Post.

Tägliche Leerung, immer mit dem flauen Gefühl, es könnte der nächste Strafzettel im Briefkasten sein. Ja, auch mit dem Roller fährt man in 30er-Zonen nicht ungestraft zu schnell.
Heute ein Brief, einer von der Sorte, deren Umschlag ein wenig zerknittert aussieht, so, als ob er eine lange Reise hinter sich und viel zu erzählen hätte. Die Briefmarke ein kleines Gemälde: Ein exotischer König wacht über ein Land im fernen Osten und den Wert des Postzeichens.

Er schreibt, es gehe ihm gut, aber die Internetcafés in der Bergen Nordthailands seien rar gesäht, daher greife er zur guten alten Feder respektive Kugelschreiber. Seine Schrift habe ich noch nie gesehen; obwohl wir über 450 Mails in dem halben Jahr unseres Zusammenseins austauschten, gehörte Handgeschriebenes nicht zu unserer Kommunikation. Sie überrascht, ist von einer fast mädchenhaften Anmut, mit vielen Kringeln, Schleifen und vorsichtig gesetzten Punkten.

Er finde nun endlich die Ruhe, die er gesucht habe, in diesem abgelegenen Nest zwischen grünbewaldeten Hügeln. Er gebe Unterricht, seine Schüler seien gelehrig und gelenkig, ganz wie es sein solle für das Erlernen dieser Kampfkunst.
Meine Gedanken reisen zu ihm und in die Vergangenheit. Damals glaubte ich, nur mit ihm zusammen die Welt entdecken zu können, mit ihm, dem weitgereisten, ungezähmten Abenteurer, der sich trotzdem am liebsten des Sonntags im 'Hotel Mama' verwöhnen ließ und seine schwäbischen Ursprünge doch nie verleugnen konnte.
Wir schieden recht schnell voneinander, als mir bewusst wurde, dass er das 'Hotel Mama' auch auf die Weltreise mitnehmen wollte, mit mir als dienender Hauptprotagonistin.

Ich stelle mir vor, wie er in seinem Bambushaus für 50 Euro Monatsmiete sitzt und meditiert und sich doch leise nach den Maultäschle sehnt, die ihm nicht nur seine Mutter sondern auch ich so wohlschmeckend zubereiteten. Der letzte Satz bestätigt diese Ahnung: "Manchmal möchte ich in zwei Welten leben, einmal in Deutschland, wo die Weggefährten nicht nach zwei Monaten aus dem Blickfeld verschwinden und man bei einem Abendessen und Rotwein diskutieren kann..."

Sehnsucht, die bei mir den umgekehrten Weg geht: Reisend in der einen Welt, mit immer neuen Weggefährten und Geschichten, die einem an jedem Busstop, an jeder Weggabelung in den Schoß fallen. Aber mit einsamen Abenden im Restaurant oder Hotel und diffizilen Situationen, in denen man als Frau gern einen starken Begleiter um sich wüsste. Und in meiner Metropolenprovinz, wo mich das soziale Netz umspannt in das ich mich fallen lassen kann, wenn mal wieder der letzte Liebhaber nicht das gehalten hat, was er als potenzieller Lebensabschnittsgefährte versprach (oder anders herum).

Ich sollte solche Briefe nicht lesen. Sie wecken ungesunde und unruhig machende Sehnsüchte. Und nachher finde ich mich noch in irgendeinem exotischen Nest wieder und schreibe Briefe an einen Exfreund, in denen ich seine ausgezeichneten Speckpfannkuchen lobe. Dann doch lieber Strafzettel in der Post.

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Gerade
solche Briefe sollte man lesen und überhaupt hoffen oder froh sein, dass man sie bekommt. Warum? Weil sich ein Strafzettel viel zu leicht erledigen lässt.

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Vieles erledigt sich leicht. Vermutlich vor allem eine leichte Ironie. Blattschuss, peng, tot.

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Macht ja nix.

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