Gepflegte Vorurteile.

Vor einigen Tagen wurde mal wieder die sprichwörtliche Sau durch Berlin durchs Dorf getrieben. Namentlich Wolfgang Thierse machte sich wieder mal bekannt, indem er die natürliche Überlegenheit des Berliner Ureinwohners gegenüber dem gemeinen schwäbischen Zugewanderten anhand der Schrippenfrage betonte. Man darf getrost davon ausgehen, dass Thierse sich in seinem Alter öfter von Ungewohntem gestört fühlt. Das ist so, man erlebt es ja bisweilen bei den eigenen Eltern oder Schwiegereltern, dass sich da fortschreitend eine Ungehaltenheit gegenüber vermeintlich Jüngeren, Schnelleren, Fremden oder sonstwie der eigenen, kleinen Lebenswelt entwachsenen entwickelt.

Auch ich werde langsam alt und gebe hiermit meine sorgsam gepflegten Vorurteile unzensiert zum Besten.

Schwaben
Fangen wir an mit unseren schwäbischen Freunden. Ich bin in einem kleinen Dorf an der schwäbisch-badischen Grenze in den Kindergarten gegangen und verbinde daher mit allen Schwaben den Geruch nach verkochtem Gemüse. Wir wohnten im Badischen, während die schwäbische Kreisstadt samt Kindergarten nur einen Steinwurf entfernt dennoch eine ganze Welt weit weg war. Mit Badenern (und sagen Sie bloß nie Badenser, das geht gar nicht und bringt diese phlegmatischen Zeitgenossen dazu, Kriege zu beginnen) dagegen habe ich einen Grundkonsens: Wir riechen besser und trinken gern mal ein Viertele.

Bayern
Ich bin zwar in Oberbayern geboren, aber meine Verbundenheit mit dieser Region beschränkt sich auf die Vorliebe für gutes Bier. Der Menschenschlag der Bayern hat für mich den furchtbaren Makel, seit Jahrzehnten bevorzugt eine Partei zu wählen, die für Rückstand und Intoleranz steht. Daher kann ich Bayern nicht wirklich mögen.

Österreicher
Nehmen wir deren Nachbarn, die Österreicher. Hier erstrecken sich meine Vorurteile eher auf die Salzburger. Bei denen ist alles ja so plüschig! Die Stadt sieht schon aus wie eine Mozartkugel: klein, rund, irgendwie ein bisschen klebrig-vervettert und fett wird man dort auch schneller als anderswo. Deshalb sind sie wohl auch gern ein wenig selbstgefällig.

Brandenburger
Leiden entweder unter nostalgischen Minderwertigkeitsgefühlen allererster Güte ("früher war alles besser und jetzt verfällt hier alles, nur Berlin kriegt immer alles in den A*sch geblasen") oder unter Größenwahn. Schuld sind grundsätzlich immer nur die anderen, besonders "die in Brüssel" oder "die Wessis", den Hintern hochkriegen, ohne dass Fördermittel fließen, schaffen viele gar nicht.

Berliner
Berlin ist eine großartige Stadt. Multikulti, man kann im Schlafanzug auf die Straße gehen und sich eine rosa Feder durch die Nase ziehen - es interessiert keinen. Wenn nur nicht die ganzen Berliner wären, die meinen, andere Zugezogene seien unterträglich. Und dann diese Sprache! Icke, ditte, kieke mal, jotwedee, Alta, wat ha'ick jesacht, wa? Man möchte die Ureinwohner permanent dafür schlagen. Gern auch im Verbund mit den oben genannten Brandenburgern, deren schlimmstes Verbrechen an der deutschen Sprache die Konjugation von "heften" ist: Ick ha abjehoften. Unsagbar.

Sachsen
In punkto Jammern haben es den Brandenburgern nur die Sachsen voraus. "Nu, mir duhd olles so wäh" ist ein Standardsatz, fragt man mal nach dem Wohlbefinden. Immerhin bezieht sich die Klagefreude nur auf den Körper, ansonsten packen die Sachsen wirklich was und machen aus ihrem Ländchen ein Zuckerparadies mit besserem Bildungsstand als die meisten Bundesländer.

Hessen
Kommen Sie mir bloß nicht mit denen. Diese pseudo-joviale Art mit "Ei Gude" und "gell, isch hab disch gelle gern" ist fast unerträglich und dient in erster Linie dem Geschäftemachen. Den Hessen an sich interessiert nur das Geld, das ist ihr Gott, und das sage ich nicht nur, weil ich aus einer hessischen Kaufmannsfamilie stamme, die ihren Schnitt schon vor Jahrhunderten mit dem Verkauf hessischer Bauernsöhne in den Unabhängigkeitskrieg in Amerika machte.

Alles im Rheinland
Teile meiner Familie stammen aus dem Köln-Düsseldorfer Raum. Ich mochte, wie mein Großvater mich immer "lecker Mädschen" nannte, aber der Rest der Verwandtschaft war schlicht unerträglich. In punkto Grundbeleidigtsein stehen sie den Brandenburgern im Übrigen in Nichts nach. Nur dass sie sich jeweils untereinander gern die Schuld für das Ungemach der Welt geben. Aber wenn es um Köln geht, bin ich immer noch eher der Düsseldorfer Teil der Familie. Köln. Geht gar nicht.

Niedersachsen und Norddeutschland
Kann ich eigentlich nichts gegen sagen. Ich mag wortkarge Menschen. Hamburger dagegen, es tut mir wirklich sehr leid, sind ähnlich wie Hessen nur am Geld interessiert, tun aber bigotterweise so, als hätten sie keins.

Der Rest der Welt
Ach, den gibt's auch noch? Also gut: Dass ich gegenüber Thüringern, Saarländern und Pfälzern keine Vorurteile hege, liegt sicherlich schlicht daran, dass sie in absolut uninteressanten Bundesländern leben. Obwohl: Ich war mal mit einem Saarländer zusammen. Und der war nicht zurechnungsfähig.

Ansonsten gibt's ja noch andere. Franzosen sind arrogante, egozentrische Zicken (männlich und weiblich), Italiener haben ein echtes Problem mit der Wahrheit und Polen sind fast so leicht beleidigt wie Spanier. Mexikaner sind neben Chinesen und Israelis die lautesten Menschen der Erde, US-Amerikaner haben mit Russen die komplette Realitätsverweigerung gemein und Afrikaner sind mir so fremd wie Aliens (Chinesen auch, aber dort fahren moderne Züge).

Ich bin befreit. Endlich habe ich meine Vorurteile auch einmal anderen mitteilen können. Ach ja, als temporäre (Wochenend-) Bewohnerin des Prenzlauer Bergs kann ich Herrn Thierse nur Recht geben: Wecken gehen gar nicht. Semmeln muss man sagen. Wenn der Berliner Brötchen überhaupt könnte. Denn weder Brot noch Wurst sind hier wirklich gut. Lasst mehr Qualität rein.

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BettGeschichten.

Jaha, jetzt habe ich Sie aber erwischt! Bei dem Titel dachten Sie vielleicht, dass das Wortschnittchen ganz wie früher aus dem Näh- Bettkästchen plaudert, aber da ich ja in den sicheren Ehehafen ruhigere Gewässer gesegelt bin, gibt's hier keine horizontalen Geschichten mehr zu erzählen. Es sei denn.

Kennen Sie das? Sie teilen sich mit dem Ehegespons, dem Lebensgefährten oder dem Lebensabschnittspartner Nacht für Nacht knappe vier Quadratmeter und eigentlich hat man sich ziemlich gut in seinem Schlafverhalten aufeinander eingestimmt. In meinem Fall heißt das: getrennte Bettdecken und nicht Gesicht-zu-Gesicht einschlafen. Eine gemeinsame Bettdecke ist nur akzeptabel, wenn nicht einer der Schläfer die Rouladentechnik anwendet und sich innerhalb kürzester Zeit komplett die Decke aneignet. Was bei uns jedenfalls zu getrennten Decken geführt hat.

Ich wäre auf jeden Fall auch für getrennte Matratzen, wenn es sich irgendwie einrichten lässt. Der Mann schläft gern weicher als ich, also eher so Einsink-weich, während ich auch auf einem Holzbrett schlafen kann. Noch haben wir eine gemeinsame Matratze, aber ich arbeite daran. Und auch daran, dass wir nicht mehr Gesicht-zu-Gesicht einschlafen. Das irritiert mich, ich fühle mich beobachtet und kann schlecht schlafen. Nein, ich bin ü-ber-haupt nicht paranoid.

Übrigens: Wussten Sie schon, dass Depardieu jetzt die russische Staatsbürgerschaft angenommen hat? Das hat zwar jetzt nichts mit Bett- sondern eher mit Steuergeheimnissen zu tun, aber ich dachte, das sollten Sie wissen. Dank der Klimaerwärmung wächst in Sibirien sicherlich auch irgendwann Wein und genügend leere Flaschen sollten in Russland auch herumliegen.

Wie schlafen eigentlich Sie? Kommen Sie, mir können Sie's doch erzählen. Ich schweige auch wie ein Grab.

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Jahresendzeitfragebogen2012.

Letztes Jahr habe ich ja mit der Bloggerei pausiert, da sich einige Mitmenschen aus mir unerfindlichen Gründen bemüßigt fühlten, mich mit einigen, vermeintlich für sie interessanten Texten bei Chef und Kollegen in die Pfanne hauen zu wollen (erfolglos, da Chef(s) und viele Kollegen informiert sind über dieses Blog und es als eher irrelevant für die kollegialen Beziehungen erachten).

Ich musste mir darüber klar werden, ob ich die Lust am Ins-Internet-Schreiben von der minderentwickelten Fähigkeit Mancher über den eigenen Tellerrand hinausschauen zu können, abhängig machen möchte.

Nein. Ich möchte das nicht. Daher also vielleicht schon einmal vorweg genommen, die wichtigste Erkenntnis 2012: Ich mache, was ich für richtig halte. Wem's nicht passt - legt euch gehackt.


Also, auf in die neunte (zehnte) Runde! Wie 2010, 2009, 2008, 2007, 2006, 2005, 2004 und 2003, so auch dieses.

Zugenommen oder abgenommen?
Irgendwann habe ich den Entschluss gefasst, nicht mehr täglich auf die Waage zu steigen, um die mal 1 bis 2 Kilo mehr oder weniger zu feiern oder zu hassen. Seitdem nehme ich mal mehr oder weniger ab, bin aber noch einige Kilos von meinem absoluten Wohlfühlgewicht - versehentlich beinahe Wohnfühlgewicht geschrieben, stimmt aber auch - entfernt.

Haare länger oder kürzer?
Zu Beginn deutlich kürzer. Bis mir dann auffiel, dass ein kinnlanger Bob mit dünner Naturwelle nie so schön aussehen kann wie mit schnurgeraden, dicken Haaren französischer Austauschstudentinnen. Jetzt sind sie wieder fast Schulterlang und dabei wird's dann erstmal bleiben.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Immerhin ohne weitere Verschlechterungen gleichbleibend blind.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Weniger. Gut, der Mexiko-Urlaub war teuer, aber insgesamt habe ich mein Sparziel mehr als erreicht. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich ein Jahr komplett aus der "Affäre Geldverdienen" ziehen könnte ohne Angst vor Schulden zu haben.

Der hirnrissigste Plan?
Irgendwie gab es keinen hirnrissigen Plan. Seltsam. Das ist doch sonst nicht meine Art.

Die gefährlichste Unternehmung?
In einem Mangrovenkanal in Mexikos Süden zu schwimmen. Waren bestimmt irgendwo Krokodile dabei, obwohl der Guide versicherte, es sei komplett ungefährlich.

Das beeindruckenste Buch?
Ich habe so viele Bücher nicht gelesen und bin daher angemessen nicht beeindruckt.

Der ergreifendste Film?
Die Wand. Hält sich angenehm eng an die literarische Vorlage von Marlen Haushofer und punktet mit großartiger Martina Gedeck und Landschaft.

Das beste Theaterstück
Erstaunlicherweise gleich zwei, auch noch von eher "schweren" Dramatikern: "Ein Volksfeind" (Ibsen) und "Das Käthchen von Heilbronn" (Kleist), beide vom Hans Otto Theater Potsdam, das sich in dieser Spielzeit endlich zu einem eigenständigen Stadttheater mit Humor entwickelt hat.

Die beste CD?
Gleich drei. East. Editors. Manà. East entspannt, Editors sind super für das Laufband und Manà waren super für lange Überlandfahrten durch Yucatan.

Das schönste Konzert?
Kein Konzert. Aber ich freue mich auf BossHoss 2013.

Die meiste Zeit verbracht mit...?
Arbeiten. Leider.

Die schönste Zeit verbracht mit...?
Wie immer: dem Gentleman. Und seit 2011 ja auch dem Ehe-Gentleman.

Vorherrschendes Gefühl 2012?
Irritiert von Mitmenschen.

2012 zum ersten Mal getan?
Einen Transatlantikflug überstanden.

2012 nach langer Zeit wieder getan?
Nach 10 Jahren wieder auf ein Pferd gestiegen. Und Geschmack daran gefunden, meine Reitstiefel ausgemottet, vom Gentleman einen Pferdekalender zu Weihnachten bekommen. Noch Fragen?

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Missgünstige Mitmenschen, Unklarheiten und Rivalitäten im Job, Nichtanwesenheiten von Entscheidern.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Risiken einzugehen, auch wenn sie signifikant sind. Weil ich es will (und mich gut überwachen ließe).

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Fragen Sie den Gentleman. Der bekommt alles von mir!

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Liebe. Und wie immer: Der beste Reisekamerad zu sein, den ich mir vorstellen kann.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Wollen wir noch einen Abstecher machen?

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Klar, könnte interessant sein.

2012 war mit 1 Wort...?
Unregelmäßig.

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ReiterHosen.

Meine Frage "Mami, kann ich ein Pferd haben, bei Oma und Opa ist doch genügend Platz im Garten und Hühner haben sie auch nicht mehr?" im Alter von etwa neun Jahren wurde leider abschlägig beschieden, und Reitunterricht durfte ich wegen einer Hüftfehlstellung auch nur sporadisch nehmen. Heimlich half ich aber im Reitstall beim Ausmisten und durfte so dann und wann umsonst reiten. Als ich nach Berlin zog, waren mir die Reitstunden zu teuer. Das letzte Mal saß ich vor zehn Jahren in Polen im Sattel. Man kann also bei mir nicht wirklich von viel Reiterfahrung sprechen.

Umso schlimmer, dass mich das nicht davon abhält, Pferde zu mögen und den latenten Wunsch im Herzen zu tragen, doch mal wieder mit wehenden Haaren im fliegenden Galopp über abgeerntete Felder zu sausen. Und gerade im Urlaub auf einer sehr entspannten Insel im Norden Yucatans bahnte sich die Pferdenärrin in mir wieder den Weg und ich buchte einen Ausritt durch Mangroven und am Strand entlang.

Reithosen? Reitstiefel? Reitkappe? Fehlanzeige. Braucht man nicht. Pfft. Reichen auch eine ohnehin angeschmuddelte Dreiviertelhose und ein Strohhut. Falle eh nicht vom Pferd, die ja hier eher Kleinpferde sind. Und wenn, falle ich ins Wasser oder in den Sumpf. (Kennt jemand? Hoppe hoppe Reiter und so?)

Der nette mexikanische Guide versicherte mir, dass "Principe" genau das richtige Temperament für mich hätte, also ungefähr das einer Mettwurst. Sollte mir auch recht sein, obwohl sein Zosse ein wenig mehr Feuer in den Augen blitzen hatte. Ich schmeichelte mich bei Principe mit einem halben Apfel ein und bestieg ihn. Ein Westernsattel, soso. Ein Riesenknüppel vor mir für das Lasso, ich hängte da mal lieber meine Tasche an, in der ich noch weitere Äpfel bereit hielt für den Fall, dass Principe mir ein treues Tragtier sein würde. Die nächste Überraschung: recht kurze Zügel und eine imposant aussehende Kandare. Der Guide wies mich gleich darauf hin, dass man mit einer Hand reiten würde und stützte außerordentlich lässig die Rechte in die Hüfte. Gefällt mir. Dieses Lässigsein ist genau meins, vor allem, wenn ich im Galopp über abgeerntete Felder... Klar.

Wir ritten also los, staubige Wege entlang, durch tiefe Pfützen vom letzten Tropenregen, an deren Rändern winzige Krabben in Hundertschaften saßen und sich bei unserem Herannahen blitzschnell in die umliegenden Sträucher zurückzogen. Principe machte sich in einem gemächlichen Schritt mit mir vertraut und ich bemühte mich, mit einer lässigen Hand nicht zu sehr an den Zügeln zu rupfen, Kandare und weiches Pferdemaul, ist ja bekannt. Wir durchquerten Mangrovenwege und staunend konnte ich weiße und graue Reiher, Löffler und Pelikane auffliegen sehen. Mopedfahrer grüßten freundlich beim Entgegenkommen und mein Hinterteil fühlte sich in den Westernsattel ein. Ich. war. äußerst. lässig.

Aber konnte Principe auch mal ein bisschen schneller? So ein Zuckelschritt ist ja nicht besonders aufregend. Bei meiner umfassenden Reiterfahrung wusste ich natürlich, dass ein Tritt in die Weichteile manchmal Wunder wirken kann. Principe würdigte meine Bemühung mit einem leichten Zuckeltrab, der mich rüttelte und schüttelte, ich kam nicht mal dazu, eine korrekte Haltung einzunehmen oder leicht aus dem Sattel zu gehen. Am Ende der Mangrovenstrecke ruckte ich kurz an den Zügeln und Principe hielt gnädigerweise an. Der Guide wies auf eine Spur im Schlamm: "Crocodyle. Big. Nice animals." Ich freute mich über die Naturverbundenheit des Guides. Fressen Krokodile eigentlich auch Pferde samt Reiterinnen?

Wir ritten weiter, am Strand staksten in Wurfweite eine Menge pinkfarbener Flamingos herum und Pelikane tauchten nach Fischen. Eine leichte Brise machte die vormittägliche Hitze erträglich und mein Hintern fühlte sich schon fast mit dem Westernsattel verwachsen. Zeit also für ein bisschen Action. Der Guide sagte: "Okay, Lady, we are going to speed up!" Und trabte los. Principe spitzte die Ohren. Ein Zittern durchlief seinen Körper. Er peitschte noch einmal mit dem Schweif und gab Speed. Leichter Trab, pfft, schneller Trab, ha! kann ich auch! Unvermittelt wechselte er in Galopp. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das ging ja ganz schön schnell! Und wie war das damals noch mal? Ausreiten des Sattels oder so - aber warum ist der Sattel so schnell zu Ende und dieser Riesenknüppel da vor mir, warum haut der mir andauernd in die Scham? Nur nicht an den Zügeln reißen! Das arme Pferd, dem breche ich bestimmt gerade das Rückgrat mit meinem hin und her hoppelnden Gewicht! Wo ist die Bremse? Ich kralle mich am Knüppel fest, Anfängerhaltung hin oder her, egal. Wir galoppieren.

Der Strand ist viel zu schnell zu Ende, da macht Principe einen Satz nach rechts und folgt dem Guide, der auf einer Sandbank auf langsamer reitet. Durchs Wasser! Ich bin bis zur Hüfte nassgespritzt, das wird doch nicht noch tiefer, oder? Und die Krokodile! Haie! Hilfe. Aber auf Principe ist Verlass, ich bin sicher, ich bin ja auch nicht die erste Touristin, die er durch die Gegend juckeln muss. Leider muss ich ganz furchtbar grinsen und bekomme das Grinsen auch bis zum Ende der Tour nicht mehr aus dem Gesicht.

Für's Reiten gibt es übrigens eine Faustregel: Pro Stunde einen Tag Muskelkater. Und zwar der übelsten Sorte. Oben am inneren Oberschenkel. Ich war zwei Stunden unterwegs. Und lief fortan nur noch breitbeinig. Lag bestimmt an der schlechten Reithose. Ich probiere das demnächst nochmal im nahe gelegenen Reiterhof mit einer anderen Hose.

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SachenMachen.

Isa hat es vorgemacht: "Sachen machen" sollte man immer dann, wenn es genau gar keinen Grund gibt, sie zu tun, als den, dass man Lust dazu hat. Daher waren der Gentleman und ich heute in einem mexikanischen Zirkus.

Wir holen uns die Eintrittskarten schon am Nachmittag ab. Einlass sei um 20.30, sagt der Zirkusmensch, der uns die Karten verkauft. Jedenfalls glaube ich, dass er es sagt, denn ich spreche ja kaum Spanisch und mein passives Sprachverständnis täuscht mich gelegentlich ganz gehörig. Der Zirkus sieht von außen ganz genau so aus wie die Zirkusse (Zirken? Zirkeen? Egal.) meiner Kindheit. Jedenfalls die, welche nicht die großen Namen trugen, sondern auf dem Kirmesplatz im Vorort ihr Zelt aufschlugen. Ein Zelt, ein paar Wagen, davor ein Lama, ein Esel, ein paar Shetlandponies zum Neugierigmachen für die Kinder.

Nachdem wir pünktlich - klar, wir sind deutsch, das geht nicht aus uns heraus, auch in Mexiko nicht - um 20.30 am Zelteingang eintreffen, stehen etliche Golfbuggys mit Großfamilien herum, alles erzählt sich erst einmal was, die Kinder, Omas und Erwachsenen versorgen sich mit Knabbereien und Cola. Der Einlasser hält ein Pläuschchen mit, vermutlich, denn er trägt den dicksten Bauch und den buschigsten Schnurrbart, dem Bürgermeister, kurz: die Vorstellung fängt dann an, wenn alle bereit sind. Und das sind sie um 9.00, alles nimmt Platz: die Großfamilien auf der Tribüne, die präpubertären Kids in den ersten drei Reihen (wir auch! wir auch!), der Bürgermeister mitsamt Familie in der Tribünenmitte. Aber erst einmal muss noch am Popcorn-Stand Nachschub geholt werden. Dann geht es los.

Tusch! Die knarzige Verstärkeranlage spielt ein Stück aus "Die Väter der Klamotte", während sich die Scheinwerfer auf den samtblauen Vorhang, besetzt mit kleinen runden Spiegeln (die ich erst für CDs gehalten hatte) richten. Mein Blick geht nach oben - und ich sehe Sternenhimmel! Nur die Zuschauer sitzen unter einer Plane, die eigentliche Arena ist unter freiem Himmel. Wunderschön ist das, ganz luftig und leicht, eine Brise bewegt ganz sacht den Vorhang.

Aus dem kommt der Conferencier, eigentlich sieht er wie eine Mischung aus Ranchero und Buchhalter aus, aber er hat sein Publikum sofort im Griff, erzählt ein paar Schwänke, ruft "Applauso!" und kündigt mit viel Verstärkertechnik die Nummern an: Clowns, Artistik, Jonglage, nochmal Clowns, Bauernschwänke und Puppentheater und dann - Trommelwirbel! - "El Hombre de Lobo"! Der hat nichts mit dem namensgleichen Internetmenschen zu tun, sondern trägt zum Jeansanzug eine, nun ja, selbstgebastelte Wolfsmaske sowie Pelzhandschuhe. Der Wolfsmensch schaut düster ins Publikum. Die frechen Schulmädchen vor uns werden merklich fiepiger, eine guckt sich hektisch nach ihren Eltern und dem kleinen Bruder (auf der Tribüne) um. Dann - nochmal Trommelwirbel - wird eine längliche Kiste in die Manege gerückt. Erst zaubert der Wolfsmensch-Gehilfe eine Schlange hervor. Die ersten Mädels flüchten. Die dagebliebenen lachen sich schlapp. Dann holt er eine zweite aus der Kiste. Die Reihen vor uns leeren sich schlagartig. Beim dritten und größten Python sitzen nur noch die Klassencoolsten da und schauen sich erhaben nach den Geflüchteten um, während der Wolfsmensch die Schlangen erst ein bisschen ärgert, um sie hernach mit geöffnetem Maul zu küssen und in die Menge zu zeigen. Der Conferencier kommt wieder und verabschiedet den Hombre de Lobo mit lauten Rufen. So geht das bis 22.30, dann sind auch die Kinder müde, trotz der Cola, die sie in den Pausen getrunken haben. Mexiko ist ein Land der Colatrinker, soviel steht fest.

Wir haben uns glänzend unterhalten gefühlt, auch wenn wir nicht einmal fünf Prozent von allem verstanden haben. Sache gemacht, sehr gelacht. Das machen wir jetzt öfter. Nicht nur in Mexiko.

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Liebe Abgeordnete des Bundestags, liebe Volksvertreter!

Zunächst mal: Viele von Ihnen machen einen ganz guten Job. Es ist sicherlich nicht leicht, über Dinge zu entscheiden, von denen man als gewählter Volksvertreter nicht auf Anhieb die große Fachexpertise besitzt. Gern wird ja in den Medien der Populismus (kommt von Volk, ne, wisster Bescheid) bedient, wenn es um Entscheidungen zu Gesetzesvorlagen geht, die Ottonormalbürger ein "Hä?" entlocken müssen.

Aber für Ihre Beratung, sofern Sie nicht selbst eine juristische Ausbildung oder ein Fachstudium durchlaufen haben, gibt es andere Experten, die Ihnen den nötigen Input liefern, damit die Gesetztesvorlage ganz bestimmt den richtigen "Dreh" bekommt. Gutartige Mitmenschen nennen das Lobbyismus und im Idealfall bleibt ein vernünftiges Gesetz, das allen ein wenig nützt und nicht weh tut. Sie werden ja nur von den Experten beraten und nicht gekauft.

Kaufen kann man Sie, sofern Sie auf der Karriereleiter höher gestiegen sind, für gelegentliche Nebentätigkeiten, Vorträge, Aufsichtsratsposten, die doch manchmal mehr als selten, bei den Hauptauftragsgebern der Experten vergeben werden. Und das ist - nähme man Ihr vom Volk durch Wahlen verliehenes Mandat ganz genau - eine genehmigungspflichtige Arbeit neben Ihrer Hauptaufgabe. Ein Arbeitgeber müsste das angezeigt bekommen. Nehmen wir an, wir, das
Volk, seien Ihr Arbeitgeber. Sie müssten uns also erst einmal fragen. Und wären wir verantwortungsbewusst unserem Unternehmen gegenüber, so würden wir den Einfluss auf die Hauptaufgabe prüfen. In den meisten Fällen würden wir die Nebentätigkeiten nicht genehmigen. Sie bekommen ja auch genug Geld für Ihre Hauptaufgabe.

Verboten ist das natürlich nicht, denn das Unternehmen Deutschland ist keine Firma, die nach irgendwelchen nachvollziehbaren Grundsätzen geführt wird (naja, außer den Artikeln im von mir sehr verehrten Grundgesetz natürlich, man sollte überhaupt mehr Grundgesetz lesen, viel besser als Bibel und Barbara Cartland zusammengenommen). Aber dennoch fände ich es als Ihr Wähler sehr legitim, wenn nicht nur die ungefähre Höhe der Nebentätigkeiten anzeigepflichtig wäre, sondern auch die Auftraggeber. Denn irgendwie bin ich, als Ihr Wähler und, ja, als Volk, doch Ihr Arbeitgeber.

Daher, liebe Bundestagsabgeordnete, liebe Volksvertreter, legt alle Eure Nebeneinkünfte offen. Dann habe ich als Wähler vielleicht auch wieder mehr Vertrauen in Eure Arbeit.

Danke.

Euer Wortschnittchen.

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StaSie.

Wer sich bei Facebook oder anderen Social Media Portalen herumtreibt, kennt das Phänomen: Auf einmal gibt es auf der Seite Werbung, die sich ganz gezielt an den Nutzer der Seite richtet. Man hat eine bestimmte Band "geliket" und bekommt nun Angebote zu ähnlichen Musikangeboten. Oder man hat sein Alter irgendwo angegeben, seinen Wohnort, Urlaubsziel oder irgendeinen belanglosen Eintrag. Komisch, denkt sich der naive Mensch, der ja nur mit Freunden via Web kommunizieren wollte, wie kommen die Portalanbieter bloss zu den Daten und kennen mich so genau?

Ganz einfach: Jeder hinterlässt im Netz eine mehr oder weniger deutlich nachvollziebare Spur. Das kann einmal eben über in Portalangeboten anzuklickenden Kategorien für die Nutzereinteilung gehen oder über andere Tools. Mir zum Beispiel, wird ab und an auf Facebook der ein oder andere Bekannte aus der Heimatstadt oder der Kleinstadt, in der ich arbeite, als Freund angeboten. Da ich mir meine Freunde sehr genau aussuche, muss ich mich ja nicht befreunden, wenn ich nicht will. Aber Fakt ist: Da hat mich eine Datenkrake erfasst und speist mich in ihr Angebot ein.

Daneben gibt es aber auch noch die Möglichkeit, dem Nutzer bis hinein in die Firmengeschichte zu folgen. Wenn also zum Beispiel Mitarbeiter X öfter auf einer bestimmten Webseite ist, geht er über seinen Firmenaccount - und hier darf man nur sagen: Obacht! Denn in den meisten Firmen, und dazu gehört die meinige, ist die private Nutzung des Firmen-PCs verboten, das mussten die Kollegen unterschreiben. Es lässt sich mittels einfacher Kniffe herausfinden, wo wann welcher Mitarbeiter gesurft ist.

Aber auch ich zum Beispiel kann nachvollziehen, woher der Besucher dieses Blogs kommt, mit welchem PC er mich besucht hat und noch einiges andere Schnickedöns dazu. Ich bin also relativ gut im Bilde, wer mich liest und wer nicht. Das kann ich auch für andere sehr klar dokumentieren. Wenn ich wollte.

Aber wer will schon bei seinen Kollegen Stasi spielen? Ich nicht. Aber schön, dass Ihnen mein Blog so gut gefällt. Ich kenne Sie.

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Liebe Stillende,

ich finde es wunderbar, dass Sie für den Fortbestand der menschlichen Spezies gesorgt haben. Ich liebe Kinder und hätte gern selbst eines oder mehrere. Kleine Kindergesichter sind - schon aus verhaltensbiologischen Gründen - ein steter Quell der Freude. Vor allem, wenn die Kleinen lächeln. Das tun sie naturgemäß nur, wenn sie mit sich und der Welt im Reinen sind. Ein guter Grund dafür ist, keinen Hunger zu haben. Und hier kommen Sie, liebe Stillende, in die Pflicht.

Ich finde es vollkommen natürlich, Kinder zu stillen. Ganz ohne Zweifel ist es gut für die Kleinen, ihr Immunsystem und ihre Entwicklung. Auch für die Mutter-Kind-Bindung soll Stillen sehr wichtig sein. Also: Stillen Sie!

Aber, und jetzt kommt die böse, kinderlose Grete ins Spiel: Unterlassen Sie dies bitte vor meinen Augen an öffentlichen Orten in der Form, dass Sie Ihre Brust (in voller Pracht) aus dem Hemde zerren und Ihrem Kind in den Mund schieben. Ich bin garantiert kein prüder Mensch und habe in meinem Leben so manche Frauenbrust bewundern dürfen, aber ich bitte um ein wenig mehr Dezenz. Drehen Sie sich in Nicht-Still-Cafés um, um sich selbst, ihrem Kind und mir ein wenig Schutzraum zu gönnen!

Wenn ich meine Nase putze, niese oder huste, halte ich auch höflicherweise meine Hand davor, nutze ein Taschentuch oder drehe mich um, damit meine Mitmenschen nicht unmittelbar mit meinen Körperausscheidungen konfrontiert werden.

Es gibt im Übrigen auch Milchpumpen, mit denen man sich für einen Ausflug ins Café einen kleinen Fläschchenvorrat zulegen kann. Das mag die zweitbeste Lösung sein, sollte es Ihnen aber ermöglichen, den Nachwuchs genau dann mit Nahrung zu versorgen, wenn er sie benötigt.

Ansonsten: Seien Sie auch weiterhin ein höflicher, umgänglicher Mensch. Drehen Sie sich einfach ein bisschen zur Seite.

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AltersKultur.

Beruflich habe ich ja etwa einmal im Monat mit Horden von Senioren zu tun. Nicht, dass Sie erschrecken müssten, nein, es handelt sich um überaus freundlich gesinnte Rentner. Sie reisen in Bussen an, um Kulturveranstaltungen zu besuchen und man muss sich halt kümmern. Das ist eigentlich nicht besonders kompliziert, denn früher, so erzählen sie mir bisweilen, früher sei es noch viel komplizierter gewesen ins Theater oder in ein Konzert zu kommen. Zumal nicht immer ein verfügbares Transportmittel - wir sprechen hier von Individualverkehr mit 18 Jahren Liefer-Wartezeit - vorhanden war. Also zogen die Damen und Herren ihre Stiefel und dicken Jacken an, verpackten die feinen Schuhe in einen Beutel und stiegen auf den LPG-Lastwagen, um ins meistens doch weit entfernte Theater zu gelangen. Aber dafür sei das Ticket ja viel günstiger gewesen...

Heute holt der Bus sie an der gewohnten Haltestelle ab, und am Bus ist die Bezeichnung ihrer Tour angebracht, damit es keine Vewechslungen mit der Gruppe aus der Nachbarortschaft geben kann. Er spuckt sie am Theater aus, wo sie meistens noch ein Stückchen Kuchen oder Torte (bitte mit Sahne, ganz wichtig!) und eine Tasse Kaffee zu sich nehmen, bevor sie sich ganz ungehemmt dem Kulturgenuss hingeben können.

Gemeckert wird eher selten bei einer guten Zwei-Hundertschaft unter meiner Organisation. Meistens fragen sie nach einer Ersatzkarte ("Ich finde sie einfach nicht mehr, ich bin schon ganz verzweifelt!") oder wünschen sich für die kommende Saison mehr Oper, Operette, Theater... - was gerade eben nicht im Abonnement vorhanden ist. Auch wünschen sie weniger Wiederholungen, mehr Wiederholungen und vor Allem: keinen neumodischen Kram! Für zumindest einige Wünsche bekommt man eine Lösung hin, andere hingegen liegen in der Hand vieler weiterer Menschen, die auch nicht immer können wie sie wollen.

Gelobt wird eigentlich selten. Auch die Senioren haben nach 22 Jahren Kapitalismus den Konsum ganz gut gelernt. Da freut es einen natürlich ganz besonders, wenn eine nicht mehr ganz so rüstige Dame auf mich zukommt und sich mit Tränen in den Augen bedankt, wie schön es doch sei, dass alles für sie organisiert werde und man ihr für ihre letzten Monate so viel Freude bereiten würde. Moment! Ihre letzten Monate? Genau. Die Dame erwartet den Tod. Sie wisse noch nicht genau, ob sie die ganze Spielzeit durchhalten würde, aber sie werde es versuchen. Denn sie liebe Theater so sehr, es sei immer wieder etwas Neues in den Stücken zu entdecken.

Ich schiebe ihr den Rollator in eine andere Ecke, damit sie nach der Vorstellung leichter das Haus verlassen kann. Hoffentlich kann ich im Alter auch noch so viel Leidenschaft für Kultur aufbringen. Es fällt mir jetzt schon manchmal schwer genug. Man sollte sich öfter aufraffen, denke ich, und freue mich auf den Theaterbesuch in der kommenden Woche.

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KulturTauchbad.

Wenn Sie es einrichten könnten, werte Leser, dann reisen Sie doch demnächst einmal nach Krakau! Diese zauberhafte Stadt im historischen Galizien und heutigen Südpolen ist eine charmante Mischung aus Vilnius, Bologna und Berlin-Friedrichshain. Nicht nur, dass dort eine ganze Menge junger Menschen aus aller Welt studieren und feiern und es überhaupt kein Problem sein sollte, jeden Abend in einer anderen Bar eine ziemlich nette Live-Musik zu hören (je-den A-bend, man schläft hier nicht), nein, in Krakau kann man auch hervorragend Kultur bestaunen und essen. Genau: Kultur essen!

Ich beherzige bei meinen (und des Gentlemans) Reisen immer den alten chinesischen Grundsatz: "Man kann alles essen, was vier Beine hat, es sei denn, es ist ein Tisch, alles essen, was fliegt, es sei denn, es ist ein Flugzeug..." Undsoweiter, undsoähnlich. Essen ist für mich der Schlüssel zu einer fremden Kultur. Wie sorgsam mit den Grundmaterialien umgegangen wird, sagt doch schon eine Menge aus über die Landeskultur.

So servierte man uns in unserem ersten Restaurant Pierogi mit Pilzen und Kraut, Zwiebelsuppe und einen Appetizer, von dem ich nur vermuten kann, dass das was mit Hüttenkäse und / oder Schmalz war, aber auf jeden Fall etwas, in dem ich dereinst gern einbalsamiert würde. (Restaurant KogelMogel, ul. Sienna)

Den zweiten Morgen verschliefen wir, auch, weil wir sehr früh am vorvergangenen Tag aufstehen mussten, um den Flug nach Krakau zu bekommen. Das Hotelfrühstück im Saski (ul. Slawkowska, liegt superzentral, Free Wlan, aber man wünscht dem verstaubten Charme des Hotels doch einmal eine ordnende Hand und einen guten Klempner) geht nur bis 10:30, also mussten wir ein vernünftiges Frühstückscafé finden. In Krakau eher kein Problem, also wanderten wir nur einige Schritte ins Camelot (ul. Tomasza), wo wir in einem stilvollen Ambiente versorgt wurden.

Natürlich stopften wir noch etliche Kringel (obwarzanki) oder Baguettes (zapiekanki) in uns hinein, denn so ein Tag mit Besuch im ehemaligen jüdischen Stadtteil Kazimierz fordert Tribut. Aber wenigstens hatten wir abends schon wieder Hunger und stillten diesen auf sehr angenehme Weise im Kawaleria (ul. Golebia) mit Wildschweinfilet in Pflaumensauce mit Knödeln und Schweinelenden in Moosbeerensauce. Damit wir nicht verhungerten, gab's vorher noch Zwiebelsuppe und kleine Käsequiches. Den Abschluss machten Käsequarkcreme und geminzte Schokomousse. Begleitet wurde das Essen von einem rauchigen Roten, der sich angenehm im Hintergrund hielt.

Ich bin ja keine versierte Foodbloggerin wie Anke Gröner oder die Kaltmamsell - das scheitert schon daran, dass mir jedes technische Verständnis für die Zubereitung fehlt -, aber das "große Fressen" in Krakau verdaue ich gerade, also werden Sie, werte Leser, leider mit den verbalen Ausscheidungen meines Kurzbesuchs konfrontiert. Fürs Schöne, für Supertexte und Fotos, gehen Sie bitte einmal bei den genannten Damen oder Stevan Paul vorbei - hinterher ist man sehr hungrig, kann aber auf ein paar leckere Rezepte zurückgreifen.

Den Montag hielten wir mit einem leckeren Eis und einer heißen "Wawel"-Schokolade durch, natürlich stilecht auf der Terrasse in der Königsburg mit Blick über Podgorze genossen und dann noch bei sanftem Wind und angenehmen, sonnigen 22 Grad. Die Krypta der Kirche, in der neben Chopin und anderen wichtigen Dichtern und Komponisten, den polnischen Königen auch der in Smolensk abgestürzte Lech Kaczynski samt Frau bestattet ist, haben wir uns recht schnell ebenso wie die Burg an sich gespart. Dort trieben sich die Touristenmassen wie ein Lindwurm hindurch, samt schlechter Gerüche.

Gute Gerüche indes kann man im Chimera (ul. sw Anny) schnuppern. Oben Salatbar und Vegi-Restaurant, gibt's im plüschigen Keller auch Fleischiges - eine Küchen-Chimäre, eben. Der Gentleman putzte die Lammkeule mit Rosmarinkartoffeln und Rotebeete-Schnitzeln nach einem sehr erdigen Barschtsch tapfer weg. Die Bedienung hatte vorher extra noch gefragt, ob im 450 Gramm nicht doch zu viel seien. Weit gefehlt! Mein Kaninchen in Sauerrahmsauce war ebenfalls auf den Punkt gegart, aber mir hätte die Keule neben dem Rückenstück gereicht.

Am letzten Abend wollten wir nach einem Besuch in der sehr sehenswerten Ausstellung in der Emaille-Fabrik von Oskar Schindler unbedingt noch einmal in Kazimierz essen, in einem der jüdischen Restaurants. Wir fanden mit viel Glück im "Once upon a Time in Kazimierz" einen Platz. Das Restaurant ist dunkel, gemütlich und erstreckt sich über drei nebeneinander liegende ehemalige Ladengeschäfte. Wir nahmen Tschalynt (Brei aus Linsen, Gemüse und noch mehr Uffjefechtem) und Ente in Cranberry-Sauce, die beide recht ordentlich schmeckten. Aber den krönenden Abschluss gab's dann mit einer weiteren Variante eines Quark-Käsecremekuchens mit Rosinen und Feigen - eine extrem leckere Geschichte.

Alles in allem ist Krakau eine runde, quirlige, elegante und kulinarisch vielfältig ausgestattete Stadt. Unser Kulturtauchbad hat uns bestimmt einige Kilo mehr beschert - jedes davon war einen Besuch Krakaus wert!

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