FrauenTango.

Wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, sind wir ja alle ein wenig gespalten, aus den unterschiedlichsten Gründen. Frau Koma schrieb darüber anlässlich einiger Vorträge zum Digital Media Women Day. Am besten gefiel mir das Zitat von Sheila Marcelo: It’s not important, be just a leader.

Was das in der Praxis bedeutet, haben Frau Engl, Frau Casino und Frau Kopffüssler und ich mal beim Queer-Tango in der Tanzschule bebop geprobt. Da ging es - nach einigen Practicas zu Beginn - für mich als sonst immer vom Mann geführte Tänzerin nämlich genau darum, sich von der passiven Rolle zu verabschieden. Was nicht heißt, dass Frau Engl nicht eine probate Führungsfigur ist! Nein, ganz im Gegenteil - sie umschiffte gekonnt versunken in der Laufrichtung tanzende Paare und sah sehr ladylike über meine tänzerischen Tango-Unkenntnisse hinweg.

Nachdem wir uns ein wenig eingegroovt hatten, forderte ich die Tangokennerin Frau Casino auf - und musste mich erst einmal in die Führungsrolle einfügen (Frau Casino ist überdies noch einige Zentimeterchen größer als ich). Sehr ungewohnt, das Ganze! Aber ich gewöhnte mich schnell daran, die Richtung anzugeben, Hinweise zu geben, welche Figur - von den ungefähr eineinhalb, die ich überhaupt kann - ich denn gern getanzt hätte. Führen ist doch gar nicht so schwer, denke ich noch, und dann lassen wir das doch lieber sein für den Rest des Abends, zumal mich die Grippeviren da schon fest im Griff hatten.

Aber um zum Ausgangspunkt zurück zu kommen - es ist vollkommen unerheblich, welche Chromosomen man mitbekommen hat - führen muss man wollen, man muss Biss haben, die richtigen Hinweise/Befehle geben und es sollte Spaß machen! Vielleicht sollte man an den Universitäten einfach mal Tangokurse für Frauen anbieten...

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GeWöhnung.

Die Stationen in der Klinik teile ich mittlerweile in die Kategorien harmlos, ernst und Vorhof zur Hölle ein. Der Fahrstuhl bringt mich regelmäßig in den Vorhof zur Hölle. Hier wird's für die Insassen nicht nur ernst, sondern richtig ernst. Hier geht es um Leben und Tod, man erkennt es schon am Präfix des Stationsnamens. Für mich ist es der Vorhof zur Hölle, auch wenn sich das furchtbar drastisch anhört.

Fast alle Patienten tragen sichtbare Krankheitszeichen: kahle Schädel oder Kapuzenpullis bei Ausflügen in die Caféteria-Ecke. Transportable Chemopumpen werden durch die Gegend geschoben. Auch die besuchenden Angehörigen tragen schwer an den Krankheitszeichen ihrer Lieben. Hier sieht man öfter besorgte und traurige Augen, bemühtes Lächeln. Es belastet, Energie für geliebte Menschen aufzuwenden denen die Lebensenergie gerade ein wenig abhanden geht. Es macht traurig. Es macht mutlos. Es gibt auch wenig Traurigeres als Menschen zu sehen, die beginnen, sich an Krücken und ein leeres Hosenbein zu gewöhnen. Zum Heulen.

Ich habe Glück, denn meinem Liebsten geht es besser als den meisten hier. Bei ihm habe ich den festen Glauben daran, dass er wieder gesund wird. Dann ist der Besuch im Vorhof zur Hölle nur die Erinnerung daran, dass Gesundheit das Wichtigste im Leben ist. Neben der Liebe, natürlich.

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WillenLos.

An Tagen wie diesen, an denen die Gedanken im Kreis wandern, an solchen Tagen verfluche ich das Los des freien Willens. Entscheidungen, getroffene und lang zurück liegende. Frei getroffen und doch bestimmt von einer Grundangst, die den Willen beeinflussen musste. Das Los muss ich tragen, bis die Gedanken zur Ruhe gekommen.

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Die Sache mit dem Papst.

Wenn ich richtig gerechnet habe, ist der nächste Papst mein fünfter. Die ersten beiden habe ich nicht mitbekommen - zu jung. Erst mit dem skifahrenden Papst aus Polen setzt meine klerikale Zeitrechnung ein.

Da war der Pfarrer, dessen unsittliche Fingerchen sich gern an kleinen Ministranten und Kommunionsanwärtern vergingen und der aus dem Munde roch wie der Höllenschlund. Schon allein deshalb - denn der Pesthauch drang durch die Gitter des Beichtstuhls - versuchte ich, mich möglichst fern zu halten von diesem Kirchendiener.

Dann kam der Religionslehrer, dessen einziges Begehr zu sein schien, den immer noch im Klassenzimmer vorhandenen Rohrstock, nunmehr Zeigestock genannt, auf den Tisch zu schlagen, wenn man gelegentlich seine Gedanken schweifen ließ. Und ich sah oft verträumt aus dem Fenster, saß doch der N. im evangelischen Religionsunterricht zwei Räume über Eck entfernt und ich konnte mir gut einbilden, dass er dort saß und durch die Fenster meine Sehnsucht spürte.

Nicht zu vergessen dessen Nachfolger, der uns erst einmal Filme von abgetriebenen Föten zeigte, die Krankheiten aufzählte, die man sich bei unsittlichem Verhalten unbedingt und sicher wie das Amen in der Kirche zuzöge. Der uns 14-Jährige fragte, ob wir es denn schon getan hätten und ob wir wüssten, dass das direkt in die Hölle führte. Da hatte ich gerade meinen ersten Kuss (mit Zunge!) bekommen und fand die Hölle eigentlich ganz verführerisch. Also entschloss ich mich, die eigentlich notwndige Firmung abzusagen und den Religionsunterricht nicht mehr zu besuchen.

Zu guter Letzt dann noch diverse Kardinäle, deren weltfremde Einlassungen über Homosexualität, Frauen in der Kirche, Selbstbestimmung und Reformen schlicht dazu führten, dass ich der Kirche kein Geld mehr geben wollte.

Alles in allem haben insbesondere die Kirchenvertreter dafür gesorgt, dass ich nicht an einen Gott glauben kann und die Kirche als staatlich subventionierte Institution ablehne. Es ist aber auch das System katholische Kirche, das über Jahrhunderte gewuchert ist wie ein Geschwür, kaum zu durchschauen, kaum zu beherrschen oder gar zu reformieren.

Deshalb glaube ich, dass ein neuer Papst nichts ändern wird. Die katholische Kirche hat ein veritables Personalproblem auf allen Ebenen. Habemus Papam statt Habenmuss Fortschritt.

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VerWundert.

Die Freundin spricht es deutlich aus: "Ich konnte es mir einfach nicht mehr vorstellen." Und das ist das Schlimme daran, dass man es sich nicht mehr vorstellen kann. Dass es irgendwo im Alltag verschwunden ist. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir früher die bewundernden Blicke aufnahmen, die glitzernden Momente, in denen sich ein Man-könnte-wenn-man-wollte anbahnte um dann doch nicht mitgenommen zu werden. Das Bewusstsein, Wirkung zu erzeugen, elektrische Impulse, ohne sie erfüllen zu müssen.

Uns pfeifen keine Bauarbeiter hinterher - nicht, dass wir das jemals gewollt hätten, denn eigentlich ist das zu billig und viele würden es als Alltagssexismus bezeichnen. Irgendwann ist uns der Zauber abhanden gekommen, der Zauber der Jugend, des Verführenkönnens.

Selbst wenn wir es wollten, denn eigentlich sind wir zufrieden mit dem Leben wie wir es uns ausgesucht haben, selbst dann: Irgendwann in den letzten Jahren zwischen Mitte dreißig und Anfang vierzig haben wir vergessen, wie das geht.

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WahlFreiheit.

Immer, wenn ich solche und solche Nachrichten zu Gesicht bekomme, geht es mir schlecht. Schlecht, weil ich es kenne, wenn Menschen sich unaufhaltsam in die Sucht-Spirale verabschieden.

Man hofft, man glaubt, man negiert, schließlich kämpft man, setzt auf kalten Entzug, ruft den Notarzt, lässt einweisen. Holt die Flaschen aus den Verstecken. 19 Flaschen waren es - Wein, Bier, auch eine Cognacflasche. Immerhin: nur die guten Marken, kein Schund. Aber es macht nichts besser, denn das nächste Mal kommt. So sicher wie das Amen in der Kirche kommt der Anruf, bei dem sich nichts mehr unter Kontrolle halten lässt. Ich bin Schuld an allem, sowieso, und ich soll sie nie wieder anrufen, sie in Ruhe lassen und was ich letztes Weihnachten gesagt habe, es sei verwahrlost und der Hund und die Katze besser im Tierheim aufgehoben - infam! Auch er ist Schuld, hat ihr die besten Jahre geraubt, aber er ist nicht erreichbar, nicht mehr für sie.

Sie hasst. Ohne Distanz, ohne Kontrolle. Weil ihr die Sucht, die Krankheit keine Wahl mehr lässt.

Vielleicht bin ich deshalb so kontrolliert. Dass es mir nicht auch passieren möge. Man hört so einiges von der genetischen Veranlagung. Hat man die Wahl?

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Stories & Places.

Wenn Sie, werte Damen und Herren, neugierig sind, was andere so zu bestimmten Orten zu erzählen haben, dann gehen Sie doch mal zu Stories & Places, einem wunderbaren Projekt der wunderbaren Kitty Koma. Lesen Sie!

Und machen Sie mit! Ist einfach und macht Spaß.

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Frage.

Was ich schon immer mal wissen wollte:

Warum stehen vor den Eingangstüren des Regionalexpress/der S- und U-Bahn/an Bussen immer die Einsteigewilligen so dämlich, dass die Aussteigewilligen sich den Weg nach draußen freiboxen müssen?

Ist das ein biologisches Verhaltensmuster (weg da, ich jage nach einem Platz!)? Oder schlechte Kinderstube? Oder mangelnde Intelligenz? Und: Darf ich die am dichtesten Stehenden auch mal ein wenig beiseite schubsen? Oder ist das unhöflich?

Bitte, beantworten Sie mir diese Fragen. Danke.

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ErLeichterung.

Der Patient klingt wie ein versoffener Bierkutscher. Aber er klingt.

Wie wäre die Welt geworden, wenn er nicht mehr hätte klingen können? Sie wäre stumm geworden für mich, dunkel, düster, licht- und leblos. Aus mir wäre eine Hülle geworden, denn er hätte das Leben mitgenommen aus sich, aus mir.

Wenn ich glauben würde, hätte ich jetzt jemandem zu danken. Aber so bin ich nur glücklich und erleichtert, dass der Patient sich anhört wie ein versoffener Bierkutscher.

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Gepflegte Vorurteile.

Vor einigen Tagen wurde mal wieder die sprichwörtliche Sau durch Berlin durchs Dorf getrieben. Namentlich Wolfgang Thierse machte sich wieder mal bekannt, indem er die natürliche Überlegenheit des Berliner Ureinwohners gegenüber dem gemeinen schwäbischen Zugewanderten anhand der Schrippenfrage betonte. Man darf getrost davon ausgehen, dass Thierse sich in seinem Alter öfter von Ungewohntem gestört fühlt. Das ist so, man erlebt es ja bisweilen bei den eigenen Eltern oder Schwiegereltern, dass sich da fortschreitend eine Ungehaltenheit gegenüber vermeintlich Jüngeren, Schnelleren, Fremden oder sonstwie der eigenen, kleinen Lebenswelt entwachsenen entwickelt.

Auch ich werde langsam alt und gebe hiermit meine sorgsam gepflegten Vorurteile unzensiert zum Besten.

Schwaben
Fangen wir an mit unseren schwäbischen Freunden. Ich bin in einem kleinen Dorf an der schwäbisch-badischen Grenze in den Kindergarten gegangen und verbinde daher mit allen Schwaben den Geruch nach verkochtem Gemüse. Wir wohnten im Badischen, während die schwäbische Kreisstadt samt Kindergarten nur einen Steinwurf entfernt dennoch eine ganze Welt weit weg war. Mit Badenern (und sagen Sie bloß nie Badenser, das geht gar nicht und bringt diese phlegmatischen Zeitgenossen dazu, Kriege zu beginnen) dagegen habe ich einen Grundkonsens: Wir riechen besser und trinken gern mal ein Viertele.

Bayern
Ich bin zwar in Oberbayern geboren, aber meine Verbundenheit mit dieser Region beschränkt sich auf die Vorliebe für gutes Bier. Der Menschenschlag der Bayern hat für mich den furchtbaren Makel, seit Jahrzehnten bevorzugt eine Partei zu wählen, die für Rückstand und Intoleranz steht. Daher kann ich Bayern nicht wirklich mögen.

Österreicher
Nehmen wir deren Nachbarn, die Österreicher. Hier erstrecken sich meine Vorurteile eher auf die Salzburger. Bei denen ist alles ja so plüschig! Die Stadt sieht schon aus wie eine Mozartkugel: klein, rund, irgendwie ein bisschen klebrig-vervettert und fett wird man dort auch schneller als anderswo. Deshalb sind sie wohl auch gern ein wenig selbstgefällig.

Brandenburger
Leiden entweder unter nostalgischen Minderwertigkeitsgefühlen allererster Güte ("früher war alles besser und jetzt verfällt hier alles, nur Berlin kriegt immer alles in den A*sch geblasen") oder unter Größenwahn. Schuld sind grundsätzlich immer nur die anderen, besonders "die in Brüssel" oder "die Wessis", den Hintern hochkriegen, ohne dass Fördermittel fließen, schaffen viele gar nicht.

Berliner
Berlin ist eine großartige Stadt. Multikulti, man kann im Schlafanzug auf die Straße gehen und sich eine rosa Feder durch die Nase ziehen - es interessiert keinen. Wenn nur nicht die ganzen Berliner wären, die meinen, andere Zugezogene seien unterträglich. Und dann diese Sprache! Icke, ditte, kieke mal, jotwedee, Alta, wat ha'ick jesacht, wa? Man möchte die Ureinwohner permanent dafür schlagen. Gern auch im Verbund mit den oben genannten Brandenburgern, deren schlimmstes Verbrechen an der deutschen Sprache die Konjugation von "heften" ist: Ick ha abjehoften. Unsagbar.

Sachsen
In punkto Jammern haben es den Brandenburgern nur die Sachsen voraus. "Nu, mir duhd olles so wäh" ist ein Standardsatz, fragt man mal nach dem Wohlbefinden. Immerhin bezieht sich die Klagefreude nur auf den Körper, ansonsten packen die Sachsen wirklich was und machen aus ihrem Ländchen ein Zuckerparadies mit besserem Bildungsstand als die meisten Bundesländer.

Hessen
Kommen Sie mir bloß nicht mit denen. Diese pseudo-joviale Art mit "Ei Gude" und "gell, isch hab disch gelle gern" ist fast unerträglich und dient in erster Linie dem Geschäftemachen. Den Hessen an sich interessiert nur das Geld, das ist ihr Gott, und das sage ich nicht nur, weil ich aus einer hessischen Kaufmannsfamilie stamme, die ihren Schnitt schon vor Jahrhunderten mit dem Verkauf hessischer Bauernsöhne in den Unabhängigkeitskrieg in Amerika machte.

Alles im Rheinland
Teile meiner Familie stammen aus dem Köln-Düsseldorfer Raum. Ich mochte, wie mein Großvater mich immer "lecker Mädschen" nannte, aber der Rest der Verwandtschaft war schlicht unerträglich. In punkto Grundbeleidigtsein stehen sie den Brandenburgern im Übrigen in Nichts nach. Nur dass sie sich jeweils untereinander gern die Schuld für das Ungemach der Welt geben. Aber wenn es um Köln geht, bin ich immer noch eher der Düsseldorfer Teil der Familie. Köln. Geht gar nicht.

Niedersachsen und Norddeutschland
Kann ich eigentlich nichts gegen sagen. Ich mag wortkarge Menschen. Hamburger dagegen, es tut mir wirklich sehr leid, sind ähnlich wie Hessen nur am Geld interessiert, tun aber bigotterweise so, als hätten sie keins.

Der Rest der Welt
Ach, den gibt's auch noch? Also gut: Dass ich gegenüber Thüringern, Saarländern und Pfälzern keine Vorurteile hege, liegt sicherlich schlicht daran, dass sie in absolut uninteressanten Bundesländern leben. Obwohl: Ich war mal mit einem Saarländer zusammen. Und der war nicht zurechnungsfähig.

Ansonsten gibt's ja noch andere. Franzosen sind arrogante, egozentrische Zicken (männlich und weiblich), Italiener haben ein echtes Problem mit der Wahrheit und Polen sind fast so leicht beleidigt wie Spanier. Mexikaner sind neben Chinesen und Israelis die lautesten Menschen der Erde, US-Amerikaner haben mit Russen die komplette Realitätsverweigerung gemein und Afrikaner sind mir so fremd wie Aliens (Chinesen auch, aber dort fahren moderne Züge).

Ich bin befreit. Endlich habe ich meine Vorurteile auch einmal anderen mitteilen können. Ach ja, als temporäre (Wochenend-) Bewohnerin des Prenzlauer Bergs kann ich Herrn Thierse nur Recht geben: Wecken gehen gar nicht. Semmeln muss man sagen. Wenn der Berliner Brötchen überhaupt könnte. Denn weder Brot noch Wurst sind hier wirklich gut. Lasst mehr Qualität rein.

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