# 2: DieEbene.

Von der Bühne herunter schrie der Schauspieler wie ein Berserker. Unflätiges, Zotiges, ein wenig Schaum vor dem Mund, während eine Horde leichtbekleideter Nymphen wie Schneeflöckchen um ihn wirbelten, immer darauf bedacht, auf der schrägen Ebene nicht die Balance zu verlieren.
Tessa wisperte ihrem Begleiter zu: „Schon wieder eine schräge Ebene. Wird langsam langweilig.“ Sie machte sich einige Notizen.

Schon der Pressetext zum Stück hatte sie Schlimmes ahnen lassen. Er war dermaßen wirr geschrieben, dass sie einen Praktikanten als Urheber vermutete. Doch als sie die erste halbe Stunde der Aufführung hinter sich hatte, wusste sie, dass, wer auch immer über diese theatralische Zumutung schreiben musste, ihr Mitleid verdiente.

In der Pause ging Henning an die Theaterbar, während Tessa Kollegen von der Konkurrenz grüßte und in Gedanken genüsslich die ersten Sätze ihres Verrisses formulierte. Henning kam mit zwei Gläsern Sekt zurück. Na ja, eines kann ich ja, dachte sich Tessa und trank mit vorsichtigen Schlucken, während sie mit halbem Ohr Hennings bösartiger Rezension der Leistungen von Regisseur, Hauptdarsteller sowie des gesamten Ensembles lauschte. Er musste glücklicherweise nicht darüber schreiben. Chefredakteure befassten sich mit derartigen Niederungen kulturellen Schaffens nicht mehr.

"Henning, du musst die darüber liegende Ebene betrachten", mischte sich ein Kollege von der Konkurrenzzeitung ein. Tessa zog die Augenbrauen hoch. Der Hubertus mal wieder! Ein totaler Versager, hielt sich für einen intellektuellen Schwerarbeiter, war aber in Wirklichkeit doch nur ein Leichtgewicht. Mit dem war sie nicht mal ansatzweise auf einer Ebene.

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