BetteDich.

Angeregt von dieser Liste schwelgte ich letztens in Erinnerungen an meinen wirklich allerschlimmsten Studentenjob. Ich war damals in argen Finanznöten und suchte über die studentische Jobvermittlung nach Füllung meiner Geldbörse. Man verwies mich an das Rudolf-Virchow-Klinikum.

Eines schönen, sonnigen Sommermorgens, und zwar eines sehr frühen, denn die Schicht fing um 6.15 Uhr an, stehe ich vor dem Pförtner und frage nach der Bettenstation. Ganz durch bis zum Block C und dann in den Keller. In den Keller des Grauens. Der Hölle der Hygienearbeit. Heiß, stickig und mit den Verdammten des Bildungssystems gefüllt, die hier ihre 7 DM pro Stunde verdienen.

Man muss sich die Bettenbeziehstation eines Krankenhauses als Kammersystem vorstellen. Die benutzten Betten kommen in einen Vorraum, wo sie von den Wäschedamen abgezogen werden. Die Wäsche kommt getrennt nach Art - Laken, Bezug, Kopfkissen - in große Container und wird von Fremdfirmen abgeholt. Dann kommen die Betten mitsamt Matraze in eine Hitzeschleuse, wo sie mit heißer Luft geduscht werden, bis keine Keime mehr vorhanden sein dürften. Hinter der Hitzeschleuse beginnt die oben erwähnte Hölle unter Vorsitz von Ralle.

Ralle ist vierzig, sieht aber aus wie achtzig und raucht Kette. Er hat, wie alle in der Bettenstation, einen weißen Kittel an, Badelatschen an den Füßen und schlechte Haut. Sein weibliches Pendant heißt Ute und hat seit Jahrzehnten kein Lächeln mehr zustande gebracht. Beide ergeben ein eingespieltes Team, das mit wenigen Handgriffen ein Wöchnerinnen-Bett fertig machen kann: das glühendheiße Bettgestell aus der Hitzekammer rausfahren, die Latexmatratze mit einem (Frucht-) wasserabweisenden Laken überziehen, darüber ein Leinenlaken, dann ein hartes Kopfkissen und eine dünne Decke. Alles in einer bestimmten Falt- und Liegerichtung.

Es gibt aber noch Betten aus der Quarantänestation, die mit noch heißerer Luft desinfiziert werden. Dann wickeln sich sogar Ralle und Ute Putzlappen um die Hände, damit keine Brandblasen entstehen. Auch Betten für Brandopfer sind komplizierter aufgebaut als Betten für den Otto-Normal-Verletzten. Allen gemein ist der leicht stockig-süßliche Geruch, der zwar porentiefe Reinheit verspricht, aber der Hölle entstammt. Ich habe es zwei Wochen ausgehalten. Eine kleine Brandnarbe am linken Handgelenk erinnert mich dann und wann daran. Was wohl aus Ralle und Ute geworden ist?

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RentenGlück.

Die Verabschiedung des Diensthabenden des Stadtmarketings in den Ruhestand stößt auf einhelliges Glückwünschen.

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HirnPZG.

Wer braucht schon Dr. Kawashiwas Gehirnjogging? Ich nenne es Problemzonengymnastik für den Kopf. Andere nennen es Arbeit.

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StehRumchen.

Man sagt ja, viele Dinge verlernt der Mensch nicht. Radfahren, zum Beispiel. Oder andere, erlernte Bewegungsabläufe, Handlungen und Verhaltensweisen wie Höflichkeitsfloskeln. Ich freue mich ja immer so, wenn meine Umwelt ein Bitte und Danke beherrscht.

Im Lauf der Jahre, man kommt halt ein wenig herum, lernt man gerade auf Terminen geschäftlicher Art die Kunst des Dummschwätzchenhaltens. Freundliche, inhaltslose Sätze mit dem einzigen Sinn und Zweck, das Gegenüber nicht im Gespräch ins Leere laufen zu lassen. Man plaudert ein wenig über die letzten Projekte, schwenkt über zur Beurteilung des Essens und der Getränke und schwätzt ein wenig dumm herum. Mittlerweile beherrsche ich dieses Spielchen ganz vorzüglich, und am Ende eines einigermaßen erträglichen Abends scheidet man mit dem Gefühl voneinander, sich nicht blamiert und der geschäftlichen Verbindung einen Dienst erwiesen zu haben.

Von dieser Regel gibt es nur zwei Ausnahmen. Nummer eins: Das Gegenüber trinkt einen Hauch zu viel und versinkt über dem geistigen Getränk in endlosen Monologen, geschwätzigen Erläuterungen der aktuellen Firmenlage oder einer Beweihräucherung des Egos. Nummer zwei: Ich kenne mein Gegenüber noch nicht gut genug, weiß aber, dass es vorhat, mich auszuhorchen. In beiden Fällen werde ich einsilbig, sehe gelangweilt am Gegenüber vorbei und nippe häufiger am nichtalkoholischen Kaltgetränk. In letzter Konsequenz verschwinde ich auf die Toilette.

Ein Blick auf die eloquent kontaktende Kollegin, die auch dem lästigsten Gesprächspartner noch ein Lächeln entgegen bringt, sagt mir: Da habe ich noch etwas hinzu zu lernen. Und sei es, noch früher ein dringendes Bedürfnis vorzuschieben.

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SchleifenFrei.

Erstaunlich, was so eine große Folienschleife auf einer Wand für eine Wirkung entfalten kann. Fast noch mehr, aber nur fast!, als das anschließende Stehrummchen-Catering. Wichtigwichtigmenschen benehmen sich bisweilen wie Kinder in afrikanischen Dürregebieten.

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SonntagsDienst.

Diese am Dienstort verbrachten Sonntage haben einen unschätzbaren Vorteil: keine Telefonanrufe. Endlich einmal in Ruhe texten, konzepten und organisieren. Wenn nur die Sonne nicht so entsetzlich verlockend auf die gegenüberliegende Fassage gescheint geschienen hätte...

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MordsBass.

Herrschaften, ich rate Ihnen: Legen Sie sich ja niemals nie mit einem Bass an. Schon gar nicht, wenn Sie mit einem in einem Fahrstuhl stecken, er auf dem Weg zur Bühne ist, ohnehin schon Blut und Wasser in seinem dicken Bauschekostüm schwitzt und wenigstens drei Minuten mit der Zeit im Rückstand ist. Legen Sie sich auch niemals nie mit einem polnischen Bass an. Jedenfalls nicht, wenn Sie sich nicht in seiner Muttersprache bei ihm entschuldigen können (und Sie wegen einer nervigen Erkältung auch nicht komplett stimmlos wären). Blöd eben, wenn Sie in die vierte Etage wollen, er in die zweite, und Sie haben aus Versehen - denn der polnische Bass hat einen enormen Resonanzkörper - mit Ihrem an die Wand gepressten Hinterteil sämtliche, und ich wiederhole: sämtliche! Knöpfe des Aufzugs gedrückt. So dass der Fahrstuhl eben nicht erst in die zweite Etage sondern zuvor ins erste Untergeschoss und dann wieder ins Erdgeschoss und dann über die erste Etage endlich in die zweite Etage fährt. Kurz, der Bass, der polnische, war wenig erfreut. Und so ein Fahrstuhl ist ein in sich geschlossener, ganz großartiger Resonanzkörper für seine erbosten Stimmübungen. Ich bin jetzt übrigens taubstumm.

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BüroMassage.

Wo waren Sie, werte Leser, um die Jahrtausendwende? In der Zeit, als Internetblasen an jeder Ecke waberten und alle jung, hip und Aktionär sein wollten?

Genau. Nicht anwesend. Sie haben entweder noch die unbequemen Hörsaalbänke der Uni gedrückt oder kämpften sich in irgendeinem Konzern nach oben, der seinen Internetauftritt eben jenen Agenturen anvertraut hatte, in denen junge, hippe und mit Aktien spekulierende Kreative arbeiteten. Frühstücksservice und Billardtisch inklusive ob der zunehmenden Trennunschärfe von Arbeit und Freizeit. Waren die Kreativ-Rücken einmal verspannt, kam eine hippe, junge Masseurin ins Büro und walkte so lange, bis zumindest ansatzweise wieder ein Körpergefühl vorhanden war.

Nun sind die wilden Jahre längst vorbei, und diejenigen, welche nicht daran teil hatten, pflegen ihre Kontostände, während die anderen sich eines Daseins im Halbschatten der digitalen Bohème erfreuen. Auch die junge, hippe Masseurin hat den Trend der Zeit erkannt und bietet ihre Dienste mittelalten Wellnessern an.

Doch, halt! In einem kleinen Städtchen ist irgendwie die Zeit stehen geblieben. Denn hier gibt es sie noch: die Büromasseurin! Sie hat den rauhen Charme eines chinesischen Hammerwerfers, die heilende Kraft der Hände und quetscht nicht nur gern Muskeln sondern auch die zu Massierenden aus nach Gerüchtchen, Geschichtchen und Kleinstadttratsch. Man tut also gut daran, gelegentlich gequält aufzustöhnen, um unter dieser angenehmen Folter nicht zu plaudern. "So, das hätten wir auch", freut sich die Walküren-Walkerin, als meine Wirbelsäule drei Mal hintereinander laut und vernehmlich knackst. Nach der Massage schleifen meine Füße beim Gehen ein wenig über den Boden, und ich bin wieder sicher: Ich habe einen Rücken, der seine Funktion erfüllt.

In der Provinz gehen die Uhren ein wenig anders. Aber wir sind halt auch die analoge Bohème. Mittlerweile auch mit Büromasseurin.

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Erledigt.

Gesichter, Stimmen,
Namen verschwimmen.

Den ersten Arbeitstag habe ich gut überstanden. Werde ich jemals die Namen zum passenden Gesicht nennen können?

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LetzteRunde.

Ein Abschied von den Menschen, mit denen man über Jahre hinweg mehr Lebenszeit verbracht hat als mit dem Partner, kann berühren. Das war so in der Redaktion während der Medienkrise. Als ich ging, wollte ich eigentlich nicht gehen, musste aber um der Zukunft und des Anspruchs an das eigene Können willen. Und danach, in dem kleinen Unternehmen, das sich an den Rand des Abgrunds investiert hatte, ließ ich zwei ganz junge Menschen zurück, die Azubis, manchmal auch die meinen. Sie erinnerten mich immer an Welpen an der Schwelle zum jungen Hund. Laufen lernen.

Auch für mich. Die letzten Jahre waren ein ewiger Sprint, ein Galopp durch Deadlines, unterbesetzt, am Rand der Erschöpfung und darüber hinaus, Burnout nicht nur ein Wort sondern über Monate hinweg täglicher Begleiter bis kurz vorm Zusammenbruch. Das war der Beginn, darüber nachzudenken, ob die Lebens- und Arbeitszeit dort nicht woanders lebenswerter realisiert werden kann. Love it, change it or leave it. Steherqualitäten habe ich genug bewiesen.

Seit einer Woche betrete ich morgens das Büro, begrüße meine Nachfolgerin, die keine Ahnung hat, dass sie demnächst in einer anderen Abteilung arbeiten wird, den Kollegen, der noch nicht weiß, dass ihm die Umstrukturierung nicht den ersehnten Aufstieg bringen wird. Ich nehme einen Kaffee, lese meine E-Mails, arbeite meine Nachfolgerin weiter ein, delegiere Teilgebiete an andere Kollegen. Der Kopf ist da, das Herz schon nicht mehr dabei. Ich bin bereits fort. Jetzt noch Kuchen backen, Bleche, pikant und süß, und dann die Reste einpacken und gehen. Leichten Schrittes.

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