Wie jedes Jahr um diese Zeit kommt er wieder, mein ganz persönlicher Fluchtreflex. Wenn es draußen grauer und grauer wird, und der schneidende Wind direkt aus den weiten Ebenen Sibiriens zu kommen scheint, hebt sich mein Herz hinweg und sucht sich in der Ferne ein Ziel. Warum nicht einmal alles auf eine Karte setzen und nach China gehen? Wäre Argentinien nicht einmal eine gute Gelegenheit, die eingerosteten Spanischkenntnisse auf Vordermann zu bringen? Und in Indien hat's dir doch gut gefallen, oder?
Wie gut es mir auch immer irgendwo gefallen hat, ob Urlaubsort oder fester Wohnsitz, immer kam einmal der Tag, an dem mich das Gefühl erfasste: Ich muss hier weg. Alles hinter mir lassen. Noch mal neu anfangen. Fremde unter Fremden werden anstatt Fremde unter Freunden bleiben.
In solchen Momenten werden Flugpläne zu meinen intimen Vertrauten. Wenn der Kontostand es zuließe, so der wandernde Mauspfeil, dann würde ich zuerst dorthin, dann hierhin und nachher käme dann noch das Ende der Welt in Frage.
Dann ruft die Freundin aus Wien an und jammert ein wenig, dass sie mal wieder wegfahren muss. Es sei gerade so öde, die Jobsituation unbefriedigender denn je und der Göttergatte zeichnete sich auch nicht gerade durch Hundertprozentigkeit aus. "Geht mir auch so", sage ich und muss lächeln. Wir sind schon ein paar Nomaden in Gedanken.
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