Die Marketingmaschine läuft gut geölt an. 20 Jahre Mauerfall mit allem Pipapo sind unter die Leute zu bringen, mit mal mehr, mal weniger kritischer Auseinandersetzung zu blühenden Landschaften vor und nach 1989. Manchmal frage ich mich, was wäre wenn. Wenn dieser seltsame Abend nicht gewesen wäre, diese Nachricht, die Grenze sei geöffnet worden, diese Bilder von lachenden, weinenden, sich so ungläubig freuenden Menschen, die einfach eine Grenze überschreiten dürfen, die für sie sonst fast unüberwindlich war. Die Gesichter der Grenzbeamten, deren Ausdruck zwischen Unsicherheit und Überforderung und beginnender Mitfreude wechselt. Was wäre, wenn.
Vermutlich hätte ich den Studienplatz in Frankfurt (M.) angenommen, statt auf das Nachrückverfahren für einen an der FU Berlin zu hoffen. Wahrscheinlich wäre ich noch einige Zeit bei meinen Eltern wohnen geblieben, bevor ich dann versucht hätte, in eine WG nach Frankfurt (M.) zu ziehen. Möglicherweise hätte ich mein erstes Studium auch nicht geschmissen, wäre nicht einer Liebe, die nicht halb so groß wie nötig war, nach Paris gefolgt, wo ich das erste Mal im Leben Bekanntschaft mit Kakerlaken und der bisweilen lähmenden Familienorientierung der Franzosen machen durfte. Es könnte sein, dass ich nach erfolgreichem Abschluss des Studiums eine Feld-, Wald-, Wiesenanwältin mit kleiner Dachwohnung, kleinem roten Cabrio und Perlenkettchen geworden wäre. Ich hätte irgendwann jemanden kennengelernt, ganz klassisch zwei Kinder bekommen und die Sommerurlaube gern in Frankreich verbracht, immerhin, das Haus am Atlantik gab es ja damals schon. Vielleicht wäre die Ehe nicht so toll gewesen, aber in der Stadt aus der ich stamme, ließ man sich auch in den 90ern nicht so schnell scheiden. Meine Kinder würde ich zu Ballett- und Volleyballstunden fahren, am Wochenende zu Leichtathletikturnieren. Ganz so wie ich als Kind. Das Erwachsenwerden hätte ich vielleicht einfach übersprungen und würde jetzt schneller alt als andere Menschen.
Möglicherweise hätte ich einige Fehler weniger gemacht. Möglicherweise aber auch einige ganz entscheidende mehr.
Vermutlich hätte ich sehr viele Menschen nicht kennengelernt, die mir heute unendlich viel bedeuten und deren anderer historischer Hintergrund mich manchmal überrascht, aber selten irritiert. Und ich hätte mit Sicherheit nicht den Einen gefunden, der von manchen als Lebensmensch betitelt, von mir aber der beste Mitreisende der Welt.
Insofern: Schön, dass es den Mauerfall gab, und ein Jeder mache ihn sich so schön wie möglich.
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Aber bin ich ja auch, ohne hätte ich zumindest den Job nicht.
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