AltersKultur.

Beruflich habe ich ja etwa einmal im Monat mit Horden von Senioren zu tun. Nicht, dass Sie erschrecken müssten, nein, es handelt sich um überaus freundlich gesinnte Rentner. Sie reisen in Bussen an, um Kulturveranstaltungen zu besuchen und man muss sich halt kümmern. Das ist eigentlich nicht besonders kompliziert, denn früher, so erzählen sie mir bisweilen, früher sei es noch viel komplizierter gewesen ins Theater oder in ein Konzert zu kommen. Zumal nicht immer ein verfügbares Transportmittel - wir sprechen hier von Individualverkehr mit 18 Jahren Liefer-Wartezeit - vorhanden war. Also zogen die Damen und Herren ihre Stiefel und dicken Jacken an, verpackten die feinen Schuhe in einen Beutel und stiegen auf den LPG-Lastwagen, um ins meistens doch weit entfernte Theater zu gelangen. Aber dafür sei das Ticket ja viel günstiger gewesen...

Heute holt der Bus sie an der gewohnten Haltestelle ab, und am Bus ist die Bezeichnung ihrer Tour angebracht, damit es keine Vewechslungen mit der Gruppe aus der Nachbarortschaft geben kann. Er spuckt sie am Theater aus, wo sie meistens noch ein Stückchen Kuchen oder Torte (bitte mit Sahne, ganz wichtig!) und eine Tasse Kaffee zu sich nehmen, bevor sie sich ganz ungehemmt dem Kulturgenuss hingeben können.

Gemeckert wird eher selten bei einer guten Zwei-Hundertschaft unter meiner Organisation. Meistens fragen sie nach einer Ersatzkarte ("Ich finde sie einfach nicht mehr, ich bin schon ganz verzweifelt!") oder wünschen sich für die kommende Saison mehr Oper, Operette, Theater... - was gerade eben nicht im Abonnement vorhanden ist. Auch wünschen sie weniger Wiederholungen, mehr Wiederholungen und vor Allem: keinen neumodischen Kram! Für zumindest einige Wünsche bekommt man eine Lösung hin, andere hingegen liegen in der Hand vieler weiterer Menschen, die auch nicht immer können wie sie wollen.

Gelobt wird eigentlich selten. Auch die Senioren haben nach 22 Jahren Kapitalismus den Konsum ganz gut gelernt. Da freut es einen natürlich ganz besonders, wenn eine nicht mehr ganz so rüstige Dame auf mich zukommt und sich mit Tränen in den Augen bedankt, wie schön es doch sei, dass alles für sie organisiert werde und man ihr für ihre letzten Monate so viel Freude bereiten würde. Moment! Ihre letzten Monate? Genau. Die Dame erwartet den Tod. Sie wisse noch nicht genau, ob sie die ganze Spielzeit durchhalten würde, aber sie werde es versuchen. Denn sie liebe Theater so sehr, es sei immer wieder etwas Neues in den Stücken zu entdecken.

Ich schiebe ihr den Rollator in eine andere Ecke, damit sie nach der Vorstellung leichter das Haus verlassen kann. Hoffentlich kann ich im Alter auch noch so viel Leidenschaft für Kultur aufbringen. Es fällt mir jetzt schon manchmal schwer genug. Man sollte sich öfter aufraffen, denke ich, und freue mich auf den Theaterbesuch in der kommenden Woche.

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Kriege das mit der Kultur nicht mehr hin. Habe einfach zu viel Distanz entwickelt.

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