Antrag

Wie einfach wäre es doch, wenn man für bestimmte Aussagen des Lebens Stempel nutzen könnte. Anfragen, Kenntnisnahmen, Ablehnungen - alles reduziert auf ein bisschen Tinte und einen kurzen, kräftigen Stempeldruck. Derjenige, um den es geht, wüsste genau um dessen Aussage. Ohne lange Überlegungen hätte man etwas Schriftliches, an dem man sich orientieren, auf das man sich berufen könnte.
Ich schaue mal, ob ich den Stempel "Zur Wiedervorlage" in "Zur Freigabe" umtauschen kann.

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Frage

Erst ist da nur dieses leise Kratzen, dann ein stetiges Schaben und Schleifen. Immer mehr wird abgetragen, es bröckelt, erodiert. Verzweifelt versuche ich, die Klumpen aufzusammeln, damit das Kunstwerk nicht zerstört wird. Ich kitte, ich gebe neuen Mörtel dazu. Vergebens. Bis nur noch ein ganz kleiner Rest übrig ist. Lohnt es sich noch, dafür zu kämpfen? As long there is love, it is worth, sagt mein Kollege. Aber ist da noch was? Hallo? Jemand zuhause? Ich horche, auch in mich hinein. War da ein Echo? Nein? Dann geh ich mal wieder zum Lachen in den Keller.

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Erfindung

Als ein Ex-Freund Physik studieren wollte, freute ich mich: Schön, endlich kann mal jemand für die Erfindung sorgen, die ich gern hätte. Leider hörte er nach zwei Semestern auf und wechselte zu VWL. Heute ist er ein erfolgreicher Unternehmensberater und ich warte immer noch auf meine Erfindung: den Beamer.
Und zwar genau den, der in diversen Raumschiff-Episoden ermöglicht, die Menschen herbei zu beamen, mit denen man am besten lachen und weinen kann. Gestern hätte ich ihn dringend gebraucht.

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Rat

"Man kann von einem Verhungernden nicht gefüttert werden."

Mangelernährung und fette Zeiten in steter Abwechslung. Mir ist schlecht.

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Irrtum

Als ich heute Morgen im Hof mein Fahrrad losbinden wollte um zur Arbeit zu fahren, machte ich eine erschreckende Entdeckung: Es war nicht mehr da. Scheiße, dachte ich, geklaut. Dabei war es eine so alte Möhre, dass sogar der Fahrrad-Mechaniker meinte, es gäbe so gut wie keine Ersatzteile mehr für dieses Modell.

Voller Ärger musste ich wohl oder übel das Auto nehmen, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, endlich mehr zu radeln. Auf dem Weg fiel mir dann siedendheiß ein: Mein Fahrrad steht offensichtlich immer noch dort, wo ich es am Samstag abgestellt hatte. Vor dem Café, wo ich mich nach einem netten Stündchen mit Herrn Sebas ebenso nett verabschiedete. Um dann frohgemut nach Hause zu laufen. Ich werde wohl langsam senil.

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Mono(un)log

"... ja, und dann sind wir nach Friedrichshain... nur schlechte Musik (er meint Drum and Bass)... genauso wie im White Trash (stimmt, da gibt es wirklich ausgesucht schlechte Musik)... und die waren alle so jung da... die kennen die 80er Jahre nur aus den Retro-Versionen von heute (ja, früher)... wir haben immer eine Runde Tequila nach der anderen (selbst schuld)... in der U-Bahn gab es Freibier für Mitarbeiter... anstrengend, das (kurzer Zwischenschlaf)... dann bin ich eine dreiviertel Stunde mit dem Fahrrad... aber als ich in der U-Bahn-Station Prenzlauer Berg (gibt es nicht)... dann noch dieser Typ, der Freund von (hier wird es langsam undeutlich)..."

Nachher eine halbe Stunde nicht schlafen können vor Freude darüber, dass er es trotz dieses begnadeten Zustandes bis zu mir geschafft hat. Gutes Zeichen.

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Meinungen

Es kotzt mich an. Nachdem sich der Firmenchef zu einer Modernisierung der gesamten Außendarstellung durchgerungen hatte, sollte auch das Logo endlich generalüberholt werden. "Machen Sie mal", lautete die hoffnungsvoll stimmende Order.

Ich machte. Suchte eine Grafikerin, die sich viel Mühe gab. Sehr viel Mühe. Für den Pauschalbetrag verdammt viel Mühe. Die ständige Änderungswünsche klaglos und mit Humor ertrug und in stetig neue Kreativergebnisse umsetzte. Das Endprodukt: rund, dynamisch, modern, trotzdem die Tradition nicht missachtend.

Mit dem Erfolg, dass eine einzige Meinung, geäußert von einer in den Wechseljahren steckenden, zickigen Frau, deren eigene Versuche eines Logoentwurfs nur Scheiße ergeben hatte, die Arbeit von zwei Wochen unter den Tisch fallen ließ.

Manchmal verliere ich den Glauben. Dann beiße ich die Zähne zusammen, unterdrücke heldenhaft den Impuls, die Gute mit einem einzigen Fausthieb ihrer Hormonprobleme zu entledigen und lächele. Machen Sie mal. Irgendwann tu ich's.

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Genug

„Ruf mich doch nicht immer gleich an“, sagte er.
„Dann schreib mir eben keine SMS“, antwortete ich.

Wieso denkt er, dass einer Frau 160 Zeichen reichen um das aktuelle seelische Befinden zu beschreiben?

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Sucht

Wenn man aus einer geleerten Packung Jamaica Rum Kugeln mit viel Mühe die letzten Schokostreusel herausschüttelt und einen Tobsuchtsanfall bekommt, wenn sie am Mund vorbei rieseln - ist das dann ein Indiz für Abhängigkeit?

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LuftundLiebe

Runter kommen sie immer, erklärt der ältere Herr am Rande der Startbahn freundlich. Toll, denke ich, das beruhigt ungemein. Etwas zweifelnd betrachte ich mehrere Starts und Landungen der Segelflieger. M., der mir den Gutschein zu Weihnachten geschenkt hat, sieht mit wesentlich mehr Vorfreude zu.
Nach eineinhalb Stunden Autofahrt von Berlin in die tiefste Brandenburgische Provinz ist mir ohnehin mehr nach einem Badesee denn nach Fliegen.

Der ältere Herr, braungebrannt, einen ziemlich lächerlichen Stoffhut auf dem Kopf, nickt mir zu: „Jetzt bist du an der Reihe“. Und in seine Hände werde ich mich begeben. Hoffentlich hat er vom Fliegen mehr Ahnung als von Hutmode. Beim Einsteigen in den zweisitzigen „Bergfalken“ taucht das erste Problem in Form einer unbedingt mitreisen wollenden Wespe auf. Der ältere Herr, der sich mittlerweile als „Lolo“ (Lothar) und mein Pilot vorgestellt hat, erledigt die Wespe und verdient sich mein erstes Vertrauen. Obwohl - kann man jemandem trauen, der Lolo genannt wird und dessen enge Vereinsfreunde auf nicht minder blöde Kurznamen wie Ebi, Winnie und Traudi hören?

Ein Grund, aber kneifen ist feige, also bleibe ich im Flieger hinter Lothar. Kurze Erklärung der Instrumente, ein beruhigendes „Jetzt wird’s gleich ein bisschen steil“, das Windenseil strafft sich - und es geht ab in die Luft. Schneller als erwartet, mit gut 4 Meter pro Sekunde schießt der Flieger in die Höhe. Ebenso schnell steigt mein Adrenalinspiegel. Mein Herz! Kurzes Aussetzen. Dann schlägt es wieder, rasend schnell, zitterndes rechtes Bein, es wird die nächste halbe Stunde nicht mehr aufhören.

Ein heftiger Ruck. In 400 Metern Höhe klinkt sich das Windenseil aus. Kurzzeitig denke ich an den Notfallschirm, überlege, ob ich nicht lieber gleich springe. Aber dann: Wir steigen kreisend im Aufwind. 500, 700 Meter. Bis auf 1000 geht es hoch. Bei mir macht sich mittlerweile der Magen bemerkbar. Aber noch habe ich ihn unter Kontrolle. Geht ja gar nicht. Als Engel wäre ich wohl die absolute Fehlbesetzung. Ich würde ständig aus den Wolken kotzen.

Als der Höhenmesser 1000 Meter anzeigt, fliegen wir. Immer Richtung Jüterbog, Felder und winzige Gebäude unter uns lassend. In der Ferne wächst die Cargolifter-Halle wie ein Riesenpickel aus der Landschaft. Plötzlich taucht neben uns ein Bussard auf, bleibt eine Weile auf gleicher Höhe. Ich starre ihn an. Er starrt zurück. Denkt sich wohl: Arme Irre! Ich habe das gleiche Gefühl wie beim Tauchen, bin nur Gast in einem fremden Element.

Als ich mich gerade entspanne, kommt der nächste Schock. „Jetzt fliegst du“, sagt Lolo. Ich? Nee. Echt nicht. Spinnt der? Er nimmt die Hände vom Knüppel. Ich muss wohl. Und fliege. „Schön gleichmäßig, immer die Nase gerade“, sagt er. Ich halte mein (und sein) Leben in der Hand. Mein rechtes Bein zittert fleißig. Ganz so nervenstark wie ich dachte bin ich wohl doch nicht. Aber ich fliege. Ganze 10 Minuten darf ich steuern, mal eine Linkskurve angehen, mal nach rechts. Dann übernimmt er wieder und macht noch einen kleinen Scherz: Nase nach unten, mit 150 Sachen in die Kurve und noch mal steil nach oben. Ich lache, jauchze, würde ihm am liebsten in die Ohren brüllen. Toll ist das!

Unten sanft gelandet, denke ich, dass es eines der schönsten Geschenke war, die ich je bekommen habe. Danke, M.

Photos von M., der sich nach mir in die Lüfte geschwungen hat.

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