Ja, ich gebe es zu: Ich habe ein Problem damit, Menschen blind zu vertrauen. Meine misstrauische Grundhaltung erstreckt sich daher nicht nur auf abgründige sondern generell auf alle Situationen, in denen ich Kontrolle abgeben muss.
Immer, wenn zwei Menschen aufeinander treffen, müssen sie einen kleinen Vertrauensvorschuss geben um sich aufeinander einzustellen. Sex ist da nur eine der Situationen. Beim Tanzen ist das nicht anders. Die Folgende gehorcht den Anweisungen bzw. Zeichen des Führenden. Da dies nicht nur nicht immer leicht ist, sondern gelegentlich hitzige Diskussionen der Tanzpartner provoziert, hatte sich unser pädagogisch wertvoller Lehrer eine Übung zur Vertrauensbildung ausgedacht. Da wir mittlerweile vom Gehen zum Tanzen komplizierter Figuren übergegangen waren, diese mitunter aber noch reichlich wackelig aussahen, wurde uns die Anweisung gegeben: „Die Folgenden schließen bitte die Augen und legen ihre Hände nebeneinander auf die Brust des Führenden. Er gibt durch Gewichtsverlagerung die Figur an. Achtet auf eure Tangorezeptoren.“
Augen schließen? Blind folgen? Niemals! Verweigerung kommt in einem Tanzkurs aber nicht wirklich gut an, also legte ich die Hände auf die Brust meines Tangopartners. Ich konnte unter dem Hemd seine erigierten Brustwarzen spüren. War es das, was der Tanzlehrer als ‚Tangorezeptoren’ bezeichnet hatte?
Ich schloss die Augen. Mein Gefühl der Schwäche wurde stärker. Jeder Schritt war wie ein Schritt ins Verderben. Jeden Moment konnte ich in einen Abgrund stürzen. Oder zumindest das Gleichgewicht verlieren.
Doch, oh Wunder!, ich fiel nicht, noch schwankten wir wie ein betrunkener Matrose und seine trippelnde Hafenhure. Nein, wir tanzten, dass es eine wahre Freude war. Mitsamt allen komplizierten Figuren und Schleifen und Achten, die unsere Füße hergaben.
Was ich mit dieser Geschichte sagen will? Weiß ich leider selbst nicht mehr. Aber die Übung hat funktioniert: Wir tanzen besser denn je und das sogar mit geschlossenen Augen.
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Und: Ringe fühlte ich nicht. Vielleicht hätte ich meine Hände auch nicht gleich wegnehmen sollen...
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Stille Wasser sind ja tief, und wer weiß was der unterm Hemd hat...
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