OstWind.

Unser Patenkind ist weg. Nein, nicht die kleine Nervensäge, auf deren Lauffortschritt nach dem Urlaub ich wirklich gespannt bin (außerdem entfällt dann das Rückenzerstörende An-der-Hand-halten). Sondern unser studierendes Patenkind aus Südkorea, das uns die hiesige Uni in einem dieser völkerverbindenden Programme vermittelt hat. Als ich den Gentleman und mich dort anmeldete, war ich erst einmal ein wenig skeptisch. Schließlich habe ich über unsere krege Praktikantenschar täglich Freud und Leid der Jugend vor Augen - und natürlich auch bisweilen ein leichtes Gefühl der Genervtheit, wenn das junge Mensch partout nicht genügend erwachsene Weitsicht entwickeln will, was Arbeitsabläufe oder gar zwischenkollegiales Miteinander betrifft.

Was beschäftigt denn so einen jungen Menschen, war die erste Frage, die ich mir stellte, denn ach: ich fühle mich alt. Zum ersten Mal in meinem Leben fehlt mir ein wenig die Verbindung zur jüngeren Generation, ich frage mich bisweilen, ob ich nicht langsam zur Gruppe "lächerliche Alte" gehöre, so samt altersungemäßer Kleidung, jugendmotiviertem Herumrasen auf der Vespa und Nutzung aller Social Networking Areas, die man heutzutage zu benötigen scheint.

Also, so ein junges Patenkind aus dem fernen Osten. Aber welche Überraschung! Eine offene, junge Dame aus Asien, deren Englisch leicht indisch angehaucht ist (jaja, man lernt heutzutage in Indien in Summer Schools besser Englisch als in Großbritannien), die gut ausgebildet dennoch auf dem heimischen Arbeitsmarkt Probleme hat, und deren Mutter ihr doch vorhält, statt noch einem Semester Studium im Ausland jetzt endlich einen Job zu suchen. Wie bekannt mir das auf einmal vorkam! Natürlich ist da immer diese asiatische Zurückhaltung, das Gesicht wahren als Lebensmaxime. Aber bei einem entspannten Bierchen hier, einer Studentenparty mit koreanischem Likörchen da, Eisbecher und Firmenbesuch kommt man hinter das Lächeln und erkennt den Menschen, die jugendliche Unbefangenheit ebenso wie die Angst vor der Zukunft.

Das war das wirklich Bereichernde an der Patenschaft. Langsam Vertrauen zu entwickeln, um auf beiden Seiten einen Blick auf die Seele zu werfen, gänzlich befreit von Kultur- und Altersunterschieden. Zum Abschied heute gab's von uns ein Buch mit den schönsten Fotos der nicht ganz so geliebten Universitätsstadt und von ihr eine Tüte mit ausgesuchten koreanischen Spezialitäten - samt dem von mir sehr geschätzten Reislikör! Der Ostwind treibt unser Patenkind zurück nach Korea. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.

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