Isa hat es vorgemacht: "Sachen machen" sollte man immer dann, wenn es genau gar keinen Grund gibt, sie zu tun, als den, dass man Lust dazu hat. Daher waren der Gentleman und ich heute in einem mexikanischen Zirkus.
Wir holen uns die Eintrittskarten schon am Nachmittag ab. Einlass sei um 20.30, sagt der Zirkusmensch, der uns die Karten verkauft. Jedenfalls glaube ich, dass er es sagt, denn ich spreche ja kaum Spanisch und mein passives Sprachverständnis täuscht mich gelegentlich ganz gehörig. Der Zirkus sieht von außen ganz genau so aus wie die Zirkusse (Zirken? Zirkeen? Egal.) meiner Kindheit. Jedenfalls die, welche nicht die großen Namen trugen, sondern auf dem Kirmesplatz im Vorort ihr Zelt aufschlugen. Ein Zelt, ein paar Wagen, davor ein Lama, ein Esel, ein paar Shetlandponies zum Neugierigmachen für die Kinder.
Nachdem wir pünktlich - klar, wir sind deutsch, das geht nicht aus uns heraus, auch in Mexiko nicht - um 20.30 am Zelteingang eintreffen, stehen etliche Golfbuggys mit Großfamilien herum, alles erzählt sich erst einmal was, die Kinder, Omas und Erwachsenen versorgen sich mit Knabbereien und Cola. Der Einlasser hält ein Pläuschchen mit, vermutlich, denn er trägt den dicksten Bauch und den buschigsten Schnurrbart, dem Bürgermeister, kurz: die Vorstellung fängt dann an, wenn alle bereit sind. Und das sind sie um 9.00, alles nimmt Platz: die Großfamilien auf der Tribüne, die präpubertären Kids in den ersten drei Reihen (wir auch! wir auch!), der Bürgermeister mitsamt Familie in der Tribünenmitte. Aber erst einmal muss noch am Popcorn-Stand Nachschub geholt werden. Dann geht es los.
Tusch! Die knarzige Verstärkeranlage spielt ein Stück aus "Die Väter der Klamotte", während sich die Scheinwerfer auf den samtblauen Vorhang, besetzt mit kleinen runden Spiegeln (die ich erst für CDs gehalten hatte) richten. Mein Blick geht nach oben - und ich sehe Sternenhimmel! Nur die Zuschauer sitzen unter einer Plane, die eigentliche Arena ist unter freiem Himmel. Wunderschön ist das, ganz luftig und leicht, eine Brise bewegt ganz sacht den Vorhang.
Aus dem kommt der Conferencier, eigentlich sieht er wie eine Mischung aus Ranchero und Buchhalter aus, aber er hat sein Publikum sofort im Griff, erzählt ein paar Schwänke, ruft "Applauso!" und kündigt mit viel Verstärkertechnik die Nummern an: Clowns, Artistik, Jonglage, nochmal Clowns, Bauernschwänke und Puppentheater und dann - Trommelwirbel! - "El Hombre de Lobo"! Der hat nichts mit dem namensgleichen Internetmenschen zu tun, sondern trägt zum Jeansanzug eine, nun ja, selbstgebastelte Wolfsmaske sowie Pelzhandschuhe. Der Wolfsmensch schaut düster ins Publikum. Die frechen Schulmädchen vor uns werden merklich fiepiger, eine guckt sich hektisch nach ihren Eltern und dem kleinen Bruder (auf der Tribüne) um. Dann - nochmal Trommelwirbel - wird eine längliche Kiste in die Manege gerückt. Erst zaubert der Wolfsmensch-Gehilfe eine Schlange hervor. Die ersten Mädels flüchten. Die dagebliebenen lachen sich schlapp. Dann holt er eine zweite aus der Kiste. Die Reihen vor uns leeren sich schlagartig. Beim dritten und größten Python sitzen nur noch die Klassencoolsten da und schauen sich erhaben nach den Geflüchteten um, während der Wolfsmensch die Schlangen erst ein bisschen ärgert, um sie hernach mit geöffnetem Maul zu küssen und in die Menge zu zeigen. Der Conferencier kommt wieder und verabschiedet den Hombre de Lobo mit lauten Rufen. So geht das bis 22.30, dann sind auch die Kinder müde, trotz der Cola, die sie in den Pausen getrunken haben. Mexiko ist ein Land der Colatrinker, soviel steht fest.
Wir haben uns glänzend unterhalten gefühlt, auch wenn wir nicht einmal fünf Prozent von allem verstanden haben. Sache gemacht, sehr gelacht. Das machen wir jetzt öfter. Nicht nur in Mexiko.
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