Familienfeste.

Vorbei sind sie, die Zeiten, in denen es jährlich wenigstens eines dieser Feste gab, zu denen die gesamte buckelige Verwandtschaft anreiste, um fürstlich zu tafeln, bereitwillig die berühmten Perlen und Saphire oder doch wenigstens die goldenen Manschettenknöpfe zu tragen, es musste ja keiner wissen, dass der Juwelier des Vertrauens in einer heimlichen Aktion die SS-Runenzeichen aus der Oberfläche tilgte und nunmehr zwei glattpolierte, unschuldige Verschlüsse fürs edelleinerne Hemd zur Verfügung standen. Und alle kamen zusammen, um nicht zuletzt einer allen gemeinen Leidenschaft zu frönen: dem Klatsch und Tratsch, den nur eine Familie produzieren kann, die über mehr als zehn Mitglieder verfügt.

Die bösen Nattern des missgünstigen Klatsches, übers Jahr gehegt und gepflegt in einem Terrarium aus Rüschengardinen und Sofadeckchen gleich wie die wertvollen Geschichtenblumen, deren Duft von großen, nie ausgelebten Passionen kündet, alle, alle werden zwischen Ochsenschwanzsuppe und Sachertorte auf den Tisch gebracht und geschluckt und verdaut.

Wie hätten wir sonst von der verhängnisvollen Verbindung zwischen Onkel und Nichte erfahren? Oder mit atemloser Spannung der Beweisführung in einem Fast-Mord gelauscht, den der Sohn am Vater verübt haben soll – mittels eines außer Rand und Band geratenen Gabelstaplers? Manchmal brauchten die nicht unmittelbar Betroffenen viele gute Schnäpse, um den Gehalt der Geschichten genau zu erkennen. Dann flossen, gleichsam mit jedem Stamperl, wieder neue Geschichten aus den Mündern, um sich am Ende des Festes in einem Strom zu vereinigen, der stets ein fruchtbares Land des Familiensinns hinterließ. Bis zum nächsten Fest.

Aber, ach!, sie sind versiegt, die Ströme der alten Geschichten, denn auch diese Familie wie aus einem Buch gibt es nicht mehr. Nur noch eine letzte Chronistin, deren Gedächtnis langsam auslöscht, was ihr begierig lauschendes kindliches Ohr über Jahre hinweg aufgenommen. Man sollte es wirklich aufschreiben, sagt sie manchmal und denkt dann, wie schade es ist, dass es niemanden mehr gibt, dem sie diese Geschichten erzählen könnte.

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