Kunst des Sozialismus.

Eine ehemalige Studienfreundin fing bereits im ersten Semester an, ihr Geld in Kunst anzulegen. "Die DDR-Künstler werden noch mal an Wert gewinnen", sagte sie zur Erklärung einer Radierung, die sich mir auch bei genauer Betrachtung nur schwer erschloss. Leider hatte ich damals weder die finanziellen Möglichkeiten noch den Sachverstand, den ich natürlich auch heute noch nicht besitze, um mir rechtzeitig einen Bestand an DDR-Kunst zuzulegen, deren nachhaltiger Wertzuwachs der Studienfreundin von einst eine Mitgliedschaft im Verein der Freunde der Nationalgalerie eingetragen hat.

Nun bietet ein Ausflug in andere Länder nicht nur die Möglichkeit, sich mit deren Sehenswürdigkeiten und kultureller Vielfalt auseinander zu setzen, sondern ganz profan dem Shopping von Dingen, die hier gar nicht, nur schwer oder sehr teuer erhältlich sind. Kunst, die mir gefällt, ist leider meistens verflucht teuer oder zu groß für eine 57 Quadratmeter-Wohnung. Die Wände meiner Wohnung bedürfen nicht nur dringend eines frischen Anstriches sondern auch einiger Farbtupfer von künstlerischem Wert. Es muss also dringend Kunscht her und die bitte auch nicht teuer.

Wir also in Vietnam beim Gang durch die Galerien. "Mich flasht hier nichts so richtig", sagt der Gentleman angesichts der Vielzahl von Bildern, die in immer neuen Varianten gertenschlanke Damen in traditioneller Kleidung (Ao Dai) zeigen. Ich stimme zu und wandere dennoch weiter von Laden zu Laden, wo ich nebenbei noch eine Vielzahl an schicken Taschen, T-Shirts und Küchengeräte erwerbe.

Auf einmal finden wir uns vor zwei Bildern wieder, die uns zunächst nur ein schweigendes Starren entlocken. "Das rote", sage ich und frage den Galeristen nach dem Preis. "Wieviel wollen Sie für beide Bilder?" Ich tue so, als sei der Preis viel zu hoch, obwohl ich für das Rahmen der Bilder später mehr bezahlen muss. Wir teilen mit, dass wir es uns überlegen würden und gehen. "Was meinst du", frage ich den Gentleman, der sich eher Gedanken um den Transport als den Preis macht. "Lass uns Morgen nochmal vorbei gehen", antwortet er, wohl wissend, dass es 'geflasht' hat, mit dem blauen Bild bei ihm und dem roten bei mir.


Am nächsten Tag feilsche ich. Ich hasse Feilschen, immer stelle ich mir vor, wie viel Geld ich habe und wie wenig der Verkäufer. Aber hier bleibe ich einigermaßen hartnäckig und drücke den Preis um 30 Prozent. Die Bilder werden vom Rahmen genommen, klein gerollt und in ein Abwasserrohr gesteckt, das den Transport vereinfacht und gleichzeitig jeglichen Wassereinbruch (Taifun, Monsun) verhindert.


Jetzt haben der Gentleman und ich je ein Gemälde eines sozialistischen Meisters und warten auf den Wertzuwachs. Die Rahmung hat jedenfalls schon mal den Wert verdoppelt. Und ich kann der ehemaligen Studienfreundin bei unserem nächsten Treffen sagen: "Weißt du, die sozialistischen Maler von Heute sind erheblich wertbeständiger. Wie gutes Holz."

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Also das blaue
hätte mich auch locken können. Aber würde ich mir wirklich ein Bild an die Wand hängen wollen, das in einem Abwasserrohr gesteckt hat? Ich weiß ja nicht. Aber gut, wenns der Wertsteigerung dient... ;-)

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Ts. Mein Stiefvater meinte zu meiner Wahl: "An diesem Bild hätte ein Psychoanalytiker seine wahre Freude."

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Gut,
bei Motiven à la "rotnasige Mönche beim Verkosten im Weinkeller" oder "Hirsch vor Mittelgebirgslandschaft" gibts vergleichsweise wenig zu deuteln. Aber entsprechend geringer dürfte auch die Wertsteigerung ausfallen...

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Gratulation! "Kunst kann man auch kaufen", heißt es. Sieht an der Wand zudem meist besser aus als irgendwelche Anteilsscheine.

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