Verkettet.

Als wir das Kettenhemd unserer Ironie fallen gelassen haben, und mit jedem Stoß unserer Körper dessen Glieder mehr auseinander reißen, bis zum Schluss nicht mehr übrig bleibt als ein fadenscheiniger Schutzwall aus Eisen, hinter dem wir uns versteckt halten. Als alle Wut aus uns hinaus ejakuliert ist, stehen wir nackt voreinander. So nackt. Verletzlich wie kleine Kinder, die noch keine Doktorspiele kennen, dafür die Angst vor der Dunkelheit. Wir klammern uns aneinander, bedecken unsere Gesichter mit Küssen und haben für einige wenige Momente das gefunden, was wir suchten.

„Das zwischen uns kann nicht funktionieren“, flüsterst du und ich weiß, dass du Recht hast. Wir sind zwei Hälften eines Ganzen, die jede so gut alleine existieren kann, dass sie die Existenz der anderen schon vergessen hat. Nur ganz selten durchleidet sie noch diesen Höllenschmerz, wenn sie auf die andere Hälfte trifft.
Wir haben uns gut arrangiert. Mit dem Leben, dem Leiden und der Antwort auf jene Frage, ob denn da mehr sein könne. So gut, dass wir uns vor Angst in die Hose scheißen, wenn das Schicksal uns die andere Hälfte auf den Teller schiebt. Iss oder stirb, heißt es dann und wir sind schon satt, bevor wir auch nur gekostet haben. Denn wenn wir uns festlegen würden, müssten wir auch den kostbar geschmückten Kelch neben dem Teller bis zur Neige leeren. Auf ihm steht graviert: Beziehung.
Nein, da bleiben wir doch lieber hungrig und stopfen in gelegentlichen Fressattacken alles in uns hinein, was das Leben zu bieten hat. So lange bis wir kotzen.

Irgendwann, wenn wir längst zu Staub zerfallen sind, wird jemand die rostigen Überreste unserer Kettenhemden ausgraben und ironisch lächeln.

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Eine tiefe Verneigung vor Ihrer Wortgewalt, die mich gerade tief getroffen hat. Danke.

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