Diese Zeit.

An einem schönen Sommertag war die Welt plötzlich einige Grade dunkler. Ich wurde das erste Mal in meinem Leben entlassen. Gut, wenn man die zweieinhalb Wochen in einer PR-Beratung bei einem ganz und gar unmöglichen Chef, der übrigens immer noch und immer wieder Leute sucht, und ich verrate jedem gern auf Anfrage, um wen es sich handelt, denn empfehlen kann ich diesen Arbeitgeber nicht, na, jedenfalls, wenn man diese Kündigung, die ich ja dann auch gern akzeptiert habe, übersieht, dann war es meine erste Entlassung.
Beim ersten Mal tut es ja noch besonders weh, heißt es für die Liebe, aber da habe ich mehr Erfahrung und kann nur sagen: Leute, es tut immer gleich weh, wenn man liebt und entlassen wird. Ich bin schon zwei-, dreimal entlassen worden, und weiß, wovon ich rede. Gerade der Letzte vor einigen Wochen, der hat mich quasi entlassen, oder ich ihn, wie auch immer. Also war ich gezwungen, mich zu entlieben oder versuche es zumindest.
Nun habe ich meinen letzten Arbeitgeber nicht gerade geliebt, aber manchmal machte der Job Spaß. Und alles, was Spaß macht, gibt Kraft und Lebenssaft. Beides an diesem schönen Sommertag weg. Es wurde dunkel. Viereinhalb lange Monate ohne Licht sind hart.
Mit der Entlassung verschwand das Geld, nur 60 Prozent von einem ohnehin für meine Qualifikation nicht gerade üppigen Gehalt bleiben, gerade genug zum Überleben. Mit der Entlassung verschwand aber auch all jenes, von dem ich bislang dachte, dass es meine Persönlichkeit ausmacht: Der Mut, quer zu denken, zum Beispiel, verschwand fast sofort. Der Fokus verengte sich auf das Ertragbare, nicht auf das Mögliche. Ich fing an, mir selbst Grenzen zu setzen. Dann verlor ich das Lachen. An einem nicht mehr ganz so warmen Spätsommertag hingen meine Mundwinkel tiefer als der Marianengraben. Und wollten und wollten sich nicht mehr heben. Dann ging an einem Tag im September das Selbstbewusstsein flöten. Du bist arbeitslos. Keiner will dich. 50 Bewerbungen. 14 Vorstellungspräche. Vier zweite Runden. Kein Job. Keiner will dich.
Du verkaufst dich als Freie, schreibst, schreibst, schreibst, und die Auftraggeber kommen dir vor wie Freier, die wissen, du würdest irgendwann alles tun, ohne Gummi, ohne Schutz, nur, um das zu haben, was dir früher so wichtig war: Den täglichen Schuss Arbeit.
Irgendwann kommt der Tag, an dem dir alles egal ist. An dem du trotz deiner täglichen Disziplinarmaßnahmen (Aufstehen um acht, spätestens um neun am Schreibtisch und dann durchschreiben und –bewerben bis halb sechs) keine Lust mehr hast auf das Draußen. Die Wohnung wird erst zur schützenden Höhle, dann zum Gefängnis. 56 Quadratmeter Gefängnis. 56 Quadratmeter Hölle.
Wenn du auf die Straße gehst, dann kommst du dir vor wie ein Stigmatisierter: Die sehen es alle. Du bist arbeitslos. Nicht mal ein Alibi-Kind kannst du vorweisen. Die Welt ist dunkler als schwarz, und nur der Erhaltenstrieb, den du dir nach der Lebensentscheidung vor einigen Jahren angeeignet hast, bringt dich dazu, jeden Tag wieder aufzustehen.
Auf einmal klappt es dann doch, ganz unvermutet, wozu Beziehungen gut sein können, weißt du jetzt, und du schwörst, dass du in Zukunft für andere Menschen genau das tun wirst, was da jemand für dich getan hat: Mitdenken. Mitfühlen. Eine bislang unterentwickelte Tugend bei dir.

Was man in solchen Zeiten lernt? Überleben. Demut. Mut. Dass meine Persönlichkeit aus mehr besteht als meinem Job und dessen positiver Beigaben. Zähigkeit, Durchsetzungskraft, Flexibilität, Willensstärke. Und nicht zuletzt, dass mich meine Freunde ertragen, egal, wie weinerlich ich manchmal war, wie unerträglich deprimiert und oft extrem aggressiv. Vielleicht hätte ich es nie gelernt, wenn ich nicht entlassen worden wäre. Aber noch mal, nö, noch mal muss das nicht sein.