Runter kommen sie immer, erklärt der ältere Herr am Rande der Startbahn freundlich. Toll, denke ich, das beruhigt ungemein. Etwas zweifelnd betrachte ich mehrere Starts und Landungen der Segelflieger. M., der mir den Gutschein zu Weihnachten geschenkt hat, sieht mit wesentlich mehr Vorfreude zu.
Nach eineinhalb Stunden Autofahrt von Berlin in die tiefste Brandenburgische Provinz ist mir ohnehin mehr nach einem Badesee denn nach Fliegen.
Der ältere Herr, braungebrannt, einen ziemlich lächerlichen Stoffhut auf dem Kopf, nickt mir zu: „Jetzt bist du an der Reihe“. Und in seine Hände werde ich mich begeben. Hoffentlich hat er vom Fliegen mehr Ahnung als von Hutmode. Beim Einsteigen in den zweisitzigen „Bergfalken“ taucht das erste Problem in Form einer unbedingt mitreisen wollenden Wespe auf. Der ältere Herr, der sich mittlerweile als „Lolo“ (Lothar) und mein Pilot vorgestellt hat, erledigt die Wespe und verdient sich mein erstes Vertrauen. Obwohl - kann man jemandem trauen, der Lolo genannt wird und dessen enge Vereinsfreunde auf nicht minder blöde Kurznamen wie Ebi, Winnie und Traudi hören?
Ein Grund, aber kneifen ist feige, also bleibe ich im Flieger hinter Lothar. Kurze Erklärung der Instrumente, ein beruhigendes „Jetzt wird’s gleich ein bisschen steil“, das Windenseil strafft sich - und es geht ab in die Luft. Schneller als erwartet, mit gut 4 Meter pro Sekunde schießt der Flieger in die Höhe. Ebenso schnell steigt mein Adrenalinspiegel. Mein Herz! Kurzes Aussetzen. Dann schlägt es wieder, rasend schnell, zitterndes rechtes Bein, es wird die nächste halbe Stunde nicht mehr aufhören.
Ein heftiger Ruck. In 400 Metern Höhe klinkt sich das Windenseil aus. Kurzzeitig denke ich an den Notfallschirm, überlege, ob ich nicht lieber gleich springe. Aber dann: Wir steigen kreisend im Aufwind. 500, 700 Meter. Bis auf 1000 geht es hoch. Bei mir macht sich mittlerweile der Magen bemerkbar. Aber noch habe ich ihn unter Kontrolle. Geht ja gar nicht. Als Engel wäre ich wohl die absolute Fehlbesetzung. Ich würde ständig aus den Wolken kotzen.
Als der Höhenmesser 1000 Meter anzeigt, fliegen wir. Immer Richtung Jüterbog, Felder und winzige Gebäude unter uns lassend. In der Ferne wächst die Cargolifter-Halle wie ein Riesenpickel aus der Landschaft. Plötzlich taucht neben uns ein Bussard auf, bleibt eine Weile auf gleicher Höhe. Ich starre ihn an. Er starrt zurück. Denkt sich wohl: Arme Irre! Ich habe das gleiche Gefühl wie beim Tauchen, bin nur Gast in einem fremden Element.
Als ich mich gerade entspanne, kommt der nächste Schock. „Jetzt fliegst du“, sagt Lolo. Ich? Nee. Echt nicht. Spinnt der? Er nimmt die Hände vom Knüppel. Ich muss wohl. Und fliege. „Schön gleichmäßig, immer die Nase gerade“, sagt er. Ich halte mein (und sein) Leben in der Hand. Mein rechtes Bein zittert fleißig. Ganz so nervenstark wie ich dachte bin ich wohl doch nicht. Aber ich fliege. Ganze 10 Minuten darf ich steuern, mal eine Linkskurve angehen, mal nach rechts. Dann übernimmt er wieder und macht noch einen kleinen Scherz: Nase nach unten, mit 150 Sachen in die Kurve und noch mal steil nach oben. Ich lache, jauchze, würde ihm am liebsten in die Ohren brüllen. Toll ist das!
Unten sanft gelandet, denke ich, dass es eines der schönsten Geschenke war, die ich je bekommen habe. Danke, M.
Photos von M., der sich nach mir in die Lüfte geschwungen hat.
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