Er hatte mir seinen Kater als "etwas schwierig im Umgang mit fremden Frauen" angekündigt. Was sich im weiteren Verlauf unserer Beziehung als stark untertrieben herausstellte. Denn 'Oddo' beherrschte nicht nur sämtliche Spielarten der emotionalen Erpressung sondern auch noch einige sehr gemeine Guerillataktiken, um mich bei seinem Herrn ins Unrecht zu setzen.
Es fing damit an, dass ich ihn bei meinem ersten Besuch gar nicht zu Gesicht bekam. "Er ist ein bisschen scheu", beruhigte mich D. Ich hatte das Gefühl, als beobachteten seine grünschillernde Augen jede meiner Bewegungen, bereit im nächsten Moment auf mich zuzuspringen. Als ich ihn dann endlich sah, bekam ich einen Schock: Dies war mit Sicherheit der größte und fetteste schwarze Kater der westlichen Hemisphäre. Und mit einem richtig miesen Charakter gesegnet. Ich schaute ihm in die Augen und wusste: Er oder ich.
Sein Herrchen - im Freundinnenkreis übrigens als 'Sahneschnitte' bekannt - wollte jedoch von einer partiellen Beschränkung von Oddos Bewegungsfreiheit während meiner Besuche nichts wissen. Dabei hatte ich doch nur gefragt, ob er seine Bestie vielleicht ins Arbeitszimmer sperren könne! Oddo und ich einigten uns auf den Status Quo: Er bleibt unsichtbar, solange ich in der Wohnung bin und ich darf mit seinem Herrchen hinter verschlossener Türe Unzucht treiben, dafür bekommt er von mir diverse Leckerlis neben den normalen Fresszeiten. Was würde das ein oder andere Kilo mehr schon ausmachen!
Mit der Zeit reichten ihm die kleinen Kalorienbomben offenbar nicht mehr. Er verlegte sich darauf, mir den Weg zu versperren und mich bösartig anzuknurren. Ich habe ja schon viel erlebt, aber dass mich eine Katze 'stellt', geradezu in Wachhundmanier vor der Tür ins Wohnzimmer zu stehen um mich nicht eintreten zu lassen - das war dann doch etwas zu viel des Guten. D. wollte mir die Gemeinheiten seines ihm gegenüber lieben und kuscheligen Katers nie glauben: "Du spinnst", sagte er, "Oddo würde so etwas nie tun. Er liebt dich genau so sehr wie ich." Oddo hörte aufmerksam zu. Seine Augen glimmten hinterhältig.
Die Situation spitzte sich zu. War Oddo vorher noch mit einer arroganten Gleichgültigkeit an meinen privaten Sachen vorbei gelaufen, fing er nun an, meine Tasche mit ekligen Sekreten zu verkleben. Eines Tages hatte ich ein Buch auf dem Tisch liegen, was ich später lesen wollte. Aber wer lag auf dem Buch, breit und feist und bereit, mich anzuspringen? Oddo. Er wartete förmlich auf eine Kampfansage meinerseits.
Ich musste mich entscheiden: Krieg oder Frieden. Ich entschied mich für, nun ja, Krieg. Der Tag der Revanche war gekommen. Günstig, dass D. bereits zur Arbeit gegangen war. Noch günstiger, dass ich meine Tasche in der Hand hatte. Ich holte aus. Ich traf. Ein empörter Aufschrei! Oddo katapultierte sich aus dem Liegen in die Luft, gleich einem riesigen Panther. Einen Moment sah er erschrocken aus. Ich wähnte mich Siegerin, doch ich hatte nicht mit seiner Hinterhältigkeit gerechnet.
Im nächsten Moment zierten zwei parallele Krallenspuren meinen rechten Arm. Oddo sauste wie der Blitz an mir vorbei, laut schreiend und fauchend. Ich nahm ruhig mein Buch, tupfte das Blut mit einem Taschentuch auf und ging. Ich kam nur noch wenige Male zu Besuch.
Unnötig zu erwähnen, dass mir Oddos kürzliches Verscheiden keinen wirklichen Schmerz bereitete. Ja, ich sage es offen: Oddo hat uns auseinander gebracht. Möge er dafür in der Katzenhölle schmoren.
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