Um es vorweg zu nehmen: 2013 hat es geschafft, mein persönliches Annus Horribilis 2005 zu toppen. Wäre dieses Jahr ein Mensch, hätte ich auf die letzten Tage einen Mord an ihm begangen. So ungerecht, so gemein, so feindlich und fies ist mir noch kein Jahr untergekommen. 2014 kann nach dieser Vorlage eigentlich nur besser werden.
Also, auf in die zehnte Runde! Wie 2012, 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004 und 2003, so auch dieses.*
*2011 habe ich ausfallen lassen. Aus Gründen.
Zugenommen oder abgenommen?
Gefühlt ab wegen mehr ÖPNV-Hinterherrennerei in der zweiten Jahreshälfte. Die Waage aber sagt: Muskeln sind schwerer als Fett. Also zu. (Grmpf.)
Haare länger oder kürzer?
Gleich lang. Mein neuer Friseur ganz ehrlich und ganz richtig: „Keine Experimente mehr in Ihrem Alter!“ Bei der Farbe geht es ohnehin nur noch um Weißabgleich.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Blind wie eh und je.
Mehr ausgegeben oder weniger?
In der zweiten Jahreshälfte mehr, denn nach Rück-Umzug vom Oderkaff nach Berlin musste dringend eine neue Küche sein.
Der hirnrissigste Plan?
Im Selbststudium Ukulelespielen lernen.
Die gefährlichste Unternehmung?
Manche bezeichnen ja einen Jobwechsel nach einem halben Jahrzehnt als gefährlich, besonders, wenn es eine neue Branche ist. Für mich allerdings eher ein befreiender Schritt auf unbekanntem Terrain.
Das beeindruckenste Buch?
Dieses Jahr habe ich so wenig gelesen wie lange nicht. Ich habe mich durch Jane Austen im Original gequält, die Schönheit der Sprache nicht erfassen können, dafür aber an ihrem Grabmal in Winchester gestanden. Die leichtere Literatur von Georgette Heyer gleich hinten dran gegeben und bin nun nach dem Lesen ihrer Biografie überzeugt, dass sie eine äußerst snobistische und sehr anstrengende Person gewesen sein muss. Aktuell lese ich die Biografie von Madeleine Albright, das könnte also noch was werden mit mir und dem beeindruckendsten Buch.
Der ergreifendste Film?
Gut unterhalten fühlte ich mich auf jeden Fall bei dem zauberhaften Film Mademoiselle Populaire, sehr spannend war die Tribute von Panem. Aktuell fesselt mich „Mad Men“ – großartige Serie aus meinem Lieblingsmetier Werbung!
Das beste Theaterstück
Ich wollte kein Theater mehr sehen.
Die beste CD? Das beste Lied?
In England zugelegt: The Leisure Society. Fluffig, lustig, hört sich so weg. Als Mantra für schlechte Stunden und Erinnerung an einen tollen Mexiko-Urlaub: En el muelle de San Blás von Manà.
Das schönste Konzert?
Ich schwanke noch zwischen La Brass Banda und dem Ukulele Orchestra of Great Britain.
2013 zum ersten Mal getan?
Einen eigenen Weihnachtsbaum gekauft.
2013 nach langer Zeit wieder getan?
Gekündigt. Mit sehr leichtem Herzen und einer Träne im Knopfloch wegen einiger, weniger toller Kollegen.
Die meiste Zeit verbracht mit...?
Sorgen machen um den Gentleman.
Die schönste Zeit verbracht mit...?
Dem liebsten Gentleman.
Vorherrschendes Gefühl 2013?
Widerstreitende Gefühle galore: Hoffnung, Aufbruchsgeist, Angst, Wut, Mut, Demut. 2013, du hast in keiner Disziplin wirklich gerockt.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Da bleibt nur ein Ding übrig, hinter dem alle anderen zurückstehen: Die lebensbedrohliche Krankheit des Gentleman.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Alles wird gut, wenn man daran glaubt.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Meine Kündigung. Mir selbst.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Hoffnung, dass es doch gut ausgehen könnte mit des Gentleman Gesundheit.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ist kleiner geworden.
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Ich bin da.
2013 war mit 1 Wort...?
Brutal. Hart. Inakzeptabel. Suchen Sie sich eines aus.
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Da steht er nun, der erste eigene Weihnachtsbaum meines Lebens. Als weggezogenes Kind spurt man an Weihnachten ja wie es die Eltern gern hätten und wenn man nicht mit eigenen Kindern punkten kann, macht man sich halt zu den Festtagen auf den Weg. Dort wartet ein voller Kühlschrank und ein geschmückter Baum. Im Idealfall verträgt man sich, genießt viel zu viel gutes Essen und Trinken und fährt am zweiten Weihnachtsfeiertag kugelrund wieder in die eigene Wohnung, wo nicht viel an Fest und Familie erinnert. Das werden der Gentleman und ich dieses Jahr zwar auch so machen, unsere Eltern werden nicht jünger. Aber anders als in den vergangenen Jahren wartet dann ein geschmückter Baum in unserer eigenen Wohnung. Er ist ein wenig schief gewachsen, beim Hineinwuchten ins Auto ist ein blöder Ast abgebrochen, aber wenn ich ihn so ansehe, freue ich mich. Denn er ist unser eigener, kleiner Weihnachtsbaum. Wir sind jetzt erwachsen.
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Mein Ruhepunkt misst einen Quadratmeter, maximal, und befindet sich in der Ecke des Sofas. Hier kann ich mit meinem Laptop oder Smartphone sitzen und mit einer Kopfwendung sowohl die Nachbarn im Haus gegenüber als auch den Fernseher oder den neben mir sitzenden Mann erfassen. Das beruhigt mich, alles im Blick zu haben, das Drinnen, das Draußen.
Mehr brauche ich nicht.
Oder. Doch.
Ich brauche Ruhe, die nicht nur auf einen Quadratmeter beschränkt ist. Dieses Jahr 2013 war so anstrengend, dass ich ganz porös geworden bin. Ein bisschen marode sowieso, aber das ist ja nun auch langsam das Alter, dagegen kann man nichts machen. Aber diese Löchrigkeit, die kleinen Durchlässigkeiten für Unangenehmes im Leben, die ich normalerweise mit Humor und Haltung kitten könnte, sie ist so stark geworden, dass ich wohl bald einfach mit einem Klirren in mich zusammensinke. Wie ein zerbrochener Spiegel.
Und der ist ja meistens auch nicht größer als ein Quadratmeter. A propos: Ich müsste mal wieder zu I*EA, mir fehlt noch ein Ganzkörperspiegel. Aber das verschiebe ich dann doch lieber auf 2014.
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Das Jahr der Demut.
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Für meine Mutter musste es Lord Extra sein, während mein Vater nur "Camel ohne" an seine Lungenbläschen ließ. Über Passivrauchen von Kindern machte man sich in den 70er Jahren eher weniger Gedanken, und wenn ich mich wagte, auf kalten Winterfahrten das hintere Fenster ein wenig herunter zu kurbeln, musste ich darauf gefasst sein, recht schnell ein "Zumachen, es zieht!" zu hören und meine Nase resigniert in das Polster meiner Rückbank zu drücken. Wenn ich ganz genau schnupperte, konnte ich sogar ein bisschen die Abgase von draußen riechen.
Unser Renault 19 roch immer ein bisschen intensiver als andere Autos, das kenne man ja von den Franzosen, behauptete mein Großvater und wusch stur seinen Opel Kapitän und später den großen Mercedes. Und wenn ich mich sehr konzentrierte und den Atem ganz bewusst einsog, war da doch auch noch ein bisschen etwas vom Brötchen mit Landjäger und mehr zu riechen von letztem Jahr, als wir über das Aosta-Tal an die Riviera fuhren und mir von der schneidigen, fast italienischen Fahrweise meines Vaters nur ein ganz kleines bisschen schlecht wurde. Oder das hartgekochte Ei vom Jahr davor, als wir irgendwo vor Ljubljana im Stau standen, fast vierzig Grad Hitze draußen und ich meine linke Kontaktlinse in dem grässlichsten Hotel verloren hatte, das ich mit meinen fünf Jahren kennen lernen durfte. Und ein ganz kleines bisschen stärker als alle Urlaube der Welt roch es immer auch nach dem kalten Zigarettenrauch, der sich in den Polstern einnistet, egal ob der Fahrer aus dem Fenster raucht oder nicht.
Manchmal roch es auch nach Tränen, wenn ich reiten lernen wollte und nicht durfte, damit ich "keine breiten Hüften bekomme". Nun ja. Sie kennen mich ja nicht. Aber ich versichere Ihnen: Lassen Sie Ihre Töchter reiten lernen, wenn sie wollen. Es ändert nichts an den Genen. Aber das weiß man ja immer erst hinterher.
Komisch nur, dass ich nie angefangen habe zu rauchen.
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Wann wurde es eigentlich gesellschaftsfähig, Schwangeren ungefragt über die schwellenden Bäuche und Krebspatienten über die Glatze zu streicheln?
Ich kann - obwohl weder der einen noch der anderen Gruppe zugehörig - diese vermeintlich wohlmeinenden, vermeintlich witzigen körperlichen Übergriffigkeiten nicht verstehen und möchte dann stellvertretend für die Gestreichelten zuschlagen.
Und ich glaube, das nächste Mal mache ich das dann einfach auch.
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Du bist so und so. Deshalb musst du so und so. Anders geht nicht. Reflektiere doch mal dein Verhalten. Nein, deine negative Energie will ich nicht haben, die leite ich direkt an dich zurück. Aus deiner Körpersprache lese ich. Früher dachte ich immer nur Ich, Ich, Ich, heute ist das anders, da bin ich nur für andere da. Ich denke für andere mit. Ich fühle das, was andere brauchen. Glaubst du, wir können eine fast spirituelle Verbindung eingehen, die es braucht? Ich habe es so gehofft, dass du so und so bist. Du bist so und so.
Übersetzung: Ich bin ein ganz toller Hecht. Übrigens.
Mitunter sind küchenpsychologisch geschulte Mitmenschen nicht nur anstrengend, sondern höchst amüsant, nimmt man sie erst einmal nicht mehr ernst.
Oder auch #allebekloppt
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Diese Müdigkeit, die einen immer dann ergreift, wenn der Herbst kommt und erbarmunglos vom Ende der sommerlichen Leichtigkeit erzählt. Denn die Wahrheit, die ist gemein und klar wie ein Morgen im September.
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Kinder sind ja nicht nur steter Quell der Freude und von Nervenzusammenbrüchen überforderter Eltern, sondern in erster Linie immer da, wo man sie gerade nicht vermutet. Spurtet man abends in die Klinik und eilt mit recht großen Schritten auf den neu erworbenen schicken Stiefelettchen den langen, sehr langen Gang entlang, kommt einem so ein kleines Wesen sehr unvermutet vor. Und vor allem, wenn es mit einem Affentempo auf einem dieser kleinen, niedlichen Autochen um die Ecke gesaust kommt, gefolgt von oben genannten überforderten Eltern.
Jedenfalls, die lieben Kleinen übersehen ganz gern mal, dass mittelalte, mittelschwere und mittelgut sehende, leicht gestresste Mitmenschen das mit dem Ausweichen nicht mehr ganz so gut draufhaben. Das Kind rast auf mich zu, ich versuche, auszuweichen und klatsche der Länge nach auf den Gangboden. "Sind Sie verletzt, junge Frau", fragt der Kindsvater, und das Einzige, über das ich mich wundere, ist die Bezeichnung als junge Frau. Meine linke Hand tut ein bisschen weh, aber gebrochen habe ich nichts, denn fallen kann ich ganz gut, wieder aufstehen auch, das lernt man halt im Leben.
Hätte ich doch beinahe aufgrund eines Kleinkindes ins Krankenhaus einrücken müssen. Auch eine Art Ironie des Schicksals.
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Parkdeck C, aber bitte nicht die letzten drei Plätze, denn die sind für medizinische Direktoren reserviert und ärztliches Personal wird ja so ungern ignoriert. Dann immer geradeaus, den der Tafel mit den Neugeborenen-Namen vorbei. Heute waren es nur drei mit vergleichsweise moderaten Vornamen. Montags ist die Tafel voll, da gibt es nach unten keinen Platz mehr. Und die Dichte an abstrus buchstabierten und prekariatsverdächtigen Kindernamen ist nicht zu verachten. Mein Favorit gestern: Joleen Chanelle. Ja. Das gibt's wirklich.
Im Stakkatoschritt nach ganz hinten, links sind die Pressemeldungen der Klinikgruppe angeschlagen, dann kommt der Chefarztbereich - hier eine ehrfürchtige Verbeugung vorstellen* - und am letzten Fahrstuhl links geht's nach oben. Dort, in der "guten Stube" der Klinik, erst einmal die Hände desinfizieren. Dann schnell, schnell, er wartet schon.
Meine Füße erinnern sich noch an den Rhythmus, alles noch eingespielt vom Frühjahr. Ich hoffe, sie können ihn irgendwann einmal vergessen, weil er nicht mehr nötig sein wird. Weil der, der wartet, wieder gesund ist.
*Protipp: Chefarztbehandlung bringt überhaupt nichts. Wer lässt seine Kinder schon vom Schuldirektor unterrichten, der den ganzen Tag nur Verwaltungskram hat? Eben.
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