Wie Herr Sebas bin auch ich eine Mörderin. Neben unzähligen Fliegen, Mücken und anderem Insektenvolk habe ich Größeres zur Strecke gebracht. Das erste Opfer wäre beinahe Lars, der Cousin meines Nachbarn, geworden. Leider war ich mit vier Jahren nicht groß genug, um ihm die Schippe ebenso zielgenau wie kräftig um die Ohren zu hauen, wie er es nach dem Verkleben meines Haupthaars mit zwei Kaugummi verdient hätte. Wir prügelten uns und ich zog mit Mord im Herzen und einem ausgeschlagenen Vorderzahn von dannen.
Ich wurde älter und weniger emotional. Aber meine Mordgelüste nahmen mit der Zeit nicht wirklich ab. Sie änderten sich vielmehr in eine wissenschaftliche Richtung. Meine Großmutter war der festen Überzeugung, dass selbst in einer mittleren Großstadt nichts einer gesunden Ernährung zuträglicher sein kann als jeden Tag ein Ei. Aus diesem Grund gab es auf unserem parkähnlichen Wassergrundstück auch einen Hühnerhof. Von den etwa 15 Mistkratzern hatte es mir eine Henne besonders angetan: Lotta. Ich weiß nicht, ob sie mich mochte oder einfach nur besonders dumm war. Jedenfalls ergriff sie nie sofort die Flucht, wenn ich das Gatter betrat. Dies sollte ihr noch zum Verhängnis werden.
Denn ich lernte schwimmen. Jede Woche trabte ich brav in ein chlorgesättigtes Bad, um mittels übelriechender Schaumstoffbretter das Überwasserhalten zu lernen. Irgendwann konnte ich das und fragte mich, ob Lotta und ich nicht ein gemeinsames Hobby daraus machen könnten. Im Garten stand eine alte Viehtränke, ein steinernes Becken von rund zwei Metern Länge und eineinhalb Metern Breite. Mit vierzig Zentimetern nicht wirklich tief, aber immer gut mit kaltem, klaren Brunnenwasser gefüllt. Die Hundemeute nutzte die Tränke jedenfalls im Sommer ausgiebig. Und es war heiß in jenem Sommer, als ich fünf Jahre alt war.
Auch Lotta war heiß. Träge lag sie im Schatten unter einem Strauch. Ich pirschte mich heran und packte sie. Ein überraschtes Gackgack war ihre einzige Reaktion, aber sie war es ja schon seit einiger Zeit gewohnt, von ihrer menschlichen Freundin durch die Gegend geschleppt zu werden. Wie gesagt, es war wirklich sehr warm in diesem Sommer 1976. Also ging ich mit Lotta baden. Sie musste doch schwimmen können. Andere Federträger wie Enten konnten das doch auch. Als Lotta aus der anfänglichen Überraschungsstarre erwachte, strampelte sie heftig. Sie schwamm flügelschlagend neben mir herum. Sie wollte raus aus dem Bassin, das sah ich genau. Aber ich wollte, dass sie schwimmen lernt wie ich. Denn Bildung ist das halbe Leben, wie meine wissende Großmutter immer konstatierte. Nun, Lotta war dumm und wenig wissensdurstig und das kostete sie ihr Leben. Sie ertrank nicht. Sie starb an einem Herzinfarkt, nehme ich an. Sie hätte wissen müssen, dass es ungesund ist, bei einer solchen Hitze in eiskaltes Wasser zu steigen. So wurde ich zur Vogelmörderin. Ich deponierte die tote Lotta hinter meinem Dreirad und ging weiter spielen. Es gab noch ein anderes Huhn: Ludmilla. Aber das ist eine andere Geschichte.
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"vergessen Sie nicht: Manche Morde geschehen aus niedrigen Beweggründen. Meine Morde dagegen aus der Gier nach Wissen."
vielleicht bin ich da heute nur sensibilisiert, weil ich gestern 'das leben ist schoen' gesehen habe. also nicht zu ernst nehmen.
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