Alles Duschen hilft nicht gegen Viren und so konnte ich das grippale Fieber der letzten Tage nur mit herkömmlichen Mitteln bekämpfen. Wie hoch es war, kann man daran bemessen, dass ich versuchte, ein elektronisches Thermometer nach der Messung "herunter zu schütteln". Dennoch habe ich das Abenteuer der kleinen Schlange auch in meinen Fieberträumen weiterverfolgt.
Als die kleine Schlange ihren Kopf aus dem Maulwurfshügel streckte, vergoldete die Abendsonne Zinnen und Türmchen des Palastes. Der königliche Garten lag im Schatten. Vorsichtig sah sie sich nach Wachleuten oder Hunden um, bevor sie sich aus der Erde schlängelte. Die Stadtmaus folgte. Sie stieß einen leisen Pfiff aus: "Wie prachtvoll es hier aussieht! Ich bin sicher, in der Palastküche lässt es sich für eine gescheite Maus leicht leben. Hier bleibe ich." Die kleine Schlange indes dachte nicht daran, ihre Heimat für den Königspalast aufzugeben, sie wollte nur ihren sanftrostfarbenen Stein wiederfinden, unter dem es sich so trefflich leben ließ. Etwas knurrte laut. Die kleine Schlange ringelte sich vor lauter Angst sofort zum Kreis und klapperte mit dem Schwanz. Beschämt rieb sich die Stadtmaus den Bauch und sagte: "Ich habe Hunger. Wir sollten uns zuerst stärken, bevor wir uns auf die Suche nach deinem Stein machen. Lass uns in mein neues Zuhause, die Küche, gehen und sehen, was man uns aufgetischt hat." Sie schlichen entlang des Bogenganges rund um den Garten. Von überall klapperten leise Teller und Tassen, denn es war Zeit zum Abendessen. Ein Duft nach gebratenem Kapaun zeigten ihnen den Weg zur Palastküche. Dort angekommen, wurden sie vom Chef der Palastmäuse freundlich begrüßt: "Seid willkommen! Der König gibt heute ein großes Festmahl, zu dem alle Köstlichkeiten der Welt gereicht werden. Was darf es sein: Nachtigallenzungen? Krebsragout mit Trüffeln? Oder ein wenig Artischockenmousse mit Zitronensorbet?" Bei der Aufzählung der Leckerein bekam sogar die kleine Schlange wieder Hunger. Sie aßen und tranken mit den anderen Palastmäusen, bis das letzte Krümelchen vertilgt, der letzte Tropfen genossen war und schliefen in einer Wandnische direkt neben der Vorratskammer ein. Mitten in der Nacht wachte die kleine Schlange vom lauten Schnarchen der Mäuse auf. Sie dehnte sich und dachte darüber nach, wie sie in dem großen Palast ihren sanftrosafarbenen Stein wiederfinden könne. Je früher, desto besser, sagte sie sich und schlängelte sich vorsichtig an den dickbäuchigen Mäusen vorbei, um sich wieder auf die Suche zu machen.
Überall auf ihrem Weg lagen schnarchende Festbesucher in feinem Zwirn, gerade so, wie sie nach übermäßigem Mahl und Trunk hingefallen waren. Sogar einige Damen von Rang lagen in einer Ecke und schnarchten fürchterlich. Die kleine Schlange wand sich durch Flure und Bankettsäle, an Galerien vorbei und über Treppen. Bis sie vor einer großen, verschlossenen Eichentüre anhielt. Zu beiden Seiten der Türe standen aus einem sanftrosafarbenen Stein gefertigte Löwen. Die kleine Schlange erkannte den Stein sofort wieder, und es wurde ihr schwer ums Herz. Vielleicht war der Stein gar nicht mehr da? In tausend Stücke zerschlagen, zu Löwen geformt, als Fußschwellen genutzt? Hinter der Türe lag die Antwort auf dieses Frage, das spürte die kleine Schlange genau.
Und weil mich gerade wieder ein Fieberschub ereilt, muss auch die kleine Schlange auf den letzten Teil ihres Abenteuers warten. Und Sie, liebe Leser, auf andere Geschichten als diese blöden Märchen. Aber das kommt schon wieder. Sicher.
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