz und ging nach dem Festbraten nebenan zum cremigweißen Siedlungshaus, während ihr Gatte schnarchend mit einer Zeitung auf dem Gesicht den freien Tag belärmte.
Die Vordertür - geschlossen. Die Hintertür - auch geschlossen. Frau Hoffmann erschrak. Das war ungewöhnlich und roch nach Gefahr. Sie schnupperte. Tatsächlich! Irgendetwas stank hier gewaltig.
Fortsetzung folgt
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Wer wissen will, was sich hinter einem Hollärä Türmli verbirgt, sollte ins Nola's am Weinbergspark gehen.
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"Wir hatten ein Kick Off-Meeting zur Deadline."
Manchmal frage ich mich, ob ich in einem Dominastudio gelandet bin.
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Der Teufel wohnt in Ostfriesland. Er wohnt in einem kleinen, windschiefen Häuschen am Rande des Moors, dessen Hintertür immer offen steht, denn so ist es in Ostfriesland üblich. Morgens geht er in seinen großen Bauerngarten, jätet Unkraut, bindet Bohnenranken auf, dünnt Salat aus und erntet seine Seelen, die im hinteren Teil in mehreren Reihen an zierliche Bambusstöcke gebunden sind.
Neulich wollte er gerade sein Messer zücken, um sich an der Seele einer Frau zu schaffen zu machen. Da sprach ihn die Frau an: "Teufel", sagte sie, "Teufel, was für ein wundervoller Morgen. Siehst du den Tau auf den Blättern der Bäume, hörst du die Vögel ihr fröhlich' Lied anstimmen und riechst du der Blumen wunderbaren Duft?"
Überrascht hält der Teufel inne, kratzt sich verdutzt im Schritt und antwortet: "Frau, quatsch mich nicht voll am frühen Morgen."
Warum wohnt der Teufel ausgerechnet in Ostfriesland? Warum träume ich in letzter Zeit häufiger von ihm? Will er meine Seele? Und warum ist der Teufel ein Morgenmuffel?
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Mutter I: "Meine Tochter geht einmal die Woche zum therapeutischen Reiten."
Mutter II: "Ist das eine sexuelle Praktik?"
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