Der Spezialist lässt auf sich warten. Vorher müssen noch Madame A und Monsieur B unter den Laser bzw. unter's Messer. Und Madame A ist, nun, ein wenig kompliziert. Erst flatuliert sie im Wartezimmer in sämtliche Ohren, was ihr nun Schlimmes wiederfahren würde, nämlich ein kleiner Schnitt mit dem Laserschwert. Und sie sei ja so sensibel. Dann, eifrig von der herbeigeeilten Sprechstundenhilfe umsorgt, jammert sie, dass sie un-be-dingt ein Sektchen bräuchte, bevor sie sich in den OP begäbe. Ohne könne sie nicht. Der Spezialist erscheint kurz, sorgt für medizinische Klarheit über Sekt als Narkosemittel und entsorgt Madame endlich im OP.
Monsieur B wiederum ist ein enger Freund des Spezialisten und hat "nur ein ganz kleines Anliegen, es dauert auch nur fünf Minuten". Aus den fünf Minuten werden locker 30, und ich sitze derweil mit weit getropften Pupillen da, kann weder lesen noch gucken und mopse mich ganz ungemein.
Dann endlich, nach zwei Stunden des Wartens, ruft mich der Spezialist, macht hier eine Untersuchung, dort eine andere und sagt schließlich: "Wir müssen eine Kontrastmitteluntersuchung machen, das ist alles nicht so deutlich wie erwartet." Schön, machen wir eine Kontrastmitteluntersuchung. Das Kontrastmittel muss aber irgendwie in mich gelangen. Am besten über eine Vene, meint der Spezialist und macht mir ein unter anderen Umständen hübsches Kompliment: "Sie haben so feine Venen, kaum zu finden, und ihre Haut ist so dünn."
Er braucht ca. fünf Versuche und den Wiederaufbau meines wackeligen Kreislaufs, bis er eine brauchbare Vene identifiziert hat. Er hat die Nadel schon in der Hand. Dann, plötzlich, ist sie wieder weg. "Hm", sagt er, "hm, da hilft nur heißes Wasser." Fürderhin halte ich meinen rechten Unterarm unter kochend heißes Wasser, bis er krebsrot, meine Fingerspitzen dunkelblaurot angelaufen und die Venen deutlich sichtbar aus dem Arm glühen. Ein erfreutes "hab ich doch gesagt" später fließt das Kontrastmittel durch meinen Körper. Es werden Fotos von meiner Netzhaut gemacht, ein hübsches CT vom Auge, dann kommt der Moment der Wahrheit.
"Tja", sagt der Spezialist. "Tja, ich kann Ihnen leider im Moment nicht helfen."
???!
Man habe normalerweise einen Grund für eine Netzhauteinblutung, fände wenigstens ein geplatztes Äderchen oder Gefäß, aber nichts davon sei bei mir die Ursache, und daher müsse man abwarten. Spätfolgen seien eher unwahrscheinlich, allenfalls bliebe ein kleiner, blinder Fleck übrig. Man sehe sich in einem Monat wieder.
Vielleicht sind meine zarten Äderchen die Ursache. Auf jeden Fall hatte ich ein naturwissenschaftliches Aha-Erlebnis. Kontrastmittel, in den Arm gespritzt, findet nicht nur in Sekundenschnelle den Weg ins Auge sondern auch in die Blase. So was kontrastreiches habe ich noch nie gesehen! Und werde es vermutlich auch nicht mehr. Aber, liebe Leser, das alles verdrießt mich nicht, dies zum Trost, denn letztlich bleibt die Erkenntnis: Besser so als eine Madame A oder ein Monsieur B, denen garantiert nicht mehr zu helfen ist.
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Merkwürdig finde ich, dass von Madame A und B so viele Klone herumlaufen. Irgendwas ist da evolutionstechnisch schief gelaufen.
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Ich kann eigentlich ganz gut warten. Im Warten bin ich schon irgendwie spitze. Gebt mir ein Buch und ich warte euch das Wartezimmer leer. Aber wenn ich nichts lesen kann, werde ich zum Homo impatientis.
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