Fluten.

Wenn ich dieser Tage die Nachrichten lese und die Bilder der überschwemmten Städte in Bayern, Sachsen, Österreich und Tschechien sehe, höre ich immer unterschwellig das von Journalisten so oft gebrauchte Wort "Jahrhundertflut", das sowohl das große Oderhochwasser 1997 als auch die Überflutungen der Elbe und ihrer Zuflüsse begleitete.

Wie viele "Jahrhundertfluten" werden in den kommenden Jahren wohl folgen? Und werden wir alle mit unseren SUVs zum Begaffen hinfahren?

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BücherSchreiben.

Frühjahrsputz in der Berliner Wohnung. Das Bücherregal muss aus- und umgeräumt, die Küche renoviert, Fenster geputzt werden und außerdem ist da die Erkenntnis, einen ganzen Zoo voll mit Wollmäusen zu besitzen freudiger Anlass, mal so richtig durchs Leben durchzufeudeln.

Was man da so alles findet:



Zwei Relikte aus der Vergangenheit, als Schreiben ein ganz elementarer Bestandteil meines Arbeits- und Privatlebens war. Der kleine Nörgeli, Geschenk meiner lieben Ex-Arbeitskollegin Frau Franziskript, erinnert mich an die Redaktionszeit, in der wir alle jung, hungrig und Nachrichtengeil waren. "Alle 10 Minuten eine neue Homepage" hieß das Motto der Onlineredaktion der Zeitung mit den großen vier Buchstaben und so handelten wir auch. Bauten Klickstrecken, schoben Nachrichten auf die Hauptteaser, "stageten" und - zumindest mir ging es so - hatten eine Menge Spaß miteinander und an der Arbeit. Gut, substantieller Journalismus geht anders, aber dafür wäre ja später immer noch Zeit, dachten wir.

Damals machten besagte Frau Franziskript und ich unsere ersten Bloggehversuche, Ventil und Kommunikationsmittel zugleich. Wir fanden ein Stück virtuelle Heimat für andere als berufliche Texte und eine nette Nachbarschaft, in der jeder sein Ding machte und man im übertragenen Sinne abends gemeinsam auf dem Hof grillen konnte. Es gab Lesungen, aus virtuellen Dialogen wurden persönliche, manche verbanden sich beruflich, andere privat (mindestens vier Ehen und etliche Kinder als Folge sind mir bekannt).

Heute würde man dazu "Flausch-Zeit" oder "was mit Einhörnern" sagen und alles in 140 Zeichen auf Twitter packen. Wie Frau Diener geht es mir auch: Die Kurzform ist nett, aber wirklich, obacht, böses Wort!, wirklich nachhaltig ist das Medium nicht, obwohl die Nachbarschaft auch überaus nett ist, aber eben eher so eine oberflächliche, man fühlt sich fast wie ein Rentner im Szeneviertel. Irgendwie alt, irgendwie Relikt.

Exkurs: Mich hat Twitter über einige Jahre quasi gerettet, denn dort ist mein Account geschützt, nur ich entscheide, wer mich lesen darf und was und wann. Weder Ehemann noch Arbeitskollegen oder Freunde dürfen Dinge lesen ohne Erlaubnis. Das befreit ungemein.

Das Buch mit der schönen Namensgoldprägung hat mir eine befreundete Grafikerin geschenkt, verbunden mit der Aufforderung, aus meinem Leben, egal ob als Wortschnittchen oder mit Klarnamen, ein Buch zu schreiben. Wie es mir gefällt, Drama, Liebesroman oder Thriller, ich sei frei.

Ich schlage also heute und hier eine leere Seite auf, die ich zu füllen gedenke. Mit allem, was das Leben zu bieten hat. Bis zum glücklichen Ende ist ja noch viel Zeit übrig.

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Die Sache mit dem Papst.

Wenn ich richtig gerechnet habe, ist der nächste Papst mein fünfter. Die ersten beiden habe ich nicht mitbekommen - zu jung. Erst mit dem skifahrenden Papst aus Polen setzt meine klerikale Zeitrechnung ein.

Da war der Pfarrer, dessen unsittliche Fingerchen sich gern an kleinen Ministranten und Kommunionsanwärtern vergingen und der aus dem Munde roch wie der Höllenschlund. Schon allein deshalb - denn der Pesthauch drang durch die Gitter des Beichtstuhls - versuchte ich, mich möglichst fern zu halten von diesem Kirchendiener.

Dann kam der Religionslehrer, dessen einziges Begehr zu sein schien, den immer noch im Klassenzimmer vorhandenen Rohrstock, nunmehr Zeigestock genannt, auf den Tisch zu schlagen, wenn man gelegentlich seine Gedanken schweifen ließ. Und ich sah oft verträumt aus dem Fenster, saß doch der N. im evangelischen Religionsunterricht zwei Räume über Eck entfernt und ich konnte mir gut einbilden, dass er dort saß und durch die Fenster meine Sehnsucht spürte.

Nicht zu vergessen dessen Nachfolger, der uns erst einmal Filme von abgetriebenen Föten zeigte, die Krankheiten aufzählte, die man sich bei unsittlichem Verhalten unbedingt und sicher wie das Amen in der Kirche zuzöge. Der uns 14-Jährige fragte, ob wir es denn schon getan hätten und ob wir wüssten, dass das direkt in die Hölle führte. Da hatte ich gerade meinen ersten Kuss (mit Zunge!) bekommen und fand die Hölle eigentlich ganz verführerisch. Also entschloss ich mich, die eigentlich notwndige Firmung abzusagen und den Religionsunterricht nicht mehr zu besuchen.

Zu guter Letzt dann noch diverse Kardinäle, deren weltfremde Einlassungen über Homosexualität, Frauen in der Kirche, Selbstbestimmung und Reformen schlicht dazu führten, dass ich der Kirche kein Geld mehr geben wollte.

Alles in allem haben insbesondere die Kirchenvertreter dafür gesorgt, dass ich nicht an einen Gott glauben kann und die Kirche als staatlich subventionierte Institution ablehne. Es ist aber auch das System katholische Kirche, das über Jahrhunderte gewuchert ist wie ein Geschwür, kaum zu durchschauen, kaum zu beherrschen oder gar zu reformieren.

Deshalb glaube ich, dass ein neuer Papst nichts ändern wird. Die katholische Kirche hat ein veritables Personalproblem auf allen Ebenen. Habemus Papam statt Habenmuss Fortschritt.

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Liebe Abgeordnete des Bundestags, liebe Volksvertreter!

Zunächst mal: Viele von Ihnen machen einen ganz guten Job. Es ist sicherlich nicht leicht, über Dinge zu entscheiden, von denen man als gewählter Volksvertreter nicht auf Anhieb die große Fachexpertise besitzt. Gern wird ja in den Medien der Populismus (kommt von Volk, ne, wisster Bescheid) bedient, wenn es um Entscheidungen zu Gesetzesvorlagen geht, die Ottonormalbürger ein "Hä?" entlocken müssen.

Aber für Ihre Beratung, sofern Sie nicht selbst eine juristische Ausbildung oder ein Fachstudium durchlaufen haben, gibt es andere Experten, die Ihnen den nötigen Input liefern, damit die Gesetztesvorlage ganz bestimmt den richtigen "Dreh" bekommt. Gutartige Mitmenschen nennen das Lobbyismus und im Idealfall bleibt ein vernünftiges Gesetz, das allen ein wenig nützt und nicht weh tut. Sie werden ja nur von den Experten beraten und nicht gekauft.

Kaufen kann man Sie, sofern Sie auf der Karriereleiter höher gestiegen sind, für gelegentliche Nebentätigkeiten, Vorträge, Aufsichtsratsposten, die doch manchmal mehr als selten, bei den Hauptauftragsgebern der Experten vergeben werden. Und das ist - nähme man Ihr vom Volk durch Wahlen verliehenes Mandat ganz genau - eine genehmigungspflichtige Arbeit neben Ihrer Hauptaufgabe. Ein Arbeitgeber müsste das angezeigt bekommen. Nehmen wir an, wir, das
Volk, seien Ihr Arbeitgeber. Sie müssten uns also erst einmal fragen. Und wären wir verantwortungsbewusst unserem Unternehmen gegenüber, so würden wir den Einfluss auf die Hauptaufgabe prüfen. In den meisten Fällen würden wir die Nebentätigkeiten nicht genehmigen. Sie bekommen ja auch genug Geld für Ihre Hauptaufgabe.

Verboten ist das natürlich nicht, denn das Unternehmen Deutschland ist keine Firma, die nach irgendwelchen nachvollziehbaren Grundsätzen geführt wird (naja, außer den Artikeln im von mir sehr verehrten Grundgesetz natürlich, man sollte überhaupt mehr Grundgesetz lesen, viel besser als Bibel und Barbara Cartland zusammengenommen). Aber dennoch fände ich es als Ihr Wähler sehr legitim, wenn nicht nur die ungefähre Höhe der Nebentätigkeiten anzeigepflichtig wäre, sondern auch die Auftraggeber. Denn irgendwie bin ich, als Ihr Wähler und, ja, als Volk, doch Ihr Arbeitgeber.

Daher, liebe Bundestagsabgeordnete, liebe Volksvertreter, legt alle Eure Nebeneinkünfte offen. Dann habe ich als Wähler vielleicht auch wieder mehr Vertrauen in Eure Arbeit.

Danke.

Euer Wortschnittchen.

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AltersGehwehchen.

Der gute Don rekapitulierte neulich über die Veränderungen, welche das Altern mit sich bringt. Also nicht nur die körperlichen, sondern eben auch die emotionalen. Über die körperlichen Malaisen mag ich hier gar nicht schreiben, die sind ja hinlänglich bekannt und treten in der ein oder anderen Form bei jedem von uns auf. Obwohl, ich könnte natürlich über meine Hüfte...

Nein. Da ist mir die Seele näher und man sagt ja, ein junger Geist in einem alten Körper sei immer noch besser als umgekehrt. Aber wie jung bin ich wirklich noch? Bin ich noch so neugierig und offen wie vor zehn Jahren, als ich das erste Mal allein durch Asien reiste, wie vor zwanzig Jahren, als mir die Welt noch so groß schien, dass deren Eroberung nur eine Frage der Zeit sein konnte? Bin ich bereit, alles noch einmal über den Haufen zu werfen, um endlich einen Traum zu (er)leben, den andere in Anbetracht meiner beruflichen und ehelichen Stellung durchaus als "hirnrissig" bezeichnen würden?

Diesen Fragen werde ich mich wohl demnächst stellen. Einen Vorteil des Alterns nehme ich jedenfalls gern mit: Ich gebe nicht mehr so viel Geld aus und lasse an dessen Mangel einen Traum scheitern.

Edit: Da fällt mir ein, dass ich den Don nun auch schon acht Jahre kenne. Und er sieht immer noch genauso aus wie damals.

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Vorsatz.

Man sollte sich immer eine gewisse Unerpressbarkeit behalten. Um gehen zu können, wenn man anfängt - anfangen muss -, seine Seele zu verkaufen. Oder, wie meine Großmutter immer sagte: "Du kannst immer deinen Koffer mit deiner Ausbildung, deiner Lebenserfahrung und deinem Humor füllen. Das ist leichtes Gepäck, zollfrei."

(Privat ist aber alles bestens!)

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MugShot.

Man wird mich in Zukunft nicht mehr in fremde Länder einreisen lassen. Die Person auf meinem neuen Pass und neuen Personalausweis ist einer Verbrecherkartei entsprungen.

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Stalker.

Sein Gesicht kenne ich von irgendwoher, aber ich kann mich nicht erinnern. Er ist so einer, der überall in der Menge verschwindet, könnte ein freundlicher Zivildienstleistender sein genauso wie ein biederer Beamter. Nur, dass er sich einen kleinen Bart hat wachsen lassen, rötlich braun wie sein Haar, aber akkurat an den Seiten gestutzt. Was es nicht besser macht, denn genauso unmissverständlich geradeaus sind seine Worte: "Ich beobachte dich. Und irgendwann bringe ich dich um."

Angst ergreift mich in der dritten Etage eines Warenhauses an der Tauentzienstraße. Ich ignoriere seine Worte, wende mich ab und eile fort, weg von diesem Menschen, den ich kenne, aber nicht mehr weiß, woher. Waren wir zusammen in der Schule, Uni, bei einem gemeinsamen Arbeitgeber? Er ist jünger als ich, mindestens zehn Jahre und hat die Anarchie in den Augen, die wir damals alle hatten. Hungrig nach der Eindeutigkeit und Klarheit von Lebensentwürfen, nach der Ehrlichkeit von Systemen. Man lehnte sich dennoch nicht auf gegen Ungerechtigkeiten. So einer ist er, das weiß ich. Aber warum hat er sich mich ausgesucht als Ziel seines Hasses?

Ich fliehe, zwei, drei Häuser weiter ist die Redaktion, in der ich einmal gearbeitet habe. Er ist hinter mir, das spüre ich. Seine Augen in meinem Nacken, sie bohren sich in mein Gehirn.

Ehemalige Kollegen grüßen mich, aber ich habe keine Zeit, ich bin auf der Flucht, nur weg. Mein Herz schlägt wild. Da vorn, der Kollege aus der Sportredaktion, er war immer ein rauchender Ruhepol im hektischen Alltag. Wir nannten ihn den Fit-Bär, auch wenn sein Bauch doch anderes verriet. "Du musst mir helfen", stoße ich hervor, denn meine Lungen scheinen gerade noch genug Luft für diese vier Worte zu haben. Ohne Umstände zieht er mich in das Treppenhaus und antwortet: "Ich bringe dich in die Tiefgarage und fahre dich raus." Unten legt er einen Mantel über mich, die sich hilflos auf den Beifahrersitz legt. Ob er mich noch beobachtet?

Mein Handy! Heute ist man ortbar über sein kleines, privates Funksignal. Ich schalte sofort aus, bitte den Fit-Bären, mich zum nächsten Kaufhaus zu fahren, ich bräuchte ein neues Handy und ob ich kurz auf dem seinen meinen Freund anrufen könne, damit er aus meiner Wohnung die notwendigsten Dinge hole?

Ich verstecke mich in einer gesichtslosen Wohnung und warte auf die dritte Kontaktperson, eine die er nicht kennen kann. Über die er mir nicht folgen kann. Wie lange muss ich warten, bis ich aus diesem Albtraum erwachen darf?

4:36, und ich muss erstmal aufs Klo.

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PlagiaTor.

Ich gestehe. In meiner Abiklausur des Bioleistungskurses habe ich von Nikolai abgeschrieben. Sonst hätte ich nicht geschnallt, dass da bei den Histaminen eine zweite Mutation vorgelegen hätte (WTF? Was ich damals wusste!). Ich beichte. In meiner Diplomarbeit habe ich eine Passage aus einer anderen Diplomarbeit kopiert und nur unzulänglich mit eigenen Worten kaschiert. Die kopierte Dame aus Geldern mag es mir verzeihen. Ich schäme mich. Ich habe eben eine Guttenbergsche Unschärferelation.

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Assange.

Andere mögen sich mit der politischen Dimension der Dokumente auf WikiLeaks besser auskennen als ich. Erstaunlich finde ich nur, wie hier ein Medium und der dahinter stehende Kopf mundtot gemacht wird.

Und was die Vorwürfe angeht, "Sex ohne Kondom" sei Vergewaltigung, oder Assange habe ein "Nein" zum Geschlechtsverkehr ohne Kondom nicht akzeptieren wollen, so mag dies vielleicht nach schwedischem Recht relevant sein.

Ich wundere mich aber, wie zwei offenbar nicht ganz blöde, gut ausgebildete Frauen das Wort "Nein" nicht konsequent umgesetzt haben. In wilden Zeiten zog ich mich bei einer entsprechenden Nötigungssituation, so man sie so nennen mag, einfach wieder an und ging oder verwies den sexuell interessierten, aber ansonsten uneinsichtigen Mann meiner Wohnung.

Das Ganze hat meiner Ansicht nach ein arges Geschmäckle.

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