Sie übt. Vor Anstrengung lugt ihre rosa Zunge aus dem rechten Mundwinkel und zwischen den Augen sitzt eine kleine Falte, die ihrem Alter noch gar nicht zukommt. "Guck mal", fordert sie mich auf und hält mir das bekritzelte Blatt vor die Nase. "Schön", lobe ich, "sieht gut aus." Sie übt ja noch und bis sie ihre Unterschrift wirklich einmall braucht, werden die Buchstaben auch nicht mehr wie betrunken über das Blatt wandern. Lob ist wichtig.
"Ich weiß nicht", murmelt eine andere Sie und schiebt das Blatt auf dem Tisch hin und her. Das Papier ist über und über mit ihrer Unterschrift bedeckt, der Unterschrift mit dem neuen Nachnamen. "Wieso weißt du nicht?", frage ich und füge ein "sieht doch gut aus" hinzu. "Sein Name und meiner, das passt nicht zusammen, mein Vorname ist so kurz und sein Nachname so normal." Ihr Nachname ist ebenso normal, aber aus Freundschaftsgründen schweige ich. "Wenn du das 'L' ein bisschen größer machst, sieht es doch richtig elegant aus", behaupte ich. Sie übt zweimal mit einem größeren L. "Hm. Könnte hinkommen." "Siehste, manchmal muss man nur die Perspektive ändern", klugscheißere ich vor mich hin. "Wenn ich dich nicht hätte", grinst sie, "dann würde ich vermutlich die Hochzeit absagen." Ach. Lob ist so wichtig.
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