Ich schicke voran: Dies ist ein Jammerbeitrag. Ein halber.
Woran ich merke, dass ich altere? In den letzten 12 Monaten saß ich so oft bei Ärzten im Wartezimmer wie in den letzten 12 Jahren davor nicht mehr. Von den Zähnen über die Hormone waren alle Körperteile an meinem Ungemach beteiligt bis hin zum schlimmsten anzunehmenden Fall, dem schleichenden Verlust meiner verbliebenden Sehfähigkeit. Mittlerweile begrüßt man mich in diversen Praxen per Handschlag und drückt mir meine bevorzugten Frauenzeitschriften bereits am Empfang in die Hand.
Aus diesen weiß ich nun, dass die Jeansjacke wieder in ist. Sienna Miller trägt sie zu Blümchenkleidern, Mischa Barton zu Koksrändern unter der Nase und ich, ich trage sie ins Büro. Wo doch prompt der Kollege aufmerkte und sagte: "Oh, Jeansjacke." Im Tonfall von Oh-sie-lebt-noch oder Ach-das-war-ja-auch-mal-in. Nun frage ich mich - wenn schon ein Mann ein Kleidungsstück bemerkt - ob das ständige Sitzen in Wartezimmern nicht einen viel schlimmeren Einfluss auf meinen Alterungsprozess hat als die Krankheiten. Oder bin ich jetzt erst richtig krank?
Ich glaube, ich habe Vintage.
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Auch wenn Frau Modeste und Frau Kaltmamsell ihr Journal inzwischen wieder eingestellt haben - da scheint es ihnen wie allen Tagebuchschreibern zu gehen: die eigene Existenz ist dann doch im Alltag nicht ganz so unalltäglich, um sie zu publizieren -, langweile ich Sie jetzt einfach noch ein wenig weiter. Ich übe schließlich erst wieder, die Blogpause hat mich des öffentlichen Äußerns entwöhnt und ich muss nun langsam wieder die Balance suchen, das zu schreiben, was auch tatsächlich gefahrlos an die Öffentlichkeit dringen darf und das zu lassen, wo der Maulkorb geraten scheint. Immerhin lasen und lesen die Chefin und einige Kollegen fleißig mit.
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Gestrigen Abends saßen die Lieblingstierärztin und ich mitsamt dem Tierarztsäugling auf dem Balkon und betranken uns ein wenig mit Mojito. Der Tierarztsäugling bekam selbstverständlich nur die halbe Dosis.
Ich bin ja nicht so die vordringlich an Kindern Interessierte. Mangels strapazierfähiger Hörnerven ebenso wie eigener körperlicher Voraussetzungen, aber das Kindchenschema funktioniert bei mir natürlich bestens. T., zu Beginn seiner Lebenslaufbahn ein nicht unbedingt ansehnliches, hilfloses Würmchen mit beinahe nicht ausreichender Kraft zum Atmen, sieht nun wirklich wie ein süßes Baby aus. Die Lungenkraft ist nun stark genug für Unmutsäußerungen - und wie viele so ein Minikind im Laufe eines Abends haben kann!
Die Lieblingstierärztin drückte mir irgendwann das greinende Bündel Mensch in den Arm und meinte: "Jetzt bist du dran!" Nun saß ich mit einem äußerst irritierten T. auf der Balkonbank und begann, ihn hin und her zu wiegen, leise Gurrlaute auszustoßen und ansatzweise ein längst vergessenes Kinderlied zu summen. Statt weiter lauthals zu schreien wie es angesichts meiner Sangesfähigkeiten geraten schien, schloß T. die Augen und schlief ein.
Ich bin jetzt offiziell als Kinderflüsterin der Lieblingstierärztin anerkannt und darf gern wiederkommen.
Nahrung: Von allem etwas zuviel.
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Wenn die Synapsen
nach Sauerstoff japsen
ja, dann ist Sommerzeit!
Wenn die Beine anschwellen
sich die Schultern pellen,
ja, dann ist Sommerzeit!
Wenn die Mücken sirren
uns des Nachts verwirren
ja, dann ist Sommerzeit!
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Mehr fällt einem mitunter bei der derzeitigen Hitze nicht mehr ein.
Nahrung: Müsli mit Cranberries, Milchkaffee, ein Viertel Fladenbrot mit Mozzarella und Tomate (die sogenannte "Leckerecke" des hiesigen Bäckers, nun ja.), großer Mischsalat, etliche erbettelte Bissen vom Harzer Käse-Brot des Gentleman, Orangensaft.
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Der Tag wird üblicherweise nicht wirklich gut, wenn man erst gegen halb drei einschlafen konnte. Aber, Schreck in der Morgenstunde, wenn unverhofft eine Terror-Rentnerin vor dem Vorderrad auffliegt, ist man wenigstens wach. Gleich einer Rebhenne gackerte sie etwas über Fahrradfahrer auf dem (mit Radweg kombinierten) Bürgersteig und schwang ihren Stock.
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Vor dem Urlaub habe ich mir vorgenommen, den täglichen Kaffeekonsum etwas einzudämmen. Kaum wieder im Büro, sieht mich die Kaffeemaschine so anklagend an. Manchmal glaube ich an eine emotionale Beziehung zu Maschinen. Mein Fön, zum Beispiel, mag mich nicht. Ich ihn aber auch nicht.
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Natürlich tut es mir leid, dass der Praktikantin gekündigt werden musste. Aber manchmal ist ein Schrecken mit Ende besser als fünf Wochen mit einem unwilligen Mitarbeiter, der durchaus zu mehr fähig ist, aber einfach den Weg zur falschen Firma gefunden hat.
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Mit meinem Vater telefoniert und ihm angeboten, bei den Vorbereitungen zur großen Jubelfeier zu helfen. Es wird ein Erlebnis sein für uns beide. Gemeinsam etwas zu machen, das über eine kurze Stippvisite, einen Kaffee oder ein Abendessen hinausgeht. Das hatten wir 25 Jahre nicht.
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Mein Monatshoroskop Juli verspricht mir einen finanziellen Extra-Bonus. Hehe! Außerdem eine Verbesserung meiner Gesundheit durch eine neue Behandlungsmethode. Da ich demnächst wieder einmal eine Krisensitzung beim Augenarzt haben werde, erhoffe ich mir eine neue Sicht auf die Dinge. Wäre doch schön, wenn ich linksseitig wieder mehr als nur verschwommene Schatten sehen könnte, zumal das Blutgerinnsel drückt und bisweilen schmerzt. Horoskope stimmen doch immer, oder?
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Nahrung: Müsli mit Bananenchips und Cranberries, Milchkaffee, Hühnchen mit Mangosauce und Basmatireis, Fanta, Salat, Joghurt, Nektarine.
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Dieses Journaldingsschreiben finde ich sehr entzückend, haben doch Frau Modeste und Frau Kaltmamsell vorgemacht, wie so etwas überaus launig und charmant zu bewerkstelligen ist. Ich fange mal mit dem Üben an. Nach einer solch langen Blogpause fließen die Gedanken nicht eben mal so aus den Fingern.
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Sehr stolz bin ich derzeit auf mich, fahre ich doch jetzt jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit. Und das rechnet sich. Vorher musste ich an jeder Ampel warten. Mit dem Fahrrad rase ich wie ein Schwein und bin um fünf Minuten eher da.
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Ein gewisses Erwartungsgefühl gehabt, ob die neue Praktikantin sich tatsächlich die gestrige Ansage Arbeitsbeginn sei um 9:30 zu eigen gemacht haben würde. Nur um zehn Minuten zu spät. Ich Erbsenzähler, ich. Wenn da nicht noch die (inter)kulturelle Profilneurose der Dame wäre.
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Nach fünfzehn Minuten Mittagspause in der Sonne war die rechte Schulter rotglänzend gar.
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Fahrradfahren kann auch richtig blöd sein. Besonders, wenn ein gewisser Petrus aus irgendeinem Grund seine Wolken über einem auswringt.
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Mit der Lieblingstierärztin telefoniert und im Hintergrund das Tierarztkind schreien gehört. Man ist ja doch irgendwie zufrieden mit dem eigenen Leben.
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Polnische Vokabeln gelernt. Pasja und Milosc gefallen mir gut.
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Nahrung (Achtung, das Feature ist von Frau Kaltmamsell geklaut!): Müsli mit Bananenchips und Cranberries, Milchkaffee, Salat mit scharf gegrillter Hähnchenbrust, Grapefruitschorle, Erdbeerkuchen, Kaffee, Bagel mit Stinkekäse, geräucherter Entenbrust und Tomate, Schokoriegel
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Die Marketingmaschine läuft gut geölt an. 20 Jahre Mauerfall mit allem Pipapo sind unter die Leute zu bringen, mit mal mehr, mal weniger kritischer Auseinandersetzung zu blühenden Landschaften vor und nach 1989. Manchmal frage ich mich, was wäre wenn. Wenn dieser seltsame Abend nicht gewesen wäre, diese Nachricht, die Grenze sei geöffnet worden, diese Bilder von lachenden, weinenden, sich so ungläubig freuenden Menschen, die einfach eine Grenze überschreiten dürfen, die für sie sonst fast unüberwindlich war. Die Gesichter der Grenzbeamten, deren Ausdruck zwischen Unsicherheit und Überforderung und beginnender Mitfreude wechselt. Was wäre, wenn.
Vermutlich hätte ich den Studienplatz in Frankfurt (M.) angenommen, statt auf das Nachrückverfahren für einen an der FU Berlin zu hoffen. Wahrscheinlich wäre ich noch einige Zeit bei meinen Eltern wohnen geblieben, bevor ich dann versucht hätte, in eine WG nach Frankfurt (M.) zu ziehen. Möglicherweise hätte ich mein erstes Studium auch nicht geschmissen, wäre nicht einer Liebe, die nicht halb so groß wie nötig war, nach Paris gefolgt, wo ich das erste Mal im Leben Bekanntschaft mit Kakerlaken und der bisweilen lähmenden Familienorientierung der Franzosen machen durfte. Es könnte sein, dass ich nach erfolgreichem Abschluss des Studiums eine Feld-, Wald-, Wiesenanwältin mit kleiner Dachwohnung, kleinem roten Cabrio und Perlenkettchen geworden wäre. Ich hätte irgendwann jemanden kennengelernt, ganz klassisch zwei Kinder bekommen und die Sommerurlaube gern in Frankreich verbracht, immerhin, das Haus am Atlantik gab es ja damals schon. Vielleicht wäre die Ehe nicht so toll gewesen, aber in der Stadt aus der ich stamme, ließ man sich auch in den 90ern nicht so schnell scheiden. Meine Kinder würde ich zu Ballett- und Volleyballstunden fahren, am Wochenende zu Leichtathletikturnieren. Ganz so wie ich als Kind. Das Erwachsenwerden hätte ich vielleicht einfach übersprungen und würde jetzt schneller alt als andere Menschen.
Möglicherweise hätte ich einige Fehler weniger gemacht. Möglicherweise aber auch einige ganz entscheidende mehr.
Vermutlich hätte ich sehr viele Menschen nicht kennengelernt, die mir heute unendlich viel bedeuten und deren anderer historischer Hintergrund mich manchmal überrascht, aber selten irritiert. Und ich hätte mit Sicherheit nicht den Einen gefunden, der von manchen als Lebensmensch betitelt, von mir aber der beste Mitreisende der Welt.
Insofern: Schön, dass es den Mauerfall gab, und ein Jeder mache ihn sich so schön wie möglich.
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Nein, ich werde mir heute keine Wahlsendungen über Obama vs. McCain ansehen. Ich gestehe, mich interessiert es nicht. Mich interessieren die Taten, die den ausgefeilten Kampagnen der Spin Doctors folgen. Aber wie umwälzend und wirklich Change, neededdie Präsidentenwahl eines Amerikaners mit afrikanischen Wurzeln ist, wurde mir klar, als ich die Verwandten Obamas in Kenia feiern sah, Anteil nehmen am jetzt schon großartigen Erfolg eines Nachkömmlings jener Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe und Herkunft in der Geschichte der Vereinigten Staaten geächtet und versklavt wurden. (Dass Obamas Südstaaten-Vorfahren durchaus ebenfalls Sklavenhalter waren, sei hier trotzdem erwähnt.)
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Warum empfindet man das Surren einer Spülmaschine als angenehm, während das rhythmische Drehen der Waschmaschine den letzten Nerv tötet?
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Warum gibt es eine Ostsee, eine Nordsee und eine Südsee, aber keine Westsee?
Ist wohl alles eine Frage des Standpunkts.
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Der Radfahrer, der heute Abend nach einem Sturz verletzt im Wald am Wegesrand kauerte, war stockbetrunken. Manchen Menschen möchte man dann schon gar nicht mehr helfen, weil man sich denkt: Selbst Schuld. Natürlich ruft man doch den Rettungswagen, möchte dem Verletzten aber gerne ein "du Vollpfosten!" hinterher schreien.
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