Die Ankündigung klang interessant: "Wilde Party in Kreuzberg, lass uns da mal hingehen, die Veranstalter sind cool, die haben sogar einen DJ engagiert." Nun ist es ja kein Geheimnis, dass auf Privatparties mitunter peinliche Sampler gespielt werden. Ich erinnere mich noch an irgendeine "Best of Bravo-Kuschelhits", während der mich plötzlicher Brechreiz befiel. Gut, es kann auch an den doppelten Martini gelegen haben, die ich mangels flirtwerten Männermaterials in mich goss. Auch immer wieder gern gespielt und wirklich nur mit viel Alkohol zu ertragen: ABBA, NDW und alte Queen-Songs, so richtig zum Mitgrölen und wild Tanzen.
Also hörte sich die Partyeinladung an, als könne man sich dort großartig amüsieren. Dort angekommen, empfing uns unangestrengte Chill-In Musik aus Kuba, denn die Gastgeber waren gerade aus dem Urlaub gekommen. Etliche Rum-Flaschen versprachen die richtige Enthemmungsgrundlage und das Aussehen des DJs, rassige lateinamerikanische Hauttönung und glutvolle Augen sowie ein entzückender Hüftschwung, als er an mir vorbei ging, versprach mehr.
Ich mischte mir einen Cuba Libre und machte mich auf, das Tanzbein zu schwingen. Nett, dachte ich, als die Musik ein wenig Reggaelastiger wurde und die ersten Joints kreisten. Dann wurde die Musik noch ethnischer. Die Gastgeber hatten vor nicht allzu langer Zeit eine Reise in die innere Mongolei gemacht. Die Obertonmusik, so heißt das wohl, ist dort vermutlich der absolute Partyknaller in den Jurten. Hier, im spröden Deutschland, ist das Gejaule allenfalls für eine kurze Einspielung gut, als kleiner Gag, guckt mal, wir waren da und so hört sich das an.
Als nach zwei Minuten ununterbrochenem "Jauaaaaiaaaoooaaaaauaaaammaa" keine Änderung erfolgte, versuchte ich meinen Begleiter zum sofortigen Verlassen der Party zu bewegen. Leider befand der sich gerade in einer angeregten Unterhaltung mit einer überaus attraktiven Studentin der Linguistik. Ich goss mir also noch einen Cuba Libre ein (jawoll, die Befreiung kommt) und hoffte auf ein Ende der Kakophonie. Die Obertonmusik verklang nach weiteren drei Minuten zugunsten eines Musikstils, der in MittdreißigerInnen-Kreisen gern genutzt wird, um endlich wieder die (molliger gewordenen) Hüften zu schwingen und möglicherweise einen der umstehenden, sich bei einem Bier und intensiven Gesprächen über Fußball und Aktienkurse angemessen amüsierenden, Männer auf die Tanzfläche zu zerren: Salsa. Definitiv ein Frauentanz.
Ich atmete auf, nahm zur Ehrung dieser weisen DJ-Entscheidung noch einen Cuba Libre und tanzte befreit mit. Irgendwann - ich befand mich in einem angetrunkenen und überaus glücklichen Zustand - musste einer der Anwesenden, und wenn ich herausfinde, wer es war, dann gnade ihm Gott, dem DJ einen Tipp gegeben haben, was die Männer denn gern hören würden.
Und so schallte bald "Highway to Hell", Sex Pistols und sonstige Punk- und Mattenschüttlermusik (Musik?) durch den Raum. Definitiv Männermusik. Alle Jungs hatten ihr Bier schleunigst abgestellt und stürzten sich auf die Tanzfläche, um Träume von einer Karriere als Luftgittarist wieder zu beleben. Das war der Moment, indem sich mein Gehör und ich mich verabschiedeten und den Heimweg antraten. Ich freue mich wieder auf die nächste Spießer-Party mit NDW, ABBA oder Kuschel-Rock.
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Nee, der DJ vom Samstag hatte das schon im Griff, aber gegen Wünsche von Gastgebern war auch er machtlos.
Ich nehme in Zukunft einfach ein paar Ohrstöpsel mit. Dann kann ich in Ruhe saufen.
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ich weiß bis heute nicht, was in mich gefahren war. aber mein malträtiertes fahrrad draußen war mir eine lehre.
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