Im Flur riecht es nach Reinigungsmitteln. Irene hat uns am Empfang abgeholt und in den vierten Stock gebracht. Von hier hört man das Rauschen des Gebirgsflusses nur noch ganz leise, wie durch Watte. Neben einer Tür hängt ein Schild. Sein Name hinter Plastik, auf ein Papier gedruckt. Es ließe sich leicht herausnehmen, wenn der Bewohner umzöge. Wir treten ein.
"Hallo Vati! Ich habe Iris mitgebracht", sagt Irene sehr laut und fröhlich.
"Guten Tag."
Ein leicht gebeugter Mann erhebt sich aus einem großen Sessel, schaltet das Rentnerbeschallungsprogramm der Öffentlichrechtlichen aus und tritt auf uns zu. Diese Nase. Kein Zweifel. An der Nase sollt Ihr sie erkennen. So wie mein Bruder, der halbe, und ich die Ohren unseres Vaters tragen (und meistens die Haare ganz bewusst darüber), so haben Irene, meine Mutter und ihr Vater eine Nase, die herrisch im Gesicht sitzt.
"Du bist also Iris", sagt er zu meiner Mutter, begutachtet sie auf Armeslänge entfernt von oben bis unten. Dann umarmt er sie.
"Papa." Sie weint.
Ich sehe mich im Zimmer um. An den Wänden Ölbilder von Jagdfliegern, Kohlezeichnungen von Tieren des Waldes, der erste Entwurf eines Markenzeichens, das ihn berühmt machte. Eine bunte Vergangenheit hatte er, wie ich später erfahre. Eigentlich sprach er nicht gern über seine Spionageflüge, seine guten Kontakte, meine Großmutter, die ein ebenso erstaunlich reines Englisch sprach wie er. Dazwischen immer wieder diese Kreativzeiten, in denen er sich in der nach dem Krieg schnell entwickelnden Werbebranche als Chefgrafiker - heute würde man vermutlich Creative Director sagen - eine goldene Nase verdiente. Schwere Möbel stehen etwas ungelenk gruppiert in seinem Zimmer. Ich streiche über einen Kirschholzschreibtisch mit Lederrahmen. Elegant.
"Das sind alles die Originalstücke von Himmlers Büro. Habe ich günstig bekommen."
Ich drehe mich um. Vor mir steht er. Wache Augen, immer noch. Ein Lächeln um die Mundwinkel. Doch, ich glaube, er war mal einer, der sich nahm, was er wollte.
"Hallo. Soll ich dich wirklich Opa nennen?"
"Nein. Nenn mich Curt."
Curt gibt mir einen festen Händedruck. Wir wollen nicht verwandt sein, nicht auf die übliche Art, aber wir besiegeln einen Pakt. Er wird mir erzählen, was er weiß.
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Und auch wir hatten einen Pakt. Er wurde allerdings nie eingelöst. Nur Bruchstücke. Schade. Es hätte mich sehr interessiert.
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