KriegsKind.

Vielleicht war es dieses ewige Kämpfen um Erfolg, um Anerkennung und Sicherheit, das ihn in den letzten Jahren so diskussions-, ja, disputfreudig machte. Das ihn dazu brachte, sich gegen vermeintliche Feinde aus dem Ausland, gegen die vermeintlichen Gewinner der Wiedervereinigung auszusprechen. Das ihn mich gelegentlich provozieren ließ, mal sehen, was sie dazu sagt, wenn ich sie auf ihre Herkunft reduziere.

Nicht mit mir, sagte ich, und ich denke, dass wir danach besser miteinander auskamen. Dass wir einander respektieren konnten, obwohl wir so unterschiedlich waren, er, der örtlich wie politisch Verwurzelte, und ich, die Wurzellose, die gleich einer Schlingpflanze an seinem Sohn emporrankte auf der Suche nach Wärme, nach Liebe.

So ein Leben macht einen mitunter ratlos.

Wie soll es erst einem ergehen, dem der Vater im Krieg verschollen geht, der seine Mutter mit Anfang zwanzig verliert und dem drei kleine Geschwister zu ernähren sind? Einem, der gegen alle Widerstände studiert, sich so weit es geht, dem System fernhält, einem, der sich anpassen muss, wieder und wieder. Der nach der Wende ein Stück Sicherheit und Anerkennung verliert und dann erneut aufbaut. Ein Kriegskind, ein Krieger, ein müder Kämpe.

Schlafe wohl.

(E.S. 1935-2014)

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Orte der Kindheit III.

Für meine Mutter musste es Lord Extra sein, während mein Vater nur "Camel ohne" an seine Lungenbläschen ließ. Über Passivrauchen von Kindern machte man sich in den 70er Jahren eher weniger Gedanken, und wenn ich mich wagte, auf kalten Winterfahrten das hintere Fenster ein wenig herunter zu kurbeln, musste ich darauf gefasst sein, recht schnell ein "Zumachen, es zieht!" zu hören und meine Nase resigniert in das Polster meiner Rückbank zu drücken. Wenn ich ganz genau schnupperte, konnte ich sogar ein bisschen die Abgase von draußen riechen.

Unser Renault 19 roch immer ein bisschen intensiver als andere Autos, das kenne man ja von den Franzosen, behauptete mein Großvater und wusch stur seinen Opel Kapitän und später den großen Mercedes. Und wenn ich mich sehr konzentrierte und den Atem ganz bewusst einsog, war da doch auch noch ein bisschen etwas vom Brötchen mit Landjäger und mehr zu riechen von letztem Jahr, als wir über das Aosta-Tal an die Riviera fuhren und mir von der schneidigen, fast italienischen Fahrweise meines Vaters nur ein ganz kleines bisschen schlecht wurde. Oder das hartgekochte Ei vom Jahr davor, als wir irgendwo vor Ljubljana im Stau standen, fast vierzig Grad Hitze draußen und ich meine linke Kontaktlinse in dem grässlichsten Hotel verloren hatte, das ich mit meinen fünf Jahren kennen lernen durfte. Und ein ganz kleines bisschen stärker als alle Urlaube der Welt roch es immer auch nach dem kalten Zigarettenrauch, der sich in den Polstern einnistet, egal ob der Fahrer aus dem Fenster raucht oder nicht.

Manchmal roch es auch nach Tränen, wenn ich reiten lernen wollte und nicht durfte, damit ich "keine breiten Hüften bekomme". Nun ja. Sie kennen mich ja nicht. Aber ich versichere Ihnen: Lassen Sie Ihre Töchter reiten lernen, wenn sie wollen. Es ändert nichts an den Genen. Aber das weiß man ja immer erst hinterher.

Komisch nur, dass ich nie angefangen habe zu rauchen.

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Orte der Kindheit II.

Stellen Sie sich ein Westdeutschland Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts vor. Es gibt Fachgeschäfte für die meisten Dinge des Lebens, Einkaufszentren und Shopping Malls sind exotisch beziehungsweise Zukunftsmusik, Läden dürfen maximal bis 18.30 Uhr unterwöchig bzw. bis 14 Uhr samstags geöffnet haben. Kollegen verabschieden sich mittags mit "Mahlzeit" und eilen zur selben nach Hause, im sicheren Gefühl, dass von 12 bis eins keiner vor dem Laden steht, keiner in der Firma anruft. Denn: Deutschland macht Pause. Ohne wenn und aber.

Auch in der Firma der Großeltern, in der mein Vater, der Juniorchef, und meine Mutter - „sie hat das ja studiert, also kann sie das“ - mitarbeiten, schließt um kurz nach 12 Uhr mittags der Stift das Messingschloss des Büros ab und begibt sich in die „Leutestubb“*.

In der „Leutestubb“ warten schon die Kollegen auf ihn, um ihn liebevoll aufzuziehen, wenn er wieder einmal ein komplettes Menü in der Blechassiette auspackt. Seine Mutter sorgt sich halt um den „Bubb“. Dort ist auch der einzige Ort auf dem ganzen Firmengelände, wo die Mitarbeiter rauchen dürfen (außer im Büro des Juniorchefs und der Chefin), denn es ist ein Holzgroßhandel und man mag es sich gar nicht vorstellen, was ein Funke bewirken könnte. Entsprechend verqualmt ist der Raum. Sechzehn Männer unterschiedlichen Alters, Handwerker, Ungelernte, aus der Region stammend oder als „Polacke“ nach der Zwangsarbeit im Krieg hängen geblieben. Und der Neuseeländer, von dem mein Vater anerkennend sagt, „der habe was auf dem Kerbholz, aber wenigstens säuft er nicht“.

In der Leutestubb stehen auch Kisten mit Getränken, die meine Großeltern bezahlen. Zitronenlimo, Orangenlimo, Wasser und einmal in der Woche am Freitag ein Kasten Bier, der dann schon mittags leer ist. Das ist der Tag, an dem ich es hasse, wenn ich nach der Schule in die Leutestubb geschickt werde. Meine Aufgabe in der Firma ist es, den Sechzehn auszurichten, wann meine Großmutter die Lohntüten ausreicht. Lohntüte, immer freitags, immer nachmittags. Die Kollegen wissen eigentlich Bescheid, aber meine Großmutter möchte das so. Sie ist da sehr Herrschaft.

Ich gehe also in die Leutestubb, gleich gibt es Mittagessen, ich muss mich beeilen. Die Sechzehn sitzen dicht an dicht um den großen Eichenholztisch, es ist furchtbar verqualmt, es riecht nach Bier und Essen, einige der Männer haben schon einen glasigen Blick. Ich muss husten und vermeide, es zu bemerken, dass da eine Flasche Schnaps auf dem Tisch steht.

„Ei gude“, sage ich, „ab halb fünf.“ „Ei gude“, antwortet der Platzmeister W., dessen Bruder Dieter auch bei uns arbeitet, und von dem mein Vater sagt, dass er behindert ist, meine Mutter, dass er deswegen Steuern spart und eingestellt wurde und der von meinem Großvater ganz gern mal rumgeschubst wird, wenn er nicht gleich kapiert, was er von ihm will. Einer steht in der Hackordnung immer ganz unten und hier ist es der Dieter. Dieter hat das Down-Syndrom, er ist schwerfällig und langsam und darf ganz und gar nicht an der Kreissäge stehen, das hat er mit mir gemein. „Und wie war's heut in der Schul?“, fragt W., der kümmert sich um alle in der Mannschaft, auch um mich, ich gehöre irgendwie auch dazu. Auf jeden Fall gibt er mir nachmittags immer was zu tun: Latten ausrichten, Kanthölzer sortieren, Sägemehl fegen und in Säcke füllen. „Hilfste dem Dieter nachher noch e bisssche? Mer kennt noch e Säckelsche Seschemehl brauche.“ Mache ich. Ich werde auch nichts von der Schnapsflasche erzählen. Trinken, das hat meine Großmutter, die Chefin, verboten. Wer trinkt, fliegt. Bier ist okay, freitags, und dass ihre Schwiegertochter, meine Mutter, sich oft mehr Sektchen und Cognac genehmigt als gut ist, übersieht sie großzügig.

Später fegen der Dieter und ich Sägemehl zusammen. Neben der Kreissäge. Dieter singt vor sich hin, ich denke an die großen Ferien am Chiemsee, bald geht es los. Auf einmal heult die Kreissäge auf. Der Dieter lacht und singt und schiebt ein Brett in die Sägeschiene. „Hör auf“, schreie ich, „das dürfen wir nicht!“ Dieter hört nichts, er trägt noch nicht mal einen Gehörschutz wie der Zuschneider, ein finsterer Mann, der nie etwas zu hören scheint. Er schiebt ein Brett nach dem anderen an die Kreissäge. Ich überlege, was zu tun ist. Eine Sekunde zu lang, denn da ist plötzlich Blut und der Dieter schreit. Sein Daumen, der linke, aber ich weiß es nicht mehr genau, hängt nur halb abgeschnitten herunter. Das helle Sägemehl wird rotfleckig, der Dieter fällt lautlos hinein. Ich renne zur Kreissäge und ziehe den Stecker, während das führungslose Restbrett von der Sägeunterlage geschleudert wird. Da kommt auch schon der W., der Zuschneider rennt heran, der war nur kurz auf dem Örtchen, alle kommen sie. Ich stehe nur da und heule wie ein Schlosshund. Muss der Dieter sterben? Das ist doch alles meine Schuld! Ich weiß doch, dass wir da gar nicht an der Kreissäge spielen dürfen!

Ein oder zwei Wochen später ist der Dieter wieder auf Arbeit. Den Daumen konnten die Ärzte wieder annähen. Jetzt trägt er einen dicken Verband und singt wieder. Aber es gibt kein Bier mehr in der Leutestubb. Und die Sache mit der Schnapsflasche ist auch irgendwie rausgekommen. Jedenfalls ist der Neuseeländer nicht mehr da. Hat wohl doch was auf dem Kerbholz gehabt.


*es wird versucht, den hessischen Dialekt dort wiederzugeben, wo es notwendig ist.

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Orte der Kindheit I.

Es ist der Geruch nach den dicht gefüllten Rosen, ein leichter Dunst, der von der nahen Kuhwiese des Gassner-Bauern herüberweht. Den Saurierrücken der Kampenwand kann man nur erahnen. In der Küche klappert die Omama mit dem Geschirr, gleich wird sie mich zum Bauern schicken, mit der Plastikmilchkanne. Dort treffe ich das Lieserl, die Braunbunte mit der rauhen Zunge und Wimpern, auf die jede Frau neidisch wäre. Vom nahen Holzplatz höre ich den Gabelstapler brummen. Der Großvater arbeitet, damit er der Omama zwischen den Füßen weg ist. Sie sprechen gerade nicht so viel miteinander. Kann am Besuch des Freundespaares liegen, deren Tochter doch verdächtig dunkle Augen hat, fast genauso wie die meines Großvaters, das ist das sizilianische Erbe. Hat sich bei mir nicht durchgesetzt. Ich habe blaugraue Augen und mittelblonde Haare. Dunkel werde ich erst später werden, genauso wie meine Halbgeschwister. Das und die Ohren, darin sind wir uns genetisch einig.

Meine Füße stören die Ameisenstraße. Die kleinen Schwarzen machen einfach einen Umweg um meine Zehen. Ein Spiel: Wie lange kann ich sie ärgern, ohne dass mich eine zwickt? Mir ist ein bisschen langweilig. Es gibt hier gar nicht so viele Kinder in der Gegend. Die Jungen arbeiten alle in der großen Stadt und mit den Bauerngören habe ich Saupreußin es nicht so. Die mit mir natürlich auch nicht, aber die Revierkämpfe rund um das Haus, das Sägewerk und den Holzplatz habe ich gewonnen. War ohnehin nur ein Milchzahn unten links, und der wackelte schon.

Wenn die Eltern nächste Woche kommen, muss ich wieder zurück. Dann wird's wieder anstrengend. Bis dahin mopse ich mich noch ein bisschen, aber vielleicht geht der Großvater mit mir noch mal zum Flori an den Chiemsee und der setzt mich dann auf das Pony. Reiten will ich immer und ein eigenes Pferd versprechen die Großeltern zu Weihnachten. Erwachsene lügen doch nicht. Oder?

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LaFamille.

Familiengeschichten werden viel zu selten erzählt. Und sie werden viel zu selten gut erzählt. Frau Koma schenkt uns die wunderbare Geschichte ihrer Großmutter Charlotte in zwei Teilen.

Absolute Leseempfehlung!

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My younger self.

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ErstKommunion.

Beim nächsten Besuch im mütterlichen Haushalt muss ich unbedingt auf Herausgabe der Kommunionsfotos bestehen - Frau Kaltmamsell und Frau Indica haben so schöne Erinnerungsbilder ins Blog gestellt, dass ich ganz neidisch wurde! Und ein Blick in anderer Leute Familienfotos zeigt mir: Die Siebziger waren nicht nur in meiner Familie kein Jahrzehnt der schönen Kleidung.

Denn soweit ich mich erinnere, trug meine Mutter damals (meine Kommunion war 1979) ein Kleid, das man heute in ähnlicher Form an Stewardessen von Billigfluglinien bewundern darf. Mein Kommunionskleid dagegen ärgerte mich immens. Denn die elterliche Entscheidung lautete: kurz, denn "lang kannst du, wenn du mal heiratest". (Kurze Kleider scheinen indes mein Schicksal, denn auch meine Hochzeit feierte ich schön ordentlich im knapp knielangen Silberfarbenen.)

Alle meine Freundinnen trugen lange Prinzessinnenkleider, kleine Brautkleider also, denn schließlich wollte man sich ja mit der christlichen Tradition vermählen. Besonders neidisch war ich auf meine Schulfreundin Natascha: Mit ihrem langen, gerüschten Kleid, dem von einer ehrgeizigen Mutter in Korkenzieherlocken gelegten Blondschopf und einem kleinen Kranz weißer Blüten schien sie mir die Inkarnation einer Braut. Ich dagegen hatte ein ebenso kurzes wie schlichtes Kleid, eine komische Blütenspange im kinnlangen Kurzhaarschnitt (gerade am herauswachsen) und äußerst unbequeme Spangenschuhe aus Lack. Dazu trug ich schlechte Laune im Gesicht, was dem die Prozession durch den Kirchvorgarten begleitenden Kaplan (ein ganz lieber, begeisterter Erzähler, einer der wenigen Guten, die die katholische Kirche zu bieten hatte) ein aufmunterndes Klopfen auf den Kopf entlockte, begleitet mit den Worten: "Lächeln, du bekommst hinterher sicher noch schöne Geschenke!"

Das machte mich neugierig, und als die gesamte Familie - damals waren noch die Cousinen und Cousins aus den Vogesen dabei, bevor sich die Altvorderen bis aufs Blut zerstritten - bei Giovanni zum Essen eintrudelte, war ich kaum noch zu bremsen vor Neugier. Meinem Lieblingscousin Jean-Olivier jedenfalls entriss ich jedes Päckchen sofort, das dieser zwecks Inhaltsprüfung ans Ohr hielt und probeweise schüttelte.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob ich über die Silberkette mit dem Pferdekopfanhänger hinaus (ja, ich war ein Pferdemädchen!) ein Geschenk erhielt, das ich mir erwartet oder gewünscht hätte. Aber ich habe noch heute das gute Spaten-Silberbesteck mit meinen Initialen, das mir meine Paten-Urgroßtante in voller Stärke zur Kommunion schenkte. Alle Teile - bis auf den großen Suppenlöffel. Denn nach der Erstkommunion, etlichen Stunden gelangweilt verbrachtem Religionsunterricht und den geheimnisvollen Andeutungen eines vom Pfarrer missbrauchten Schulkameraden entschied ich mich, auf die Firmung zu verzichten und fortan lieber ohne kirchlichen Beistand zu sein. Und also auch ohne Suppenlöffel, denn der, so das Tantchen, sei zur Kommunion nicht zu bekommen gewesen und daher erst bei der Firmung ein Geschenk. (Später habe ich ihn dann doch noch bekommen, aber das ist eine andere Geschichte, die viel mit sterben, erben und verwandtschaftlicher Gier zu tun hat.)

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AlltagsChinesisch.

Mein Vater wohnt jetzt ziemlich genau ein Jahr in China. Beruflich entsandt in eine Kleinstadt (nur 2 Mio. Einwohner), zwei Stunden entfernt von der Großstadt (19 Mio. Einwohner), und als Niedersachse dem chinesischen Alltag mit einer stoischen Gelassenheit begegnend, berichtet er regelmäßig per E-Mail von dort. Hier ein kleiner Auszug. Leider konnte ich ihn noch nicht überreden, sich ein eigenes Blog zuzulegen.

Ihr Lieben,

das Jahresende und drohende Weihnachtsfest nehme ich zum Anlass, euch wieder einige Neuigkeiten aus dem Land der Mitte (warum eigentlich? China liegt doch am Rand!) zu senden.

Neben dem Einkauf der Weihnachtsgeschenke müssen wir (seine chinesische Frau und er, Anm. der Red.) noch die neue Wohnung einrichten. Das bringt mich zum ersten Punkt meiner Betrachtungen:

Einkaufsverhalten der Chinesen
Es ist nicht ungewöhnlich, dass man an der Kasse erfährt, dass man bei doppeltem Einkauf auch noch einen tollen Bilderrahmen als Geschenk bekommt oder Ahnliches.

Beim Kauf meiner Wohn-Ess-Zimmermöbel habe ich eine Fussmatte, 2 Teegläser und goldfarbene Bettwäsche bekommen. Der Heizlüfter wurde mit 2 Flaschen Spülmittel vergütet. Das Sofa wurde mit einer Personenwaage angereichert (man soll es offensichtlich nicht zu oft und ausdauernd benutzen).

Es lohnt sich also den Einkauf entsprechend der Geschenke zu planen. Das hatte ich vor kurzem nicht bedacht und es wäre ein totaler Fehlkauf geworden, wenn meine Frau das Problem nicht gelöst hätte.

Das kam so:

Für meine neue Wohnung brauchte ich Kühlschrank, Waschmaschine, Wok, und eine dickere Bettdecke wollte ich auch noch haben. Das haben wir auch eingekauft. An der Kasse wurden wir auf die mehrfache Loschance hingewiesen, Hauptgewinn: Nein, keine Waschmaschine und auch kein Kühlschrank, aber Wok oder Bettdecke lachten als Hauptgewinn.

Wir nutzten die Gelegenheit, und was soll ich sagen: Nach vielen Minigewinnen in der Vergangenheit (unsere Kugelschreibervorräte sollten nun bis ins Jahr noch bis ins Jahr 2030 reichen) hielten wir das Hauptgewinn-Los in den Händen!

Weg frei also für Wok oder Decke, was zurückbringen oder umtauschen, geht das überhaupt? Jetzt weiss ich was Einkaufsstress ist. Aber mei wen tie, einen Wasserkocher hatte ich noch nicht, das war allerdings nur der 2. Preis. Also hat meine Frau mit dem Verkäufer verhandelt, der hat mit dem Chef telefoniert, wahrscheinlich musste die Geschäftsführung eine Sondersitzung abhalten, so lange dauerte es gefühlt. Aber es fügte sich, und seitdem koche ich Kaffee- und Teewasser mit einem elektrischem Wasserkocher.

Noch einmal Glück gehabt.

Ihr Lieben, ich treffe euch dann hoffentlich Weihnachten, wenn wir unseren Urlaub in der alten Heimat verbringen.

Euer A.

Ich freue mich schon wieder auf die nächsten E-Mails, wenn er über die umfangreichen Hochzeitstraditionen, das tägliche Feuerwerken und Wohnungskäufe berichtet.

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FamilienBilder.

Vier Tanten und meine Großmutter in Kohle. Damit das Witwenglück meiner Altvorderen ein Gesicht erhält (und die gelesenen Geschichten auf der Bühne ein gutes Intro). Nächsten Donnerstag stehe ich wieder hinter dem Mikro, mit den für eine Lesung adaptierten lustigen Witwen.

Lange vergessene Talente brechen mit jedem Kohlestrich neu auf. Frühling ist's.

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IchBinChefin.

Eigentlich hätte ich den Fragebogen gern selbst ausgefüllt. Aber nachdem ich einige unschöne Erfahrungen mit Mitlesenden in der Realwelt gemacht habe, werde ich in Zukunft so lange nichts Persönliches mehr schreiben, wie ich mich nicht von diesem Maulkorb befreien kann. Daher nehme ich Percantas Idee auf.

Ich bin Chefin.

1. Was machst du beruflich?
Ich bin Geschäftsführerin eines Unternehmens, eines Familienbetriebs. Unsere Firma handelt mit Holz und Holzerzeugnissen wie Parkett und Leisten. Wir schneiden auch zu und lassen in Kooperation mit örtlichen Schreinereien Sonderanfertigungen für Industriebetriebe herstellen. Ich bin Chefin von 35 Mitarbeitern und kümmere mich neben den klassischen Geschäftsführeraufgaben darum, welche Produkte wir weiterhin vertreiben, z.B. ob wir in Zukunft auch auf den Verkauf von Fertigkonstruktionen wie Carports oder Gartenpavillons setzen wollen, um der Konkurrenz durch Baumärkte begegnen zu können. Meine Mutter, die Seniorchefin, arbeitet noch einige Stunden pro Tag und hält die jahrzehntelang gewachsenen Kontakte zu Großkunden. Wir sprechen uns bei wichtigen Entscheidungen meistens ab, aber sie will sich nächstes Jahr, wenn sie 75 wird, langsam aus der Firma zurückziehen und meinem Sohn ihre Firmenanteile übertragen. Dann wird er hoffentlich sein Ingenieurstudium abgeschlossen haben und mit Frau und Enkeltochter wieder an den Main zurückkehren. Meinem Mann, unserem Logistikverantwortlichen, wird das wohl nicht ganz passen, aber da muss er durch. Wie gesagt, ich bin die Chefin.

2. Was ist gut – was ist nicht so gut daran?
Ich habe Freude an der Arbeit. Entscheidungen fallen mir leicht, ich mag es, Probleme zu analysieren und dann Lösungen zu finden. Erleichtert wird mir die Arbeit natürlich durch unsere Angestellten, die allesamt sehr verlässlich sind und teilweise direkt nach dem Krieg bei uns als Lehrlinge angefangen haben. Sie gehören einfach zu uns.

Vereinfacht wird die Arbeit auch durch die Nähe zu unserem Haus, das gleich auf der anderen Straßenseite zum Firmengelände liegt. Dort wirbelt Frau M., die Haushälterin, der J. kümmert sich um den Garten und die Hühner, und Anna aus Kroatien, die sonst Frau M. hilft, soll sich auch ab dem nächsten Jahr um unsere Enkeltochter kümmern, wenn unser Sohn und die Schwiegertochter in der Firma anfangen. Die Schwiegertochter hat schließlich Betriebswirtschaft studiert, da wird sie sicher zur Hand gehen.

Es ist natürlich manchmal schwer, in einem Familienbetrieb zu arbeiten. Meine Mutter und ich haben in den letzten dreißig Jahren gelernt, damit umzugehen und arbeiten konstruktiv zusammen. Mit meinem Mann gibt es auch kaum Probleme, obwohl er manchmal noch diesen Offizierston anschlägt. Aber das nehmen ihm die Angestellten mittlerweile nicht mehr krumm, denn er hat die Logistik gut im Griff. Schließlich war er bei der Wehrmacht auch bei den Pionieren. Mal sehen, wie es nächstes Jahr mit unserem Sohn und der Schwiegertochter wird. Wir sind eine Familie und müssen zusammenhalten und -arbeiten.

3. Was wäre dein absoluter Traumberuf?
Ich wäre gern Ärztin geworden. Im zweiten Studienjahr kam der Krieg auch zu uns nach Hause mit der Nachricht, dass mein Bruder gefallen sei. Mein Vater holte mich eines Abends von der Universität ab und ging mit mir ins beste Restaurant der Stadt. Ich solle mich entscheiden, ob ich die Firma übernehmen wolle. Dafür müsse ich mein jetziges Studium aufgeben und Holzökonomie in Eberswalde studieren. Ich könne bei Tante Luise wohnen. Er würde trotz seiner Gicht sicherlich noch einige Jahre den Betrieb führen und meine Mutter arbeite ohnehin schon viel ab. Aber es sei meine freie Entscheidung. Ich habe mich dann für die Firma entschieden. Aber ich sehe meine beste Studienfreundin jetzt regelmäßig in ihrer Praxis schwitzen und glaube, es war damals keine so schlechte Entscheidung für die Familie.

4. Warum gerade dieser?
Mich haben Naturwissenschaften immer interessiert. Mit meinem Bruder, der ja nur eineinhalb Jahre älter war als ich, habe ich viele Experimente mit Chemikalien gemacht. Mein Onkel, der Apotheker, gab uns immer mal wieder ein paar Grundstoffe zum Experimentieren. Gern hätte ich als Ärztin in der Forschung gearbeitet. Aber das sollte eben nicht sein.

(H.M.H, *1922, meine Großmutter)

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