Der kleine Porzellanwachhund sitzt immer noch auf der Steinmauer in La Calera, mittlerweile etwas ausgeblichen und nicht mehr ganz taufrisch, aber den Hunden geht es wie den Menschen, und wenigstens der Gentleman und ich haben mit den Wunschballons an Silvester den ein oder anderen Traum in die Luft gehen lassen.
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So, der Rucksack ist gepackt ("Ich brauche auch ganz bestimmt nur fünf Minuten dafür, Schatz!"), gleich geht es los auf die Insel der vielen Möglichkeiten. Bis im neuen Jahr dann, wenn (wenn!!) ich zurück komme.
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Sie saß am liebsten ganz links auf dem Sofa, den Arm auf der Lehne ausgestreckt, den Gehstock immer in Griffweite. Mit dem schubste sie gern mal die Hunde von ihren Füßen, wenn sie ihr zu viel wurden oder infernalisch pupsten. Besonders Stella, die schwarze Labradorhündin, war Meisterin im Verbreiten schlechter Gerüche.
Vor allem an Weihnachten, wenn die Hunde, drei an der Zahl, eine Extra-Ration frisches Herz verputzt hatten, roch es mitunter etwas streng im großen Wohnzimmer, ihrem Salon, wie sie nicht müde wurde zu betonen. Dort stand auch die stets sehr große und ausladende Nordmanntanne in einer Ecke, die sonst dem ererbten Rokoko-Sessel vorbehalten war und von dem aus man über den Main bis fast nach Offenbach blicken konnte.
Kein Lametta, forderte sie immer von meiner Großmutter, da ist Blei drin! Ihre Tochter, stetige Einmischung der Familienmatriarchin in Privat- und Firmenangelegenheiten gewohnt, nickte duldsam und hängte trotzdem glitzernde Fäden an den Baum. Sie hätte es ohnehin nicht mehr sehen können, denn nach zwei Schlaganfällen und grauem Star waren die Augen milchig geworden, das Begreifen der Umweld auf das Notwendige beschränkt. Nur Lametta, das bitte solle es denn niemals, nie in ihrem Hause geben.
Von ihr stammte der große Kaufmannsladen vom Beginn des vergangenen Jahrhunderts, mit dem sie selbst gespielt hatte, damals im Kaiserreich. 1899 geboren, am 1. Januar, nun fast ein Jahrhundert alt und mit Augen die viel gesehen hatten, aber nun langsam erloschen wie auch der Lebenswille. Ein letztes Weihnachten noch, 1990, dann wolle sie abtreten, wie sie uns versicherte, während einigen Familienmitgliedern der Christstollen im Halse stecken blieb, andere widerum bereits Berechnungen des Verkaufspreises des zu erwartenden Erbteils anstellten. Es war trotzdem ein schönes Fest, obwohl allen bewusst war, dass es wohl das letzte Weihnachten für sie sein würde und den Untergang der gemeinsamen Familienfeste bedeutete.
Gestorben ist sie dann in einer klirrend kalten Januarnacht. Draußen mag es silbern überglänzte Wiesen gegeben haben, so silberfarben wie ihr Haar. Heute Nacht kam sie mich kurz besuchen. Stella an ihrer Seite, saß sie in ihrem Rokokosessel und lächelte mich an: Kein Lametta, hörst du?
Nein, Omama, kein Lametta.
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Jetzt geht es wieder los! Wie
2007, 2006, 2005, 2004 und 2003, so auch dieses.
Zugenommen oder abgenommen?
Zu. Und zum Jahresende hin ab.
Haare länger oder kürzer?
Länger.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Kurzsichtiger, massiv. Und ansonsten kann ich nur sagen: Mit dem Zweiten sehe ich besser.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Weniger, weil einen wirklich gut dotierten Job für einen interessanteren, weniger gut bezahlten aufgegeben. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass man nicht nur in der Hauptstadt arm aber sexy sein kann.
Der hirnrissigste Plan?
Hm. Ich glaube, hier muss ich erneut passen. Ob der Umzug von der Groß- in die Kleinstadt so klug war, wird sich zeigen. Die Kleinstadt hat noch eine verlängerte Probezeit.
Die gefährlichste Unternehmung?
Der Umzug in eine Kleinstadt. Ganz weit in den Osten. Ganz nah an die Grenze. Kurz vor Sibirien. (More Drama, Baby!)
Der beste Sex?
Natürlich!
Die teuerste Anschaffung?
Dank des wirklich guten Gesundheitssystems in Deutschland habe ich einen Jahresurlaub in Sehhilfen und Zahnbehandlungen gesteckt. Danke, du bist Deutschland.
Das leckerste Essen?
Sarlat la Caneda, im Bistrot am Marktplatz. Unglaublich, was man aus Ziegenkäse, Feigen, Gänseleberpastete, Gewürzbrot, Lamm und Kartoffeln machen kann. Politisch so unkorrekt. Aber ein Orgasmus für die Geschmackspapillen.
Das beeindruckenste Buch?
Dieses Jahr waren etliche Thriller Bestandteil meiner Abendlektüre, u.a. von Preston und Child. Alles aber eher durchschnittliche Kost.
Der ergreifendste Film?
Ich leide offensichtlich unter Cineasten-Demenz. Mir ist kein Film als besonders beeindruckend in Erinnerung geblieben.
Die beste CD?
Definitiv Peter Fox, Stadtaffe. Gewinnt sogar gegen die Neue von Polarkreis 18.
Das schönste Konzert?
The Killers im Rahmen des Highfield-Festivals.
Die meiste Zeit verbracht mit...?
Wie immer: arbeiten.
Die schönste Zeit verbracht mit...?
Wie immer: dem Gentleman. Nicht nur auf Reisen.
Vorherrschendes Gefühl 2008?
Entschleunigt.
2008 zum ersten Mal getan?
In eine Kleinstadt umgezogen.
2008 nach langer Zeit wieder getan?
Genossen, jemanden auch vor neun Uhr morgens um mich zu haben.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Gesundheitliche Malaisen zum Jahrensende hin. Einen (unverschuldeten) Unfall mit der Vespa. Das Gefühl, von vielen Augen beobachtet zu werden und nicht mehr frei agieren zu können.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass man manchmal Dinge rauswerfen muss, um Platz für Neues zu schaffen.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ich hoffe: Gegenwart.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Zukunft.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ich hab mal den Lonely Planet von Madagaskar bestellt.
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Ich auch.
2008 war mit 1 Wort...?
Richtig.
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Heute in einer Woche werde ich mit Gentleman und besten Freunden auf einer Insel am Strand sitzen und Wunschballons in den Abendhimmel steigen lassen. Blaue, orangefarbene, türkise und rote. Es wird ein buntes Jahr 2009!
Oder, anders ausgedrückt:
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Nun doch noch einen Not-Termin vor Weihnachten beim Spezialisten bekommen. Das Auge mag so gar nicht, noch mehr blinde Flecken kommen hinzu, das Sehen und auch das Denken strengt ungewohnt an. Wird sich doch meine frühe Angst zu erblinden, bewahrheiten? War es doch nicht falsch, schon in der Grundschule an meinen Kenntnissen der Braille-Schrift zu feilen? Noch hoffe ich, dass die sich diese Woche wiederholende Prozedur des Kontrastmittelspritzens, Netzhautspiegelns, Untersuchens endlich eine therapiefähige Grundlage erhält. Mittlerweile ersehne ich eine Spritze ins Auge geradezu. Alles besser als blinde Flecken.
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Ach ja, da war ja noch was. Wenn Sie wissen wollen, wie 2009 wird: Gucken Sie in den nächsten Tagen doch einmal hier vorbei. Auch wenn Sie woanders wohnen.
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Nein, wirklich, was war denn heute los? In der Gesamtschau möchte man diesen Donnerstag gern als rundum bescheiden - etliche Mitmenschen würden ein anderes Wort nutzen - bezeichnen. Der Kreislauf hernieder liegend, die Laune am Boden, nicht nur die eigene. Der Tanz auf einem Tretminenfeld an Eitelkeiten. Einige explodierten, hinterließen Chaos und Verwunderung. Andere blieben unberührt, noch, in gelassener Stimmung denke ich: Wartet nur, euch erwischt es auch noch. Spontan beschlossen, die Kollegen allesamt in Patienten umzubenennen.
Dieser Tag ist nur mit Rotwein zu einem guten Ende zu bringen. Das Etikett hat uns gefallen. Dazu The Killers - play it loud!
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Der Spezialist lässt auf sich warten. Vorher müssen noch Madame A und Monsieur B unter den Laser bzw. unter's Messer. Und Madame A ist, nun, ein wenig kompliziert. Erst flatuliert sie im Wartezimmer in sämtliche Ohren, was ihr nun Schlimmes wiederfahren würde, nämlich ein kleiner Schnitt mit dem Laserschwert. Und sie sei ja so sensibel. Dann, eifrig von der herbeigeeilten Sprechstundenhilfe umsorgt, jammert sie, dass sie un-be-dingt ein Sektchen bräuchte, bevor sie sich in den OP begäbe. Ohne könne sie nicht. Der Spezialist erscheint kurz, sorgt für medizinische Klarheit über Sekt als Narkosemittel und entsorgt Madame endlich im OP.
Monsieur B wiederum ist ein enger Freund des Spezialisten und hat "nur ein ganz kleines Anliegen, es dauert auch nur fünf Minuten". Aus den fünf Minuten werden locker 30, und ich sitze derweil mit weit getropften Pupillen da, kann weder lesen noch gucken und mopse mich ganz ungemein.
Dann endlich, nach zwei Stunden des Wartens, ruft mich der Spezialist, macht hier eine Untersuchung, dort eine andere und sagt schließlich: "Wir müssen eine Kontrastmitteluntersuchung machen, das ist alles nicht so deutlich wie erwartet." Schön, machen wir eine Kontrastmitteluntersuchung. Das Kontrastmittel muss aber irgendwie in mich gelangen. Am besten über eine Vene, meint der Spezialist und macht mir ein unter anderen Umständen hübsches Kompliment: "Sie haben so feine Venen, kaum zu finden, und ihre Haut ist so dünn."
Er braucht ca. fünf Versuche und den Wiederaufbau meines wackeligen Kreislaufs, bis er eine brauchbare Vene identifiziert hat. Er hat die Nadel schon in der Hand. Dann, plötzlich, ist sie wieder weg. "Hm", sagt er, "hm, da hilft nur heißes Wasser." Fürderhin halte ich meinen rechten Unterarm unter kochend heißes Wasser, bis er krebsrot, meine Fingerspitzen dunkelblaurot angelaufen und die Venen deutlich sichtbar aus dem Arm glühen. Ein erfreutes "hab ich doch gesagt" später fließt das Kontrastmittel durch meinen Körper. Es werden Fotos von meiner Netzhaut gemacht, ein hübsches CT vom Auge, dann kommt der Moment der Wahrheit.
"Tja", sagt der Spezialist. "Tja, ich kann Ihnen leider im Moment nicht helfen."
???!
Man habe normalerweise einen Grund für eine Netzhauteinblutung, fände wenigstens ein geplatztes Äderchen oder Gefäß, aber nichts davon sei bei mir die Ursache, und daher müsse man abwarten. Spätfolgen seien eher unwahrscheinlich, allenfalls bliebe ein kleiner, blinder Fleck übrig. Man sehe sich in einem Monat wieder.
Vielleicht sind meine zarten Äderchen die Ursache. Auf jeden Fall hatte ich ein naturwissenschaftliches Aha-Erlebnis. Kontrastmittel, in den Arm gespritzt, findet nicht nur in Sekundenschnelle den Weg ins Auge sondern auch in die Blase. So was kontrastreiches habe ich noch nie gesehen! Und werde es vermutlich auch nicht mehr. Aber, liebe Leser, das alles verdrießt mich nicht, dies zum Trost, denn letztlich bleibt die Erkenntnis: Besser so als eine Madame A oder ein Monsieur B, denen garantiert nicht mehr zu helfen ist.
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So ein Auge ist eine tolle Sache, deswegen haben wir auch (überwiegend) zwei davon, manche sogar mehr, die jedoch an anderen Körperstellen. Wie unschön es ist, wenn die am Kopf nicht mehr so recht wollen, weiß ich schon seit frühester Kindheit. Ich habe mit zwei Jahren die erste Brille bekommen, mit dreieinhalb Jahren die ersten Kontaktlinsen. Bislang so gut wie problemlos, auch nach 35 Jahren noch. Nun aber sehe ich seit einigen Tagen auf dem linken Auge nichts mehr. Ein dunkler Punkt mitten im Gesichtsfeld macht es schwer, Genaueres zu erkennen. Die Augenärztin, die nur aufgrund guten Zuredens des befreundeten Kollegen noch einen Termin vor Weihnachten realisieren konnte, macht umfangreiche Tests, noch mehr Tests, macht ein bedenkliches Gesicht und sagt zum Abschluss: "Ich überweise Sie mal an einen Spezialisten."
???!
Der Spezialist sitzt in Berlin, eine halbe Tagesreise entfernt, und wird sich genauer mit dem Fall beschäftigen. So viel weiß ich jedenfalls schon: das Ding in meinem Auge hat einen hübschen Namen und einen schlechten Ruf. Man kann etwas dagegen tun, aber man muss es bald, und um eine unschöne Spritze ins Auge komme ich wohl nicht herum. Berlin, wir sehen uns, einäugig. Morgen.
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Sehr schön auch, im Übrigen, die Entdeckung, dass Carlos Ruiz Zafon nicht nur ein angenehmer Schreiberling mit schönen Geschichten ist sondern auch ein begnadeter Komponist.
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Liebe Leser, falls Sie nichts mehr von mir hören, bin ich in einen tiefen Winterschlaf gefallen, aus dem ich bis zum Frühlingsanfang nicht mehr zu erwachen gedenke. So müde war ich noch nie. Sind Sie zurzeit auch so fertig?
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