Bremen empfängt mich mit einem leichten Sprühregen. An derlei feuchtfröhliche Begrüßungen bin ich ja nun seit einigen Tagen gewohnt und freue mich zurück. Endlich habe ich Gelegenheit, mir das Ende der Deutschen Märchenstraße anzusehen. Am Anfang steht meine Heimatstadt, deren Marktplatz das Denkmal der beiden großen Märchensammler ziert.
"...etwas Besseres als den Tod findest du überall...", heißt es für Esel, Hund, Katze und Hahn, bevor sie das Bessere in Bremen finden und deren Denkmal wiederum vor dem Rathaus steht, ganz blankpoliert die Beine des Esels. Es soll Glück bringen, wenn man sie reibt, aber ich denke eher an Bakterien aus aller Touristen Länder und unterlasse glückbringende Tätscheleien.
Also wandere ich durch das hübsch hergerichtete Schnoorviertel, bewundere die vielfältigen Möglichkeiten, mit Seemannskitsch Geld zu machen und lasse mich durch die Straßen treiben, ohne Ziel und mit immer griffnahem Regenschirm. Ruhige Seitenstraßen im Ostertorviertel gehen über in elegante Patrizierhäuser an der Contrescarpe, hinter deren weißgetünchten Mauern Rechtsanwälte, Galeristen und jene Gesellschaften ihren Geschäften nachgehen, die entweder sehr viel Geld kosten oder bringen.
Ich laufe und laufe und atme Weserluft an der Promenade ein, verwundert, wie wenig dieser streng geregelte Kanal dem grüngesäumten mäandernden Fluss ähnelt, auf dem ich in Kindertagen mit den Eltern gerudert bin, von Hannoverschmünden bis Porta Westfalica. Und die ganze Zeit geht mir eine Liedzeile nicht aus dem Kopf, die der Bremer Sven Regener (Element of Crime) über Delmenhorst singt:
"Sag Bescheid, wenn du mich liebst
Ich mach jetzt endlich alles öffentlich
Und erzähle, was ich weiß
Auf der Strasse der Verdammten
Die hier Bremer Straße heißt"
Sag Bescheid, wenn du mich liebst, summe ich, denke an einen anderen Sproß der Stadt und lächele. Die Straße der Verdammten führt manchmal mitten ins Herz.
Als freundliche Abschiedsgeste schauert es noch einmal kräftig, bevor ich den Rückweg nach Oldenburg antrete. Morgen fahre ich wieder heim nach Berlin. Ich wäre enttäuscht, wenn es nicht regnen würde.
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"Hier findet der Weltuntergang zweimal täglich statt", behauptet der liebe Freund C. und spricht damit sogleich eine Einladung aus. C., der vor einigen Wochen seinen Wohnsitz von Amsterdam ins eher beschauliche Oldenburg verlegt hatte, erläutert diese Aussage nicht näher, empfiehlt jedoch, wetterfeste Kleidung und Schuhe mitzubringen.
"Wir haben Sommer", entgegne ich und packe natürlich all die hübschen Dinge ein, die einen weiblichen Körper gleichzeitig so trefflich be- und entkleiden können. Wenn die Temperatur knapp über 20 Grad steigt, jedenfalls.
Als ich in Oldenburg aus dem Zug steige, nieselt es leicht. Ich bin in ein leichtes Sommerkleid gewandet, habe aber wenigstens eine Strickjacke angezogen. C. bewundert den exquisiten Schnitt des Kleides. Als wir durch die hübsche Innenstadt spazieren, trägt C. meine umfangreiche Tasche etwas enger an sich, damit das feine Rindsleder nicht durchnässt wird. Ich trage den Schirm und versuche, den 2-Meter-Mann mitsamt Reisetasche, das Laptop, die Handtasche und meine Gänsehaut darunter zu verstauen.
Als wir nach strammem Fussmarsch durch die Wohnungstüre treten, haben wir eine lange Tropfenspur im Treppenhaus hinterlassen. Draußen geht derweil sintflutartiger Regen hernieder, der mittels starker Böen auch auf die überdachte Terrasse von C.s Wohnung verteilt wird.
Wir trinken einen Tee mit Rum, denn "das ist das einzige, wovon mir hier warm wird", sagt C. "Und was kann ich hier noch so machen", frage ich. Den Weltuntergang habe ich ja schon gesehen. "Was man in Oldenburg so macht, wenn die Sonne länger als zwei Minuten scheint: Wir könnten in die Strandbar am Yachthafen gehen", schlägt C. vor. Man lernt nie aus. Oldenburg liegt nicht nur in Oldenburg sondern auch inmitten eines riesigen Schlechtwettergebietes. Und hat eine Strandbar.
Morgen fahre ich nach Bremen. Mal sehen, was die Heimatstadt von Sven Regener und seinem mildesten Kritiker so zu bieten hat. Sonne, vielleicht?
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"Du hast geile Lederbrüste."
Assoziationen von Männern in angesäuseltem Zustand zum Thema Motorradjacken entbehren nicht einer gewissen Komik.
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Vergesst Prozac. Kauft Schuhe.
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Gestern auf der Dachterrasse:
"Guck mal, eine Sternschnuppe!"
"Bist du sicher, dass es nicht die verglühende Discovery ist?"
"Egal. Ich wünsche mir trotzdem was."
Bei einem so schönen Sternenhimmel ist das ja auch schnuppe.
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Wie viele Schäden sie an der Discovery wohl noch entdecken? Erinnert mich an meinen alten Ford Escort, an dem mal der Außenspiegel unvermittelt abfiel, mal das Schiebedach undicht wurde. Nur wäre ich nicht auf die Idee gekommen, mit ihm die Rallye Paris Dakar zu fahren.
'Mit dem Ford fort, mit dem Zug zurück', lästerten Viele. Muss es bald heißen: Mit der Discovery fort, mit der Sojus zurück?
Ein Fall für Spaceballs. Lone Starr, übernehmen Sie!
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Vorsatz: In Zukunft bei mittelstarkem Nieselregen zum Rollerfahren mein Cape überwerfen. Dann sehe ich auch nicht mehr aus, als sei gerade die Milch eingeschossen. Kommt so richtig gut bei Verabredungen mit dem Lieblingsmann in hell ausgeleuchteten, gut besuchten Cafés. Kommt fast genauso gut in Lesesälen der Staatsbibliothek.
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Grete schreibt aus dem Urlaub: "die bedeutung von urlaubskarten wird gemeinhin unterschaetzt."
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1. Was frühstückst du an einem normalen Tag?
Wenn ich arbeite: Nichts. Maximal einen Milchkaffee. Es erfordert schon genug Energie, meinen Luxuskörper in einen sozialverträglichen Zustand zu versetzen. Außerdem schlafe ich regelmäßig unter der Dusche ein (im Stehen). Wer hat da noch Zeit für Frühstück?
2. Was frühstückst du an deinem freien Tag?
Ich schlafe sehr aus (meistens geht dem ja eine wilde Nacht voraus). Nachdem ich mich unter der Dusche endgültig ausgeschlafen habe, esse ich. Und zwar, was der Kühlschrank hergibt. Im Idealfall sind Orangen- und Brombeermarmelade, Honig, feine Salami, Käse in vielerlei Variation, feiner Schinken, Pâté und diverse Brotsorten vorhanden. Dazu Milchkaffee, viel davon, und Orangensaft. Prosecco kann, muss aber nicht (pseudocooles Gesöff). Zeitung, schweigend gelesen. Wenn ich genug Geld und friedliebende Mitstreiter habe, geht es ab ins Café zum Brunch. Empfehlung des Hauses: Café November in der Sredzkistraße/Ecke Husemannstraße. Brunchbüffett mit Waffeln zum Selberbacken immer sonntags und günstig.
3. Wann frühstückst du?
Im Allgemeinen nicht. Als Arbeitslose hätte ich zwar alle Zeit der Welt, aber ich stehe trotzdem früh auf. Im Gegensatz zu meinem Hunger.
4. Bist du mit bestimmten familiären Glaubenssätzen oder Traditionen zum Frühstück aufgewachsen?
Oh ja. Die von mir gepflegte schöne Tradition des morgendlichen Ausweichens vor der Familie.
5. Welche Erinnerungen verbindest du mit Pausenbroten oder Lunchboxen?
Als unkontrollierbare Trendsetterin strich meine Mutter regelmäßig vegetarische Pasten auf meine Schulbrote. Ich hätte Pâté vorgezogen.
6. Was wäre für dich ein luxuriöses Frühstück?
Mit meinem Traummann auf einer Terrasse am Mittelmeer sitzen und ausgiebig die leckersten Spezialitäten genießen, die das Land zu bieten hat. Dazu gegenseitiges, verständnisvolles Schweigen während der Zeitungslektüre gefolgt von hitzigen Diskussionen über das allgemeine Tagesgeschehen, die in noch heißerem Sex enden. Noch Fragen?
7. Wie, wo und wann würdest du am liebsten frühstücken?
Siehe Antworten 2. und 6.
8. Kannst du dich an ein ganz besonderes Frühstück in deinem Leben erinnern? Was war daran bemerkenswert?
Siehe Antwort 6. Es war der Luxus des Ganz-bei-sich-Seins.
9. Was darf auf einem Frühstückstisch auf keinen Fall fehlen?
Milchkaffee. Na gut, ich nehme auch Espresso.
10. Was möchtest du uns noch zum Thema Frühstück sagen?
Bleibt gesund.
via Kaltmamsell
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Henryk M. Broder interviewt den von mir sehr geschätzten niederländischen Schriftsteller Leon de Winter ('Super Tex'). Letztlich habe ich mich über die meisten Aussagen des Herrn nur aufgeregt. „Nach dem linken Faschismus der Sowjets, nach dem rechten Faschismus der Nazis, ist der Islamismus der Faschismus des 21. Jahrhunderts.“ Solche Sätze treiben mir die Zornesröte ins Gesicht. Das ist populistisches Geschwätz ohne das mindeste Verstehen des wahren Wesen des Faschismus. Don Dahlmann legt erschöpfend dar, wie de Winters Argumentationskette bei ein wenig mehr Hinterfragen (leider hat der von mir ebenfalls sehr geschätzte Henryk M. Broder genau dies nicht getan) auseinanderfällt.
Wir schaffen keine bessere Welt, Herr de Winter, indem wir genau das Recht mit Füßen treten, das Extremisten in die Luft bomben. Das Recht auf Leben, in welcher Form auch immer, ist das höchste Gut einer Gesellschaft. Sie wollen es für bestimmte TäterMenschengruppen abschaffen. Herzlich willkommen im Faschismus!
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Ein fast zugewachsenes Ohrloch entdecken und es für das schönste der Welt halten.
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Eine Empfehlung des Hauses: Badeschiff (Arena-Gelände Unter den Eichen 4, Berlin-Treptow)
Auch die trendige Mitte-Possy braucht ab und zu eine Erfrischung. Und weil das nur in einer standesgemäß coolen Umgebung der Fall sein kann, hat der altgediente Party-Veranstalter Christian de la Motte auch dieses Jahr wieder die Pforten des Badeschiffs geöffnet.
Mehrere verschachtelte Sonnendecks mit Liegestühlen, Hängematten und einige Tonnen Sand bieten dem von ausschweifenden Nachtaktivitäten gebeutelten Szene-Hopper guten Grund, sich und seine modischen Accessoires auszubreiten und ein wenig auszuschlafen.
Wer dann fit genug ist fürs Work Out, springt in ein türkisblaues Becken direkt an der Spree. Eine alte Schute wurde umgebaut in ein passables 20-Meter-Becken, an dessen Rand der Mitte-Mensch seinen Luxuskörper auf abgeschrägten Liegeflächen Sonne und Bewunderung darbieten kann.
Ach ja, und weil dieses Wochenende unter dem Motto 'Musik und Kultur' stand, darf die musikalische Untermalung natürlich nicht fehlen. Wer von der elektronischen Dauerbeschallung im Weekend noch Ohren hatte, konnte im Badeschiff die sonntägliche Klassikrunde der Yellow Lounge genießen. Eine Harfensolistin der Berliner Philharmoniker zupfte ebenso ambitioniert wie ein wildes Percussion-Ensemble trommelte und dazwischen mixte der DJ geläufige Stücke aus Barock und Film, leicht und bekömmlich. Das Geigensolo von Yitzhak Perlman aus Schindlers Liste nach Maria von Bernstein - das muss sich schon mal einer trauen!
Nach drei Stunden ungehemmter Hautalterung packt die Mitte-Tussi mit dem Mitte-Boy die Sachen und vespat von dannen. Nicht ohne darüber nachzudenken, ob der Musikkonsum nebst Badevergnügen 7 EUR wert sein sollte.
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Nach der Rückkehr aus dem Park feststellen, dass auch eine VESPA eingeparkt werden kann. Den Kopf schütteln, versuchen, die Süße aus der eingekeilten Situation zu befreien und einen Passanten bitten müssen, sie mit vereinten Kräften aus der Parklücke zu heben.
Auch denken: Zwei Räder werden oft nicht für voll genommen. Kurz links und rechts schauen und dem blöden Transporter aus Großbritannien, Ursache für das Parkproblem, gegen die Felge treten.
GummiFersengeld geben.
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Manchmal frage ich mich, ob verknallt ein Synonym für verliebt ist oder nur ein kurzes rauschhaftes Gefühl, das den Anforderungen zweier vernunftgesteuerter Menschen mit überdurchschnittlich ausgeprägten Neurosen nicht Stand halten kann.
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Eine Empfehlung des Hauses: Coffy-Club. Winsstraße/Ecke Immanuelkirchstraße
"Koffie? Coffie? Coffy? Was ist das denn für ein Laden? Verkaufen die da illegale Drogen?", fragt mein Begleiter irritiert. Ich beruhige ihn mit der Antwort, dass das einzige Stimulans dort Musik sei. Musik, die nicht im Radio gespielt wird. Musik, auf die unsere Eltern tanzten. Musik, die direkt in die Blutbahn geht, das Herz zum Rasen bringt und die Beine zum rhythmischsten Zucken seit Ska. Dass ich lüge, kann man in der plüschigen Dunkelheit ohnehin nicht sehen.
Von 'The Who', als sie noch die 'High Numbers' hießen und sich anhörten wie eine Vorstadtcombo auf Speed bis zu einer Harlem Shuffle Version von 'Lola' (The Kinks) wird dort alles gespielt und vor allen Dingen getanzt, was die 60er und die Motown-Phase der 70er so hergaben.
Nach dreistündigem Dauertanzen lässt sich der Begleiter erschöpft in den Sessel fallen: "Mein Gott, was für ein geiler Laden!" Er grinst beglückt. Ganz ohne Drogen. Fast.
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