Die slawische Seele, sagt man, sei eine traurige, deren Schwermut ein Bestandteil des täglichen Lebens und Feste solle man feiern, so viel man könne.
"Kindchään, musst du freelich sein, immer vill lachän, dann kommt Glick zu dir", sagt die serbische Großmutter des Liebsten der Tierarztfreundin, als wir am Wochenende zu einem Kaffee bei ihr im Garten sitzen.
Ihr Gesicht ist schrumpelig wie ein Bratapfel, aber aus den altersmilchigen Augen leuchtet die Lebenslust. Erst vorige Woche hat sie eine Reise nach Prag gebucht, mit einer arthritischen Freundin, aber die soll halt ihren Rollstuhl mitnehmen, sagt sie, sie schiebe sie schon über die Karlsbrücke. "Noch a Schnäpserl?", fragt sie und schon habe ich einen neuen Nussschnaps im Glas.
So richtig traurig sei sie nie gewesen, sagt die Oma. Nur einmal, als ihr Mann gestorben sei. Denn sie habe ihn gern gehabt und er wäre ihr ein guter Ehemann gewesen. "No", sagt sie, "no, geht aber auch ohne Mann, Kindchän". Das ist wohl als Trost gemeint, denke ich und wappne mich gegen die Vorstellung, es ginge tatsächlich ein Leben lang ohne Mann. Aber sie grinst ein zahnloses Grinsen und zwinkert mir zu. Was hat sie wohl für Geheimnisse, die sie ihrem Enkel nie erzählen wird?
Von slawischer Schwermut ist bei ihr jedenfalls nichts zu spüren. Noch ein Gläschen, noch eins, die Hitze drückt, die Blase auch. Mir ist schwummrig. Die Lieblingstierärztin flüstert mir zu: "Leberprobleme sollte man nicht haben, wenn man mit dieser Familie zu tun hat."
Gestern nun nahm sie ihre Lebenslust mit ins Grab. Und die Familie wird die Bestattung trotzdem feiern, mit Nussschnaps und alten Geschichten, Tränen und Weißt-du-nochs. Und einem kleinen Balkanblues, den man am besten weglacht.
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und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;
Bis zu diesen Zeitpunkt werden mich solche und ähnliche Geschichten immer wieder traurig machen.
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