Partysan.

In Zeiten der Berlinale-Hysterie überfällt mich gelegentlich eine leise Nostalgie. Wenn die Stars und Sternchen so über den roten Teppich laufen, den Fotografen immer über die Schulter zulächelnd posieren, einen Fuß graziös abgestellt, das Spielbein leicht angewinkelt. Hinterher liest man dann von wilden Partys an skurrilen Orten, wer mit wem, warum und weshalb, Dinge, die ein Klatschreporter mit links erfährt und dokumentiert. Schlafen können wir auch noch, wenn wir tot sind.

Damals war es ein Spiel, ein wilder Sport, mit den Großen um Aufmerksamkeit zu buhlen. Wir bekamen die Information: da ist eine Party, das ist der Ansprechpartner, manchmal war sogar ein Scan oder ein Foto der Einladung dabei. Dann warfen wir uns in Partykompatible Klamotten, dem Anlass angemessen und der zu spielenden Rolle. Der Adrenalinkick kam beim Anblick der roten Teppiche, der Türsteher, der Fotografen und wurde noch stärker, denn wir wussten. Wir haben keine Einladung.

Einige von uns hatten das Glück, in eben jener Agentur zu arbeiten, der die Organisation der Events oblag. So kannten wir zumindest ansatzweise Notausgänge, Anzahl der Türsteher, Ansprechpartner für die Gästeliste ("Wieso stehe ich nicht darauf? Ich habe mit Frau XYZ gesprochen, die mir Einlass zugesagt hat, obwohl ich die Einladung verbummelt habe."). Manchmal klappte es, manchmal nicht. Dann schützte man einen dringenden Anruf auf dem Handy vor und zog sich langsam auf die Straße zurück.

Oder man benutzte den Küchenaufzug. Im Abendkleid ging es - die Verwirrte spielend, huch, wo bin ich denn hier gelandet - durch die geschäftigen Köche, bis man schließlich am Eingang zum VIP-Bereich landete. Dort nahm man dann am Nebentisch von Cloodia Schiffer Platz, die mit ihrem damaligen Verlobten Tim Jeffries plauderte, prostete einer schon damals stets übel gelaunten Franziska van Almsick zu und delektierte sich an Champagner und Schweinemedaillons. Tim Jeffries zwinkerte mir zu, als ich den Träger meines schwarzen Abendkleides wieder an seinen Platz schob. Ich zwinkerte zurück. Er hatte schöne, schmale Lippen und wahnsinnig blaue Augen.

Später dann wollte man sich zum gemeinen Partyvolk gesellen. Die Ausgänge der VIP-Bereiche sind meistens so gestaltet, dass hier noch einmal ein Defilee für die Fotografen möglich ist. Vor uns gingen Cloodia und Wolfgang Joop, grelles Blitzlichtgewitter. Sie lächelten, Jacketkronen blinkten mit Brillis um die Wette. Hektische Reporter schrieen Fragen, Mikrophone wankten bedenklich über den Köpfen von Cloodia und Wolfgang. Tim Jeffries hielt sich abseits und schaute gelangweilt. Ich glaube, er fand seine Verlobte schon damals blöd. Zu frolleinhaft. Dann gingen die Kameras aus.

Wir schritten unbehelligt und unbemerkt durch die Normalpartygäste. Wie leicht wäre es gewesen, einen Partysanenkrieg zu beginnen. Ich hätte doch mit Tim Jeffries knutschen sollen. Dann wären die Kameras und Blitzlichter angeblieben.

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