Witwenglück.

In meiner Familie gibt es einen Stand, der noch mehr geschätzt wird als der des Verheiratetseins: das Witwentum. Nie waren die meisten weiblichen Familienmitglieder glücklicher als nach der obligatorischen Trauerzeit. Die manchmal schon mit dem Versenken des Sarges endete.

Nehmen wir einmal meine Großtante Annemarie: Sie, eine Schönheit wahrhaft arischer Prägung, blond, adlernasig und überschlank, schickte nacheinander ihren ersten Mann an die Ostfront, den zweiten in die Wüste, den dritten in die Luft. Nicht wirklich traurig über die schmachvollen Verluste der deutschen Wehrmacht ehelichte sie den Vierten, der sich einer Karriere in der Armee durch eine wahrhaft erschreckende Verkrümmung des Rückgrates zu entziehen vermochte. Dafür machte er sein Glück in der Hotelleriebranche, und scheffelte dank eines nahen Casinos derart viel Geld, dass er Annemarie, kurz „Mimi“ genannt, nicht nur stets mit edlen Seidenstrümpfen und sündigen Dessous aus Pariser Werkstätten beschenken, sondern auch den besten Cognac genießen konnte, der in Kriegszeiten zu bekommen war. Mimi nahm die gelegentlichen Trunkenheitsausfälle ihres Gatten mit stoischer Gelassenheit hin, denn sie wusste: Früher oder später würde er sich tot saufen. Und dann wäre sie eine reiche Frau. Eine sehr reiche Frau. >>Weiterlesen>>

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Leider machte ihr der nicht mehr ganz vor Glück trunkene Gatte einen Strich durch die Rechnung, indem er die Prämie für die Feuerversicherung des großen Parkhotels nicht bezahlte. Dumm, dass die Bombe nicht in der Villa daneben einschlug, sondern genau in der Hotellobby.
Asche zu Asche, dachte sich Mimi und beerdigte die staubigen Überreste ihres Gatten, der nicht genügend Feuchtigkeit gegen den Feuersturm aufbieten konnte, allen Getränken zum Trotz.

Nun, Mimi verdross nicht wirklich und ging auf die Suche nach Ehemann Nummer fünf. Sie fand Oskar, oder sollte man sagen: Oskar fand sie? Denn sie hatte sich verlaufen, als sie einen Kurzbesuch bei ihrer Freundin in Wien machte. Wir schreiben das Jahr 1950, und Oskar, ein charmanter Salzburger mit gezwirbeltem Bart, wickelte diverse Rechtsgeschäfte mit den Alliierten ab. Nicht zu seinen Ungunsten, sollte man sagen, und dies machte ihn Mimi noch attraktiver. Sie heirateten prunkvoll in Dirndl und Lederhose und lebten fortan glücklich mal in Gstaad, mal in Südfrankreich, mal in Frankfurt. Oskar erwies sich als überaus resistent gegenüber ihren Kochkünsten und wollte und wollte nicht sterben.

Bis zu jenem schicksalhaften Hochzeitstag im Jahr 1976, als er genau in jenem Hotelrestaurant in Bad Homburg an einer Gräte erstickte, das auf den Überresten des Hotels von Gatte Nummer vier erbaut worden war. Mimi schien diesmal wirklich untröstlich. Oskar war ein wunderbarer Mann gewesen. Und er hatte sie mit genügend Geld verlassen, dass sie ein zufriedenes Leben in St. Moritz führen konnte.

Allein, das machte ihr keine rechte Freude mehr. Vor allem das „allein“. Sie kümmerte vor sich hin, wurde zänkisch und besuchte der Reihe nach ihre vier Schwestern. Sie starb, unbeweint, aber als schöne Legende, ein halbes Jahr nach ihrem Oskar.

Da ihre Schwestern alle eine prachtvolle Mischung aus gesunder Eifel-Schönheit und fränkischer Schlitzohrigkeit waren, gibt es noch mehr Geschichten über die „glücklichen Witwen von W.“. Demnächst auf dieser Seite.

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Hach, ich kann die Fortsetzung gar nicht erwarten. Ich liebe Familiengeschichten.

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*off Topic*

Kalaueralarm?

*Modus back*

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