(Unver-) Käuflich.

Als mir das erste Mal das unmoralische Angebot gemacht wurde, meinen Körper für Geld zu verkaufen, war ich süße 18 Jahre jung, naiv und ehrgeizig. Ich wollte damals hoch hinaus und machte, während meine Mitschüler in den Sommerferien an den sonnigen Baggerseen der Umgebung Bräune und Flirtkenntnisse vertieften, ein Praktikum in der Werbeabteilung einer deutschen Großbank. Dieser Unternehmensteil war leider nicht in dem damals höchsten Hochhausturm im Frankfurter Bankenviertel untergebracht, sondern in der Schmuddelecke rund um den Hauptbahnhof. Der tägliche Gang zur Arbeit war ein Spießrutenlauf durch Junkies, Dealer und Nutten, nur getoppt vom Weg in die Kantine durch die Taunusanlage, wo sich Heroinabhängige vor meinen unschuldigen Augen ihren Schuss setzten. Noch spannender fand ich allerdings das Treppenhaus des Bordells, das man so hervorragend aus der Grafikabteilung beobachten konnte. Es herrschte reger Verkehr auf den Stufen. Des Mittags suchten erstaunlich viele Anzugträger die leichten Damen auf. Ich stellte mir gern vor, wie Vorstandsassistent A. auf den Leiter der Abteilung Kreditwesen Südost trifft: «Ach, heute Mittag thailändisch?» «Nein, ich mags lieber deftig polnisch.» «Schönen Tag noch, man sieht sich.»

Ich wartete also eines warmen Sommerabends nach der Arbeit vor dem Bürohaus auf meinen Freund, mit dem ich noch über die Zeil zu bummeln gedachte. Er verspätete sich wie üblich. Ich vertrieb mir die Zeit indem ich die Umherflanierenden beobachtete. Eilig in Richtung Bahnhof strebende Arbeitnehmer, Einkäufer, die den Vorabendzug noch erwischen wollten und verdächtig langsam Gehende, die die Auslagen der hiesigen Geschäfte ebenso bewunderten wie die Auslagen der Damen, die mehr oder weniger diskret auf Kundschaft warteten. Ich wartete ebenfalls, länger als geplant und mit meinem weißen Blüschen und Kostümrock deutlich andere Zielgruppen ansprechend. Dachte ich.

«Wie viel?», fragte mich ein älterer Herr in grauem Anzug. «Wie bitte?», antwortete ich völlig erschrocken. «Wie viel nimmst du fürs Blasen?», wurde er deutlicher. Damals hatte ich von Tuten mehr Ahnung als von Blasen, und so kam es, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Vor Scham, dass mir jemand zutraute, ich sei käuflich. Und vor Scham, dass ich noch nicht einmal genau wusste, wie es ging, dieses Blasen. Für derartige Aufklärungsversuche war der sich deutlich verspätende Freund zuständig, der nicht eben zu den eifrigsten Lehrmeistern gehörte. Der Fragende bemerkte seinen Irrtum schnell, murmelte eine Entschuldigung und machte sich davon. Ohne mich aufzuklären, wie viel denn so der gängige Marktpreis für einmal Blasen sei, ein Versäumnis, das mir die Einsicht in die Vermarktungsmöglichkeiten meines Körpers verwehrte.


Das nächste Mal bot man für meinen Körper ein halbes Königreich, immerhin. Mein Vater, der damals in Marokko weilte, zeigte in trauter wenngleich adeliger Männerrunde Fotos seiner Frau und halbwüchsigen Tochter herum. Meine Mutter, lieblich, blondgelockt und blauäugig, erregte der Herren Interesse natürlich sofort, wenn auch nur kurz, da verheiratet. Mein Vater, pragmatisch veranlagt, musste sich damals gesagt haben: Unterbringen muss ich sie sowieso irgendwann, wieso nicht hier und jetzt? So kam es, dass er mir nach seiner Rückkehr aus Marokko das Angebot eines schwarzlockigen Jünglings unterbreitete. Ein halbes Königreich habe dieser geboten, dazu noch eine wunderbare braune Araberstute mit langer Mähne. Eine Geschichte wie aus 1001 Nacht. Trotzdem fing ich an zu weinen, denn wie herzlos war mein Vater, wie gemein, dass er mich an einen Prinzen aus einem fernen Land verschachern wollte. Gut, dass dies nur ein Märchen war, denn mein Vater sah mein Leid und berichtigte sich sofort. Man habe nur ein paar Kamele geboten. Es sei auch kein Prinz gewesen sondern sein Chauffeur. Ich weinte trotzdem weiter, hartnäckig und trotzig. Solange bis ich meine wunderbare braune Araberstute reiten durfte.


Weniger weinen denn verblüfft lachen musste ich bei dem letzten Angebot, das ich einem Mann machte. Es waren genau 6 Cent. Die Kosten für ein Telefonat, das dieser Mann nicht mit mir führen wollte. Er weigerte sich trotz Aufforderung standhaft anzurufen und schickte lieber SMS mit der Frage, wann ich das nächste Mal mit ihm vögeln wollte. Man könne es doch auch per SMS verabreden. Er rief nicht an. Wir vögelten also nicht. Vielleicht zum Glück. Hätte er angerufen, wer weiß, wie viel es ihn hinterher gekostet hätte.

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Wir lernen:
Man kann am falschen Ende (Telefonkosten) sparen. Und man kann wie ein bekannter Bloggerkollege Tausende Euronen vertelefonieren ohne zum Schuss zu kommen...

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Manchmal merkt man halt schneller, wann der Aufwand nicht lohnt.

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Das haben Sie gesagt.
In dem Punkt verkneife ich mir jegliche Ferndiagnose...

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Ein Mann, der nicht bereit ist, für einen Fick 6 Cent zu investieren betreibt genauso wertlosen Aufwand wie einer, der zu viel Geld verplempert, ohne zum Schuss zu kommen.

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Ich maße mir nicht an,
individuelle Güterabwägungen meiner Mitmenschen per Schnellgerichtsentscheidung abzuurteilen.

Dem Herrn Vieltelefonierer würde ich höflicherweise noch unterstellen, dass er auch am Gespräch als solchem einen gewissen Spaß hatte.

Was aber den mundfaulen und ultrasparsamen Kollegen angeht, fällt es mir schon schwerer, Entlastungsmaterial vorzubringen. Vielleicht war er in einer Situation, wo er grad nicht sprechen konnte (Meeting, Gottesdienst etc.)?

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Spaß und Aufwand stehen eben in keinem Verhältnis zueinander. Maß oder Unmaß, eine Frage, über die man nicht streiten kann.

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Auch ich bin wie Sie es mit 18 waren in manchen Dingen etwas unbedarft. Und wahrscheinlich haben Sie inzwischen viel gelernt. Deshalb hier also meine Frage auch wenn Sie mit Ihrem biographischen Auszug vielleicht nicht viel zu tun hat:

Es gibt ja die Einrichtung des Cybersex, indem man in einen grossen hoffentlich sauberen Gummianzug steigt, welcher an allen entscheidenden Stellen mit Vibratoren ausgestattet ist. Eine andere ebenfalls in einem total sexy Gummieanzug steckenden Person kann dann mit Hilfe eines Computers über das Internet sexuell stimuliert werden. Funktioniert natürlich bidirektional. Gibt es ähnliches schon als SMS?

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Scheitert bislang. An den Kosten pro SMS.

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Die Kosten der SMS
sind es schließlich, die den sonderbaren Aspiranten geringfügig entlasten. Die können nämlich deutlich höher liegen als die für einen Anruf. Kein Geizhals also, sondern nur ein Trottel.

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Definitiv.

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