Körperlich.

Lieber Körper,

ich habe lange geschwiegen, aber heute ist der Tag gekommen, an dem wir miteinander reden sollten. In letzter Zeit haben sich einige Misstöne in unsere Zweisamkeit geschlichen.
Das liegt sicherlich auch an mir, aber du reagierst immer so leicht über. Ich meine, so eine Blasenbildung wie letztens, als du auf dieses harmlose Pflaster mit einer Kontaktallergie vom Feinsten reagiertest, das muss doch nicht sein. Schon gar nicht an BEIDEN Füßen.
Oder die kleinen Sonnenpickelchen, die du gestern Abend hervorgezaubert hast, nach einem langen Tag in der Wärme, die mir nur wohl tun sollte. Hey, früher warst du doch auch nicht so! Da bist du anstandslos braun geworden. Ja, du musst gar nicht rot werden! Das bisschen Sonne.
Und wie war das letztens, als der Stress im Büro ein bisschen viel wurde, und du meintest, jetzt sei der richtige Augenblick für Herzrasen und Schwindelanfälle? Ja, genau. Das war unpassend. Du weißt, wie wichtig mir der Job ist.
Außerdem, und hier finde ich, dass du wirklich absolut und unglaublich übertreibst: Warum produzierst du jedes Mal, wenn ich auch nur leicht an einer Stuhlkante entlangschramme oder mit dem Schienbein gegen den Schreibtisch stoße, ein Hämatom, das auch im Frauenhaus als Aufnahmegrund ausreichen würde? Alter, sagst du? Alter? Geht's dir noch?! Ich bin gerade mal 35, in der Blüte meiner Jahre und ich sehe, das weiß ich aus berufenem Munde, noch einige Jährchen jünger aus. Nix da also mit schwachem Bindegewebe. Reicht schon, wenn du mir so ein paar Fältchen in die Augenwinkel gezaubert hast und die rechte (warum ausgerechnet die? Sonst machst du es doch auch möglich, dass ich immer symmetrisch Pickel auf beiden Gesichtshälften bekomme!) Schläfe sehr viel mehr weiße Haare hat als die linke. Nee, ehrlich.

Lieber Körper, das eine sag ich dir: Wenn du so weitermachst, sind wir bald geschiedene Leute.

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Rivadiva.

Kennen Sie das Gefühl, dass Sie sich in einem Film befinden? So in einem Hollywoodschinken der 50er oder 60er Jahre, als Stil noch nichts mit Retro zu tun hatte, sondern mit Experimenten und Neugier? Aus dieser Zeit stammt ein Bootstyp, der Herzen aller Wassersportfans höher schlagen lässt: die Riva. Feinstes Holz für die Deckplanken, verchromte Armaturen und dann noch türkisfarbene Polsterung im Sitzbereich, der sich im Übrigen auch noch zu einer komfortablen Liegewiese umklappen lässt. Der Chevrolet unter den Motorbooten. Auf diesem Chevrolet räkeln sich in den folgenden zwei Stunden Kollegin I und ich und geben die Diven auf der Riva. Leute kennt Kollegin I!

"Kannst du mal übernehmen", fragt der Bootseigner nach dem ausgiebigen Sonnenbad, denn ich hatte vollmundig angegeben, den Sportbootschein Binnen A zu besitzen. Toll, denke ich, jetzt kannst du dich mal so richtig blamieren und scanne im Geiste meine Haftpflichtversicherungssumme ab. Das letzte Mal, als ich ein Motorboot fuhr, war bei der Führerscheinprüfung.

Ich fasse vorsichtig nach dem Lenkrad, gebe noch vorsichtiger Gas - und falle fast hintenüber! Die 180 PS tänzeln unter mir wie ein edles Rennpferd mit einer Überdosis Hafer im Magen. Und dann beginnt ein Höllenritt, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Der Bootseigner neben mir gibt ohne Rücksicht auf meine schrillen Schreie Gas, während ich mich am Lenkrad festklammere und versuche, die wilden Bocksprünge des Wasserpferdes so gut wie möglich abzufedern ohne gleichzeitig in die doch recht belebte Fahrrinne der Berufsschiffahrt zu geraten.

Nach fünf Minuten schreie ich nach mehr Gas. Nach weiteren fünf Minuten mache ich dem Bootseigner einen Heiratsantrag, den dieser dankend ablehnt. Was soll's! Ich wollte sowieso nur die Riva. Ob Hollywooddiven auch einen Sonnenbrand auf der Nase bekamen?

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Frogmobil.



Meins. Und nächstes Wochenende klemme ich mir den Typen unter den Arm und fahre ans Meer.

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Traumkultur.

Meine REM-Phase dazu genutzt, alte Rechnungen zu begleichen. Durch eine Landschaft gewandert, deren Fliegenpilzkulturen rechts und links des Weges hoch wie Bäume wuchsen. Sehr hübsch. Zwei Ex-Freunde ermordet. Der Traum als Konsolidierung des Gedächtnisses, las ich bei Wiki.

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Phänomen.

Zirkulierende Wellensittiche

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Namen-Los.

"Bjarne!! Milla!! Kommt Ihr bitte endlich!"

Kinder heißen heute wie IKEA-Möbel.

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Bei-Fall.

Wenn selbst der von mir sonst sehr geschätzte Henryk M. Broder im Morgenkommentar auf Radio Eins offen sagt: "Ja, ich freue mich, dass Sarkawi tot ist", könnte man natürlich beipflichten. Wenn Journalisten bei Bekanntgabe der Todesnachricht auf einer öffentlichen Pressekonferenz klatschen, könnte man auch zustimmend nicken.

Schließlich war Sarkawi ein Terrorist der übelsten Sorte. Ein Halsabschneider, ein Fanatiker. Gut, dass er weg ist, könnte man sagen. Da braucht es auch kein ordentliches Gerichtsverfahren. Das jüngste Gericht wird sich schon um diesen Verbrecher kümmern.

Dennoch blieb mir ein Müeslibrocken im Halse stecken. Sich freuen, und zwar öffentlich, Beifall klatschen in großer, live übertragener Runde, über den Tod eines/mehrerer Menschen, finde ich von zweifelhafter Ethik.

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Mobbinggedanken II.

In einer eskalierenden Situation immer darauf achten, dass der Chef in der Nähe ist. Und immer sachlich bleiben. Auch wenn's der neue Kollege nicht mehr ist.

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WM-Grinsen.

Ich könnte ja jetzt so tun, als ob es mich vollständig kalt ließe, dass ich nächsten Donnerstag Olof Mellberg sehen kann, live und in Farbe und very, very important. Ich tu's aber nicht. Soll ich Fotos machen, Frau Spreepiratin?

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Mobbinggedanken.

Der neue Kollege macht sich unbeliebt. Sehr, sehr unbeliebt.

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Gewissen.

Letztens habe ich mir ja mal ein paar Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit gemacht. Nun plagt mich mein Gewissen, trage ich mich doch mit dem Erwerb eines nicht ganz schadstoffarmen VW Bully Camper. Natürlich könnte ich ihn nachrüsten lassen. Natürlich würde ich die knapp 2,8 Tonnen nur am Wochenende bewegen. Und natürlich würde ich immer darauf achten, nicht zu schnell zu fahren (bei 61 kW ohnehin nicht die Welt).

Aber nachhaltig, nein, nachhaltig ist das nicht. Es ist ein dekadenter Luxus, dessen Schadstoffausstoß ich teuer mit meinen Steuern bezahlen müsste, und den wir alle später ebenfalls teuer bezahlen müssen, weil jedes Molekül, das ich in die Luft geblasen habe, zu einer Verschlechterung unserer Zukunft beiträgt.

Andererseits: Ich lebe. Manchmal ungewöhnlich, manchmal spinnert. Und dazu gehört dieses kleine Stück erkaufte Freiheit der Fortbewegung. Allein der Tagtraum, am Wochenende den Camper zu schnappen, irgendwohin ans Meer zu fahren und sich den Wind um die Nase wehen zu lassen...

Halten Sie mich ruhig für verschroben, öko oder sonstwas, weil ich mir diese Gedanken mache. Aber es ist mein Gewissen, und das plagt mich.

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Litblogger.

Oh, Gott! Hab' ich wirklich in meiner Grotesken-Moderation so etwas wie "Blogger halten sich ja ohnehin für Literaten" gesagt? Schande über mich.

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Bauchgefühle.

Der Bauch weiß es zuerst, immer.

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Familienfeste.

Vorbei sind sie, die Zeiten, in denen es jährlich wenigstens eines dieser Feste gab, zu denen die gesamte buckelige Verwandtschaft anreiste, um fürstlich zu tafeln, bereitwillig die berühmten Perlen und Saphire oder doch wenigstens die goldenen Manschettenknöpfe zu tragen, es musste ja keiner wissen, dass der Juwelier des Vertrauens in einer heimlichen Aktion die SS-Runenzeichen aus der Oberfläche tilgte und nunmehr zwei glattpolierte, unschuldige Verschlüsse fürs edelleinerne Hemd zur Verfügung standen. Und alle kamen zusammen, um nicht zuletzt einer allen gemeinen Leidenschaft zu frönen: dem Klatsch und Tratsch, den nur eine Familie produzieren kann, die über mehr als zehn Mitglieder verfügt.

Die bösen Nattern des missgünstigen Klatsches, übers Jahr gehegt und gepflegt in einem Terrarium aus Rüschengardinen und Sofadeckchen gleich wie die wertvollen Geschichtenblumen, deren Duft von großen, nie ausgelebten Passionen kündet, alle, alle werden zwischen Ochsenschwanzsuppe und Sachertorte auf den Tisch gebracht und geschluckt und verdaut.

Wie hätten wir sonst von der verhängnisvollen Verbindung zwischen Onkel und Nichte erfahren? Oder mit atemloser Spannung der Beweisführung in einem Fast-Mord gelauscht, den der Sohn am Vater verübt haben soll – mittels eines außer Rand und Band geratenen Gabelstaplers? Manchmal brauchten die nicht unmittelbar Betroffenen viele gute Schnäpse, um den Gehalt der Geschichten genau zu erkennen. Dann flossen, gleichsam mit jedem Stamperl, wieder neue Geschichten aus den Mündern, um sich am Ende des Festes in einem Strom zu vereinigen, der stets ein fruchtbares Land des Familiensinns hinterließ. Bis zum nächsten Fest.

Aber, ach!, sie sind versiegt, die Ströme der alten Geschichten, denn auch diese Familie wie aus einem Buch gibt es nicht mehr. Nur noch eine letzte Chronistin, deren Gedächtnis langsam auslöscht, was ihr begierig lauschendes kindliches Ohr über Jahre hinweg aufgenommen. Man sollte es wirklich aufschreiben, sagt sie manchmal und denkt dann, wie schade es ist, dass es niemanden mehr gibt, dem sie diese Geschichten erzählen könnte.

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TorEros.

Wenn Frauen über Fußball sprechen, hören Männer besser weg. "Totti, also furchtbar, dieses Stirnband. Aber einen Hintern hatte der", "Nö, ich fand diesen spanischen Torhüter besser, den mit den baskischen Wurzeln. Der hatte so etwas von, kann ich gar nicht beschreiben, aber so eine verhaltene Glut kam da immer rüber, wenn er den Ball zurück ins Spiel gab", gern auch: "Ballack. Ball-ack, sag ich nur".
Was dem Mann Bananenflanke oder Heber, ist den Damen die Frisur oder die Ausbildung des Gluteus Maximus ihrer O-beinigen Helden.

Wer wird der Schönste der WM 2006?

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Grumpyday.

Heute bin ich den Italienern sehr dankbar für die Erfindung der Caffetera. Mille grazie.

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Wortunbildung.

Noch so ein Wort, das mir in meiner langen BWLer-Karriere bisher erspart blieb und jetzt auf ewig meinen Sprachschatz verunreinigen wird: Ausphasen.

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Naturheilung.

Ein Grundsatz der Naturheilkunde besagt: Gleiches bekämpfe man mit Gleichem. Als neugieriger und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen nicht abgeneigter Mensch (Leistungskurs Biologie!) prüfe ich solcherlei Weisheiten gern auf ihren Wahrheitsgehalt.
[Klugscheißernder Einschub Goethe: Und mit ganz besondrer Klarheit forscht sie stetig nach der Wahrheit [/Klugscheißernder Einschub Goethe]*
Nehmen wir zum Beispiel das allfrühjährlich auftretende Phänomen der Gewöhnungsblasenbildung. Draußen sprießen Blumen, Triebe und anderes, drinnen sitzt die hormonell angeschickerte Frau und überlegt, wie sie ihren Frühlingsgefühlen am besten Ausgang verschaffen kann.
Ha! Neue Schuhe müssen her. Und Socken, Socken brauchen wir ja jetzt nicht mehr, ab 15 Grad verzichten wir auf das lästige Übel. Der Kausalzusammenhang ist klar: Neue Schuhe führen zu Glücksgefühl (Hygienefaktor). Neue Schuhe führen zu Blasen. Blasen führen zu Pflastereinsatz. So weit, so gut. Wo war ich? Ach ja: Gleiches mit Gleichem heilen. Die Pflaster sind beschichtet. Die Beschichtung führt zu großflächiger Blasenbildung. Die neuen Schuhe zieht frau jetzt erstmal nicht mehr an. Blasen verschwinden umgehend. Beweis erbracht.

* Aus dem Gedächtnis zitiert, anderer Urheber und anderer Wortlaut möglich

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Geheimnis.

Jeder hat wohl so seinen persönlichen Atavismus. Mein letzter Rest Äffischsein besteht aus drei Barthaaren, die immer fröhlich abwechselnd sprießen. Und die ich ebenso akribisch wie genervt mit der Pinzette entferne. Wie gesagt, sie kamen immer abwechselnd, und ich hatte gut zu tun.
Plötzlich aber - wie auf Verabredung, diese Schlingel - wachsen sie gleichzeitig. Ich rätsele noch am Geheimnis der drei Barthaare. Wenn mir demnächst ein Schwanz wächst: Wieviel kostet ein Zimmer im Zoo?

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Nomadin.

Um mich herum paart, baut und menschelt es, dass die Petunien vor Glück beinahe vom Balkonsims springen. Immerhin: Ich habe mir ein Sofa gekauft. Ein Sofa! Im Farbton 'fawn'. Worauf hat Frau Wortschnittchen denn bis jetzt ihr edles Gesäß gebettet, werden Sie sich fragen, werte Leser. Nun, es war wohl einmal ein Sofa. Ein schwarzledernes, im Stil des italienischen Minimalismus, aber wenigstens halbwegs geeignete Bettstatt für vielerlei Besucher. Heute ist es ein zusammengekrachter Haufen Schrott. Das Gewicht zweier nicht mehr ganz juveniler Hinterteile verbog die Beine endgültig, ließ den Rahmen splittern und machte mir ein für allemal klar: Die Zeiten des Nomadendaseins sind vorbei. Ein Sofa, ach, was!: Eine Sitzlandschaft muss endlich her, denn hier bleibst du, wirst nicht mehr wandern, reisen, nach Neuem suchen. Berlin sei deine Heimat, hier werden deine Söhne geboren.
Nun also gehört mir Calvados. In Fawn. Ein Faun, wer Schlechtes dabei denkt. Oder muss ich jetzt einen 'Sofa-Blogger'-Button einfügen?

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Mittagsfraß.

Nachdem ich meine mittäglichen Besuche in der Kantine des Grauens aufgrund unklarer Symptome im Magen-Darm-Trakt eingestellt habe, koche ich selbst. Das heißt: Ich koche vor.
Leider bin ich keine große Köchin. Für den Eigenbedarf reicht mir normalerweise ein Käsebrot oder etwas Gemüse, in Butter gedünstet mit einer Haube aus geriebenem Emmentaler. In letzter Zeit jedoch überkommt mich bei den Vorbereitungen der Ehrgeiz. Ich experimentiere mit Gewürzen, Mengen und Kochzeiten, was mitunter zu absurden und optisch wie olfaktorisch wenig überzeugenden Ergebnissen führt.
Gestern bot mir Kollegin II die Hälfte ihres Mittagessens an.

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