Nachdem Frau Modeste anregte, ein wenig aus dem familiären Nähkästchen zu plaudern, hier die letzte Folge der Serie "Witwenglück".
In meiner Familie gibt es einen Stand, der noch mehr geschätzt wird als der des Verheiratetseins: das Witwentum. Nie waren die meisten weiblichen Mitglieder glücklicher als nach der obligatorischen Trauerzeit. Die manchmal schon mit dem Versenken des Sarges endete.
Nach den Großtantchen Mimi, Finny, Katinka und Gusti kommen wir nun zu meiner Großmutter.
Ja, und da war noch Christine. Eine überaus eigensinnige Frau, die sich nicht so schnell dem Schicksal beugen wollte.
Der Ehemann, ein schlaksiger Brillenträger mit feingeschnittenem Mund und guten Karriereaussichten in der hessischen Verwaltung, und sie sehen auf dem Hochzeitsfoto sehr glücklich aus. Es sollte eines der seltenen, gemeinsamen Bilder sein, denn er wurde kurz nach der Hochzeit als einer der ersten Soldaten eingezogen. Nur wenige Monate später erhielt meine Großmutter keine Feldpostbriefe mehr. Dann kam die Mitteilung, dass er „im Kampf für die Ehre des Deutschen Reiches“ gefallen sei. Irgendwo in Russland. Zurück blieb sie.
Die Bombenteppiche bedeckten die Städte rund um den Main. Auch das Haus meiner Großmutter versank in Schutt und Asche. Eine Fügung des Schicksals: Sie war nicht zuhause. Ohne Haus, ohne Arbeit – wohin nur?
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Meine Großmutter richtete sich bei Mimi ein, die sich rasch zum gesellschaftlichen Mittelpunkt aufgeschwungen hatte. Glanzvolle Partys wurden stets von ihrem Stern bestrahlt. Etwas weniger strahlend im Hintergrund: Meine Großmutter. Auf alten Bildern sieht man die glamouröse Mimi mit einer eher soliden Frau in burschikoser Aufmachung im Arm, deren hohe Wangenknochen durch die traurigen Augen noch höher wirken.
Ab 1946 ändert sich der Ausdruck. Sie sieht weicher aus, lacht, und auf einmal ist da dieser Mann bei ihr. Immer lachend, eine Ziehharmonika in der einen Hand, meine Großmutter an der anderen. Den Ehering hatte er abgenommen. Als meine Großmutter merkte, dass sie schwanger war, reiste er in die thüringische Heimat zurück. Zurück ließ er einen Brief, in dem er bat, das Kind I. zu nennen, wenn’s ein Mädchen würde, und er käme bald zurück.
Dass der Filou einen Monat später ein eheliches Kind gezeugt hatte, fanden wir erst nach 1990 heraus, als sich eines Tages eine I. bei meiner Mutter meldete, mit den Worten: „Ich bin wohl eine deiner Halbschwestern.“ Die drei I’s, da war der Großvater konsequent in der Namensgebung, feierten eine ganz eigene Wiedervereinigung. Ohne den Vater. Denn der war mit der besten Freundin Christines durchgebrannt.
Meine Großmutter war eine Witwe ohne Mann. Ob sie glücklich war? Sie hat niemals ein Wort über meinen Großvater verloren. Allein den Namen gab sie preis, mit dem Hinweis, dass sie keinen Kontakt wünsche.
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