Ja, die Freizeitgesellschaft. Acht Stunden Arbeit, eine Stunde Arbeitsweg, eine halbe Stunde Einkaufen, noch eine halbe Stunde Putzen, sieben Stunden Schlaf - da bleibt doch eine ganze Menge Zeit für Hobbys. Und wenn der Deutsche ein bisschen zu viel Freizeit hat, muss entweder ein Verein her oder er sucht sich irgendeine ausgefallene Beschäftigung wie etwa Rassehundeschauen besuchen oder seine ausgedehnte Orchideensammlung vervollständigen.
Im Verein herrscht dasselbe Regelgefüge, das in der Arbeitswelt zu finden ist. Feste Hierarchien werden mit verantwortungs- und hingebungsvoller Ämterverteilung zementiert, allzu kreative Zeitgenossen - „wir könnten doch mal andere Farben für die Club-Shirts nehmen als das fade Blau“ - mit Missachtung und Verweigerung von Aufstiegsmöglichkeiten zum Schatzmeister gestoppt.
Wem fehlender Gemeinsinn die genussvolle Teilnahme am Vereinsleben verwehrt, zieht sich gern auf die eigenen Talente zurück. Sogar so abstruse wie interessante Tätigkeiten wie Bauchnabel-Fluff-Sammeln (Wer nicht weiß, worum es sich handelt: manche sagen auch Bauchflusen dazu.) bekommen einen Sinn.
Einer anderen Sorte Hobbyisten begegnet man in der meistens leicht verhärmt aussehenden Frau um die Vierzig. Handwerklich nicht unbedingt begabt, werden Familienangehörige zu allen Gelegenheiten mit bemalten Seidentüchern, Batikhemden in grauenvollen Farben und Formen, Filzpantöffelchen, deren Geruch sogar den sich sonst freudig in Aas wälzenden Hund in die Flucht schlägt, und vielerlei Töpferwaren beschenkt.
Der - oft ebenso wie der Hund geflohene - Ehemann erduldet die Umfunktionierung des einstigen Werkraums in die Hobbythek seiner Holden. Der massive Tisch, an dem er früher dem Sohn Laubsägearbeiten beibrachte, biegt sich unter der Last an Stoffrestchen und Farbtöpfchen.
„Ich schau mal, ob ich die Sachen verkaufen kann“, sagt die Hobby-Fanatikerin tröstend. Und fortan gehört sie zum Heer der geduldigen Wochenend-Verkäufer, die auf Mittelalter-Märkten ebenso zu finden sind wie auf Wohltätigkeitsbasaren. Gern wird auch das Angebot von Maklern genutzt, die ihnen länger leer stehende Läden vermieten, im sicheren Wissen, dass in drei Monaten der vom Ehemann gewährte Startkredit mangels Käufern aufgezehrt ist, und wieder neue Kundschaft gesucht werden muss.
Wirklich lästig wird die Sache allerdings, wenn man selbst nicht in der Lage ist, sich zu beschäftigen. Wenn das Wochenende naht und nichts anderes geplant ist, als das sauer verdiente Geld in Boutiquen zu tragen oder die Wohnung zu putzen. Wenn die liebsten Menschen als Beschäftigungstherapeuten missbraucht werden. Und wenn der Fernseher läuft, obwohl definitiv nichts läuft.
Dann ist es an der Zeit, der ironischen Abneigung gegenüber Hobbys zu entsagen und wer weiß, vielleicht hole ich dann mal die Aquarellfarben oder die Stricknadeln hervor. Weihnachten kommt ja auch immer schneller als gedacht.
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