Mehr zum Thema "Schöner sterben in Berlin" gibt's in einem meiner seltenen Beiträge im Hauptstadtblog.
Nein, liebe Leser, das wird jetzt kein düster-morbides Berlinbild. Dafür pulsiert in unserer 3,4 Millionen Einwohner-Stadt viel zu sehr das Leben. Für das Memento Mori bleibt wenig Zeit. Aber es lohnt sich, den Toten Berlins gelegentlich einen Besuch abzustatten. Getreu dem Motto: Schauen Sie doch mal rein – es könnte irgendwann einmal Ihr Heim werden…
Jeden Monat sterben in der Hauptstadt rund 2.600 Menschen (Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder). Diese können in 190 von den insgesamt 228 Friedhöfen Berlins ihre letzte Ruhe finden. Darunter finden sich neben den überwiegend evangelischen Bestattungsplätzen auch einige katholische, fünf jüdische, ein russisch-orthodoxer, ein muslimischer und ein britischer Friedhof.
Neben einigen Dorffriedhöfen aus den Anfängen der Stadtgründung – die ältesten sind z.B. Dahlem und Karow und datieren aus dem 13. Jahrhundert – gibt es in Berlin überwiegend sogenannte Alleequartierfriedhöfe, sauber in Parzellen und abgegrenzte Grabstellen geteilt, das moribunde Spiegelbild einer eng bebauten Stadt. Wer es sich leisten konnte, ließ sich im 19. Jahrhundert auf einem Parkfriedhof bestatten, mit repräsentativem Marmorgrabstein, goldener Ornamentschrift und Grabschmuck wie Urne, Todesengel und stilisiertem Efeu, Symbolen der Vergänglichkeit. Im 20. Jahrhundert kamen Waldfriedhöfe in Mode.
Natürlich kennen die meisten den Dorotheenstädtischen/Friedrichwerderschen Friedhof mit den Prachtgräbern Schinkels und August Borsigs. Auch Berthold Brecht und Heiner Müller liegen dort. Andere Friedhöfe haben politischen Anspruch: in Friedrichsfelde ruht, wer sich zu Lebzeiten mit Genosse und Genossin ansprach. Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Wer an der Ecke Greifswalder Straße/Platz am Königstor durch die schmiedeeisernen Tore des Sankt-Georgen-Friedhofs tritt, findet sich in der halbverfallenen Grandezza eines Parkfriedhofs wieder, komplett mit Marmorstelen und korinthischen Säulen. Sankt Georgen, 1814 eröffnet, 1970 geschlossen und 1991 wieder für neue Grabstellen geöffnet, beherbergt eine Vielzahl von schönen, alten Steinen und ist ein Rundgang durch die Geschichte des aufstrebenden Bürgertums im vorvergangenen Jahrhundert. Besonders die trauernde Grabfigur des königlich-preußischen Münzmechanikers Johann Gottlieb Ernst Kleinstüber (1773-1834) ist eine Rarität des Schinkelschen Klassizismus. Außerdem ist der kleine Totenhain eine Oase der Ruhe im brausenden Stadtverkehr.
Hinterher kann sich der geneigte Besucher in eines der trendigen Cafés des angrenzenden Kollwitz- und Wins-Kiezes setzen und bei kunstvoll geschäumter Latte Macchiato und gedecktem Apfelkuchen über die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens sinnieren. Memento te hominem esse – Bedenke, dass du ein Mensch bist. Denn die Lebenden sind die Toten von Morgen.
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